Daten schießen wie Pilze aus dem Boden
Von Silke Stoltenberg, Frankfurt
Daten rund um die nachhaltige Geldanlage schießen seit geraumer Zeit wie Pilze aus dem Boden. Denn wer fundierte Informationen, Analysen und Grundlagen zu dem großen Strategiethema der Finanzbranche liefern kann, der sichert sich als Datenanbieter ebenfalls große Geschäftschancen. Insofern tummeln sich hier die klassischen Rating- und Analyseanbieter des Fondssegments wie beispielsweise Morningstar oder Refinitiv Lipper.
Auch Beratungsgesellschaften sind in Kooperation mit diesen Anbietern aktiv. Für den deutschsprachigen Raum gibt es noch das Forum Nachhaltige Geldanlage (FNG), das Fonds mit einem eigenen Nachhaltigkeitssiegel versieht und von der Branche selbst wie aber auch von wissenschaftlichen Einrichtungen, Ratingagenturen und Privatleuten getragen wird. Und natürlich gibt es noch die Daten vom deutschen Fondsverband BVI.
Dabei sind die jeweiligen Daten aber nicht deckungsgleich, zumal wenn sie über Fonds aus dem EU-Raum hinaus- und eben auch in andere Produktkategorien hineingehen. Refinitiv Lipper betrachtet etwa ganz Europa, wobei aber etwa in der Schweiz oder Großbritannien eben nicht die EU-Regulierung zur Nachhaltigkeit gilt, also Taxonomie und Offenlegungsverordnung. Für die Länder außerhalb sind Datenanbieter also auf eigene Einschätzungen angewiesen, was in die Kategorie der nachhaltigen Geldanlage fällt.
Das geht bei Morningstar noch weiter. Hier ist der globale Markt im Blick. Und die USA und Asien sind noch weit entfernt davon, ähnliche Festlegungen wie die EU bei den Themen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung, bekannt unter dem Kürzel ESG, auch nur anzudenken. Abgesehen davon, dass auch die bisherige EU-Regulierung hierzu noch viel Luft nach oben hat, viele Fragen offen lässt, umstrittene Aspekte einbezieht (Atom, Gas) und sowieso die Daten auf Unternehmensebene noch auf sich warten lassen.
Nur Klassifizierungen
Somit gibt es zwar mittlerweile Klassifizierungen der nachhaltigen Fonds, die in der EU aufgelegt werden, nach Artikel 8 (nachhaltige Aspekte werden in die Investitionsentscheidungen miteinbezogen) oder Artikel 9 (explizite Nachhaltigkeitsziele). Entsprechende Aufstellungen, wie viele Fonds hierzulande in diese Kategorien fallen, liefert für Deutschland beispielsweise der BVI im Quartalsabstand. Aber bei der Frage, wie grün tatsächlich Portfolien sind und welche Fonds außerhalb der EU als nachhaltig eingestuft werden können, wird der Graubereich groß.
Morningstar verweist beispielsweise auf die eigenen Ratings für Fondsportfolien. Um als nachhaltiger Fonds zu gelten, müsse dieses Thema im Fokus der Investmentstrategie stehen und nicht nur Teil von mehreren Zielen sein (ESG-integrated). Reine Mindestausschlüsse wie keine Waffen oder Atomenergie reichen dem Datenanbieter nicht. Indexfonds werden allerdings anders bewertet, weil diese keine aktive Investmentstrategie haben.
Andere wiederum schauen gerade darauf, wie stark ESG in die Investmentprozesse insgesamt bereits integriert sind. So hat die Ratingagentur Scope unlängst die Assetmanager dahingehend gerankt.
Solche Widersprüche sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man die jüngste Größenangabe von Morningstar betrachtet: Demnach lag zur Jahresmitte das Vermögen nachhaltiger Fonds global bei 2,47 Bill. Dollar. Angesichts der Rückschläge an den Börsen und krisenbedingt geringerer Zuflüsse als in der Vorjahresperiode war dies ein sichtbarer Rückgang gegenüber Ende 2021, als es rund 3 Bill. Dollar gewesen waren. Nicht überraschend ist, dass Europa die Nase vorn hat beim Volumen der ESG-Fonds. Demnach vereinigt Europa 80 % des Vermögens in nachhaltigen Fonds auf sich, die USA kommen auf rund ein Zehntel.
Das Volumen der europäischen Fonds betrug Morningstar zufolge zuletzt 2,03 Bill. Dollar. Dabei nehmen die nachhaltigen Fonds einen immer größeren Anteil vom gesamten europäischen Fondsmarkt ein. Zuletzt waren es 18 %.
Bei Refinitiv Lipper wiederum sieht es in der Statistik nach deutlich mehr aus. Demnach betrug das Volumen der europäischen nachhaltigen Fonds zuletzt 5,6 Bill. Euro (ESG-related) oder fast 42 % des gesamten Fondsvolumens.
Ausgehend von diesen Daten wiederum schätzt die Beratungsgesellschaft PwC, dass die nachhaltigen Investmentfonds bereits im Jahr 2025 die Hälfte des gesamten verwalteten europäischen Fondsvermögens ausmachen. Demnach sollen diese Fonds auf 7,4 Bill. bis 9 Bill. Euro anwachsen, was 46 bis 56% des gesamten europäischen Fondsvermögens entspricht.
Noch tiefer, nämlich regional betrachtet fächert die Beratungsgesellschaft ZEB zusammen mit Mornigstar die Verteilung der nachhaltigen Fonds in Europa nach dem Auflagestandort auf. Wie auch bei konventionellen Fonds ragt Luxemburg hier heraus, etwa ein Drittel des nachhaltigen Fondsvolumens ist in dem Großherzogtum domiziliert.
Der Fondsverband BVI, der wiederum den deutschen Markt betrachtet inklusive der jenseits der deutschen Grenzen aufgelegten Fonds, die hierzulande verkauft werden, hat in seiner jüngsten Analyse per Ende März den Bestand der nachhaltigen Publikumsfonds in Deutschland mit 563 Mrd. Euro angegeben sowie 120 Mrd. Euro in Spezialfonds.
Weiter gefasst
Noch weiter blickt das FNG, das die Summe der nachhaltigen Geldanlagen per Ende 2021 mit 501,4 Mrd. Euro beziffert. Dazu zählen nachhaltige Publikumsfonds, Mandate und Spezialfonds mit 409,5 Mrd. Euro (siehe Grafik) sowie nachhaltig verwaltete Kunden- (45,8 Mrd. Euro) und Eigenanlagen (46,1 Mrd. Euro) von Banken. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Gesamtsumme um 50 %, zuletzt hatte die Wachstumsrate noch bei 25 % gelegen.
Vor dem Hintergrund der Krise schwächten sich die Erwartungen zuletzt aber ab: Bei Befragung der Gesellschaften, die der FNG Daten zuliefern, sagten drei Viertel der Befragten, dass sie mit einem Wachstum von mehr als 15 % rechnen, darunter aber immerhin 41 %, die eine Steigerung von mehr 30 % für möglich halten.
Zuletzt erschienen:
„Der Schritt ins Ausland wird kommen“ (17. August)
„Da entsteht eine neue Finanzklasse im grünen Bereich“ (16. August)