Bitcoin-Netz

Das Mining wird zwangsläufig immer grüner

Da mit dem Proof-of-Work-Verfahren des Bitcoin-Netzes ein hoher Energieverbrauch verbunden ist, regen Länder wie Schweden in Zeiten knapper Ressourcen ein Mining-Verbot in ganz Europa an. Die Miner sind mobil und ziehen dahin, wo sie günstige, möglichst saubere Energie erhalten, denn ESG hält Einzug.

Das Mining wird zwangsläufig immer grüner

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Seitdem China die großen Bitcoin-Mining-Pools im Frühjahr 2021 aus dem Land vertrieb, hat sich der regionale Mix sehr viel gleichmäßiger auf viele Regionen der Welt verteilt. Den größten Beitrag zur Hashrate als Kennziffer für die Rechenleistung von Transaktionen im Bitcoin-Netzwerk stellen nun die Schürfer aus den USA. Dorthin wurde das Gros der chinesischen Mining-Geräte verschifft bzw. ausgeflogen: Bilder vom Be- und Entladen riesiger Frachtpaletten aus dem Bauch von Cargofliegern gingen via Social Media um die Welt.

Den Mitte Oktober veröffentlichten Daten des Cambridge Centre for Alternative Finance (CCAF) zufolge tragen US-Miner nun 35,4% der Hashrate für das Bitcoin-Netzwerk bei. Dort locken Bundesstaaten wie Kentucky, Wyoming und Texas mit Steuerbegünstigungen und billigen Energiekosten, mitunter sucht man aktiv nach Abnehmern von Überschussenergie großer lokaler Kapazitäten. Die Miner sind für Bundesstaaten und Kommunen aus zweierlei Gründen interessant: Zum einen tragen sie zum Gewerbesteueraufkommen bei. Zum anderen entsteht damit in den USA eine neue Klasse der Superreichen, die dann wiederum in weitere Gründungen vor Ort investieren sowie zumindest den Teil ihres Vermögens besteuern lassen, das sie nicht über Offshore-Briefkästen eh schon dem Zugriff des Fiskus entzogen haben. Global haben die Finanzminister ja die Zügel angezogen für eine Repatriierung von Vermögen, das bislang in Steueroasen liegt. Auch die Besteuerung des Kryptohandels über die Plattformen ist in Arbeit; wie es beim Mining aussieht, ist unklar, da es bislang nur Gesetzentwürfe gibt, die in den beiden Kammern des Kongresses noch abgestimmt werden.

In den Anhörungen des Senate Banking Committee wurde aber deutlich, dass man gewillt ist, der Kryptobranche insgesamt eine Ansiedelung in den USA zu ermöglichen, da allein mit den Dollar-Stablecoins die Hegemonie der USA sichergestellt wird und man eine Teilhabe in der fortschreitenden Blockchain-Innovation sicherstellen will. Die Bitcoin-Miner sind allerdings darauf erpicht, möglichst viel ihres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien zu beziehen, da das Proof-of-Work-Verfahren für Bitcoin viel Energie verschlingt und viele Miner bislang nach dem Prinzip „Hauptsache billig“ verfuhren. In der öffentlichen Diskussion wurde Bitcoin als schmutzig nach ESG-Kriterien gebrandmarkt, obwohl kaum gesicherte Daten vorliegen. Der Anteil grüner Energie im Bitcoin Mining wurde von Coinshares vor der großen China-Migration auf 40 bis 60% geschätzt. Eine granulare Betrachtung war bei China wichtig: Die großen Mining-Pools waren vor allem in vier Provinzen tätig, wovon die eine Hälfte „coal heavy“ war und die andere Hälfte primär über Wasserkraft gespeist wurde. China war also nicht so schmutzig wie allgemein behauptet. Auch Ansätze aus dem Research, wie von Bank of America, die auf den gesamten Strommix im Land re­kurrierten, waren nicht tauglich – denn dies ließ den saisonalen Umzug der Mining-Maschinen hin zur Wasserkraft in der Regensaison außer Acht.

Der Umstieg ist eingeleitet

Da digitale Assets wie Kryptowährungen aber immer stärker in die Allokation institutioneller Investoren eingehen, haben sich in der Industrie Initiativen wie der Crypto Climate Accord und Global Digital Finance (GDF) gebildet, um Aufklärung zu betreiben. Da geht es dann zum einen darum, überhaupt aufzuzeigen, dass mit alternativen Konsensus-Mechanismen wie dem Proof-of-Stake ein sehr viel schlankeres Mining mit deutlich geringerem Energieverbrauch möglich ist. Selbst weitgehend dezentrale Dienste wie Filecoin haben Maßnahmen aufgesetzt, um den Betreibern eigener Infrastruktur den Umstieg auf sauberen Energiebezug zu erleichtern.

In einem jüngst vom GDF veröffentlichten Report beziehen auch die Datenspezialisten vom Cambridge Centre for Alternative Finance Stellung. Sie widersprechen zum einen der Behauptung, Bitcoin sei ein „Klimadesaster“, weisen zum anderen aber auch die These zurück, es handele sich um eine der jetzt schon nachhaltigsten Industrien. Bei Fragen zum ökologischen Fußabdruck von Bitcoin gehe es um Nuancen in einer komplexen Betrachtung. Die Cambridge-Forscher wollen dafür vorhandene Daten zum Stromverbrauch und der regionalen Hashrate-Verteilung (Daten stammen von großen Mining-Pools) ins Verhältnis zur Karbon-Intensität des lokalen Strommixes setzen. Noch fehlt es aber an der granularen Datenbasis, um die Emissionen aus der Wertschöpfungskette (Hardware etc.) des Bitcoin Mining global zu beziffern. Aber bei einer Sache sind sich die Wissenschaftler einig: Bitcoin Mining kann ein Anreiz sein für einen beschleunigten Ausbau regenerativer Energie, da sich damit die langfristige ökonomische Perspektive grüner Energieprojekte verbessere. Andererseits könne es aber auch dazu führen, dass Kohle-Dreckschleudern eine verlängerte Laufzeit erhalten, weil es Abnehmer aus dem Bitcoin Mining gibt – es ist alles nicht so einfach.

Compass Mining macht’s vor

Die ESG-bewusste Seite der Mining-Industrie versucht das Problem unternehmerisch zu lösen und jagt bestehenden und entstehenden Renewables-Kapazitäten nach. Ein gutes Beispiel dafür ist Compass Mining, die sich im November eine Kapazität von 140 Megawatt im kanadischen Ontario sicherte. Diese Provinz besitzt viel Wasserkraft und Compass verspricht, dass 95% aus „sauberen“ Quellen stammen sollen, inklusive Wasser, Wind, Solar, Biomasse und Nuklearenergie – in Nordamerika geht man mit dem Thema Atomenergie sehr viel entspannter um als in Deutschland.

Dort werden auch Konzepte für neuartige Mini-Atomkraftwerke er­probt, wo schon einige US-Miner ihr Interesse hinterlegt haben. Wenn es danach geht, könnten sich die Miner auch in Frankreich niederlassen, das 90% Atomkraft im Strommix hat. Allerdings ist in Europa der Zugang zu sauberer Energie (gemäß der entstehenden EU-Taxonomie) schon jetzt dermaßen umkämpft und Bitcoin Mining im parteipolitischen Geplänkel von links bereits als schmutzig deklariert, dass die großen Miner wohl lieber einen Bogen um Europa machen, bevor sie in gesellschaftspolitischen Diskussionen zerrieben würden.

Wobei man sich in einer sachgerechten Diskussion der Tatsache stellen muss, dass Bitcoin-Miner im Wettbewerb stehen mit allen anderen Industrien, die mehr saubere Energien beziehen wollen, als der Markt in reifen Industriegesellschaften heute hergibt. Deshalb wird eruiert, welche Regionen der Welt über ausreichend natürliche Ressourcen für saubere Energie verfügen, die man im Prinzip nur mit Infrastruktur-Investments entwickeln muss und dann zu niedrigen Betriebskosten anzapfen kann. Dabei haben Süd- und Mittelamerika ihre Chance erkannt: In Paraguay hat das Parlament Mitte Dezember einen Gesetzentwurf in erster Lesung verabschiedet, der das Mining und den Kryptohandel als lizenzierte Geschäfte zulassen soll. Die Industrie- und Handelskammer würde dann zusammen mit der Energiebehörde das Mining beaufsichtigen, die Wertpapieraufsicht und das „Anti-Money Laundering Office“ den Kryptohandel. Da Paraguay nur ein Drittel der selbst erzeugten Energie nutzt, könnten tausende Megawatt sauberer Energie aus der Wasserkraft dem Mining zugeteilt werden. Derzeit kostet eine Kilowattstunde in Paraguay 0,05 Dollar.

Im Bau befindet sich in El Salvador ein erstes Mining-Kraftwerk, das Geothermie nutzt, indem es vulkanische Energie anzapft. Es sollen noch weitere solcher Geothermie-Kapazitäten entstehen, die Teil eines ambitionierten Plans von Staatschef Nayib Bukele sind. Er hatte im Parlament Unterstützung dafür gewonnen, Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel zuzulassen, und auch den Plan für das Mining im großen Stil skizziert. Die Investitionen will er zum Teil über einen Bitcoin-Bond refinanzieren, für dessen Zeichnung eine Handvoll Bitcoin-Millionäre bereitstehen. Im Gegenzug baut Bukele eine steuerfreie Sonderzone als „Bitcoin City“ in der Hauptstadt San Salvador auf: Damit folgt er dem liber­tären Drehbuch der Bitcoin-Maxi­malisten, was eine Kluft zum Durchschnittsbürger aufreißt. Wobei der Einsatz von Bitcoin als Zahlungsmittel dank der Lightning-Integration in den Smartphone-Apps gut läuft in dem Land, das sich aus dem Griff des IWF sowie der im Zahlungsver­kehr abkassierenden US-Banken befreien will. Und solange der Bitcoin-Kurs hoch ist, kann das auch funk­tio­nieren – mit dem Mining kämen Zu­satzeinnahmen hinzu und das lo­kale Bitcoin-Ökosystem würde verbreitert.

Wasserkraft-Paradies Laos

Noch vor Paraguay hatte Laos Anfang November ein Regelwerk für Bitcoin Mining und den Kryptowährungshandel verabschiedet, nachdem man im September schon sechs Mining-Lizenzen vorläufig erteilt hatte. Das Finanzministerium des an Wasserkraft reichen Landes hat projiziert, dass sich 2022 aus dem Bitcoin Mining Einnahmen von 190 Mill. Dollar für das Staatssäckel ergeben dürften. Damit sollen unter anderem Staatsanleihen abgelöst werden.

Klar ist: Solange es Schwellenländer mit einem Überschuss an sauberer Energie nebst Trassen für den Transport gibt, wird das Mining immer eine Heimat finden für einen kostengünstigen Betrieb. Die Miner entwickeln derweil schon die Grundzüge eines ESG-Reporting, das es Investoren erlaubt, Krypto in ihre Sustainable-Finance-Strategie zu integrieren. Das heißt aber auch, dass sich die Datenlage bezüglich des ökologischen Fußabdrucks Stück für Stück verbessern wird, da niemand um diese Form der Transparenz herumkommen wird.

Globaler Footprint

Aktuellen Schätzungen zufolge beträgt der globale Footprint einem CO2-Äquivalent von knapp 46000 Megatonnen im Jahr, womit Bitcoin auf einen Anteil von 0,08% am globalen Ausstoß käme. Berechnungen des Blockchain Center der Frankfurt School of Finance haben ergeben, dass der Betrieb des Bitcoin-Netzwerks zwischen dem 1. September 2020 und 31. August 2021 knapp 91 Terawattstunden bzw. nahezu 38 Megatonnen CO2-Äquivalent beanspruchte.

Dabei hatten die Frankfurter Forscher anhand von IP-Adressen den Standort der Mining-Anlagen be­stimmt und ermittelt, welcher Anteil des Energiekonsums auf einzel­ne Länder entfällt. Die Kalkulationen bezüglich der Emissionen beruhen wiederum auf der Annahme, dass der vom Bitcoin-Netzwerk genutzte Strommix dem Energieprofil des jeweiligen Landes entspricht – an der Stelle können in Zukunft dank des unvermeidlichen ESG-Dis­closure ge­nauere Daten herangezogen werden.Außerdem darf man vermuten, dass die Bitcoin-Industrie die Mi­gration auf sauberen Energiebe­zug schneller hinkriegt als der Rest der Wirtschaft – und der Anteil am globalen Ausstoß perspektivisch sinkt, bis der letzte Bitcoin geschürft ist.

Zuletzt erschienen:

Komplexität der Regeln (19. Januar)

Fondsgesellschaften (18. Januar)

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