Sebastian Schroff, Allianz

Deglobali­sierung ändert die Kapital­anlage

Die Allianz ist ein Gigant der Kapitalanlage. Das Segment Private Debt des Versicherers prüft angesichts der Deglobalisierung, welche Märkte noch erfolgversprechend sind.

Deglobali­sierung ändert die Kapital­anlage

Michael Flämig, München

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Die tektonischen Verschiebungen in der Weltwirtschaft beeinflussen auch die Kreditvergabe der Allianz. „Trends wie Deglobalisierung oder Blockbildung führen zu einer Prüfung, in welchen Märkten die Allianz im Segment Private Debt auch langfristig eine Überrendite erwirtschaften kann“, sagt Sebastian Schroff, Global Head of Private Debt des Versicherers, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Künftig werde die Allianz vielleicht nicht in jeder Region einen Diversifikationsgrad erreichen, den man vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine angestrebt hätte. Diese strukturellen Trends fänden bereits Eingang bei Neuanlagen.

Es gilt jedoch aus Sicht von Schroff: „Massive Verschiebungen im Portfolio erwarte ich vorerst nicht.“ Die Allianz müsse ihren Ansatz bei nichtbörsengehandelten Darlehen weder fundamental hinterfragen noch gar radikal anpassen. Dies gelte auch angesichts des Kriegs in der Ukraine. Denn der Versicherer habe in den vergangenen Jahren sehr kritisch geprüft, in welchen Märkten er sich mit der Anlageklasse Private Debt engagiere. Der Fokus habe darauf gelegen, ob man die Rechte als Kreditgeber gerichtlich in einem zeitlich akzeptablen Rahmen durchsetzen könne.

In Märkten wie Russland habe die Allianz daher kein Private-Debt-Engagement aufgebaut, erklärt Schroff: „Eine direkte Auswirkung durch Risikopositionen in der betroffenen Krisenregion haben wir nicht.“ Allerdings sei der Markt für nichtbörsengehandelte Vermögenswerte nicht komplett von den aktuellen Ver­werfungen entkoppelt, weil es indirekte Effekte gebe: „Eine Stagna­tion wirkt sich auf die Renditen und Verlustquoten auch in unserem Bereich aus.“

Die Chancen der Geopolitik

Die Anlageklassen seien unterschiedlich getroffen. Langlaufende Anlagen würden durch die steigenden Zinsen stärker in der Bewertung beeinflusst. Langfristig sei dies aber kein Problem, da jedes Investment nach Möglichkeit bis zur Endfälligkeit gehalten werde: „Wenn wir langfristig die Illiquidität aushalten können, macht uns eine Krise weniger aus, weil wir nicht verkaufen müssen.“ Bei kürzer laufenden Anlagen seien häufig flexible Zinsen vereinbart. Jedoch sei der größte Bereich des Portfolios wie Immobilien- oder Infrastrukturfinanzierung mit fixen Zinssätzen versehen.

Grundsätzlich seien steigende Zinsen nicht schlecht für die Assetklasse, weil absolut höhere Renditen bei gleichbleibenden Kosten erzielt werden könnten, sagt Schroff: „Heraus-fordernd wird es dann, wenn die Zinsen in kurzer Zeit rapide steigen.“ Dies könne die Verlustquoten erhöhen.

Die geopolitischen Unsicherheiten seien nicht unbedingt schlecht für neue Transaktionen: „Private Märkte können einspringen, wenn andere Finanzierungsquellen wegfallen.“ Man habe nach der Pandemie beobachten können, dass manche Private-Debt-Anleger nicht mehr in bestimmte Anlageklassen investiert hätten: „Davon können wir als langfristig orientierter Anleger profitieren, weil wir über Zyklen hinweg investieren.“ Historisch gesehen hätten Marktphasen hoher Unsicherheit überdurchschnittlich hohe Renditen gebracht.

In der direkten Konkurrenz mit Banken seien die Private-Debt-Fonds in Europa hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückgeblieben, räumt Schroff ein. Während die Kreditvergabe an Unternehmen, die im Besitz von Private-Equity-Gesellschaften seien (sogenannter Spon­sored-Be­reich), sehr stark gewachsen sei, gelte für die direkte Kreditvergabe an Unternehmen im Besitz anderer Eigentümer: „Der Non-Sponsored-Bereich ist noch eine Nische.“ Dass er sich weiterhin nicht so dynamisch entwickele wie in den Vereinigten Staaten, liege auch an dem unverändert dominanten Hausbankensystem in Deutschland.

Überrascht ist die Allianz von dem großen Interesse anderer institutioneller Anleger, sich in Private-Debt-Anlagen des Versicherers einzuklinken. Die Münchner haben ihre global diversifizierte Private-Debt-Strategie erstmals Mitte 2021 für externe Institutionelle geöffnet. „Die Nachfrage ist sehr gut“, sagt Schroff. Der Allianz Global Diversified Private Debt Fund, der auf Private-Debt-Fonds und Co-Investments fokussiert ist, hat mittlerweile sein ursprüngliches Zielvolumen von 1,5 Mrd. Euro übertroffen. Es seien 1,6 Mrd. Euro eingezahlt worden, ein weiteres Closing sei für das dritte Quartal geplant, sagt Schroff. Die Strategie komme mit weiteren Investoren sogar auf 2,5 Mrd. Euro, rund die Hälfte seien externe Gelder.

Der Immobilienfonds Allianz Global Real Estate Debt Opportunities Fund, der im Februar aufgelegt wurde, hat bereits mehr als 500 Mill. Euro eingesammelt. Damit ist zu erwarten, dass externe Investoren in der Zukunft auch in das dritte Pri­vate-Debt-Segment der Allianz in­vestieren können: die Finanzierung der Energiewende im Infrastrukturbereich. Schroff wollte sich nicht festlegen, ob und wann ein Marktstart für einen entsprechenden Fonds möglich sein könnte.

Externe Anleger interessiert

Den Zuspruch externer Institutioneller erklärt Schroff damit, dass die Komplexität in diesen Anlageklassen sehr hoch sei. Aus Allianz-Sicht sei entscheidend, dass der Markt stark wachse und man mit externen Geldgebern weitere Skaleneffekte realisiere. Aber es gelte: „Wir öffnen nicht radikal und großvolumig, sondern nehmen jene Gelder an, die wir mit guter Qualität und Selektivität platzieren können.“

Neben institutionellen Investoren nimmt die Allianz seit wenigen ­Jahren auch die Retail-Kundschaft direkt in ihre alternativen Kapitalanlagen mit. Privatkunden können über die Private-Finance-Police in diese Assetklasse investieren, die auch Private Debt umfasst. Schroff erklärt: „Ich schließe nicht aus, dass wir in der Zukunft das Segment mit spe­zialisierten Produkten weiterbear­beiten.“

Das Private-Debt-Portfolio der Allianz von rund 120 Mrd. Euro hat sich seit 2017 fast verdoppelt (siehe Grafik). Es teilt sich auf vier Klassen auf (Stand Ende 2021, jeweils Nettoinventarwert). Das eigene Baufinanzierungsgeschäft hauptsächlich in Deutschland und teils in den Niederlanden addiert sich auf 35 Mrd. Euro. Es umfasst meist Laufzeiten von zehn bis 15 Jahren. Die kommerzielle Immobilienfinanzierung vor allem in Deutschland und den USA beträgt 30 Mrd. Euro. Die Allianz hat den Markt insofern geprägt, als die früher kurzen Laufzeiten auf sieben bis zehn Jahre verlängert wurden.

Hohes Neuanlagevolumen

Die Infrastrukturfinanzierung kommt mit mehr als 100 Transaktionen auf einen Wert von 21 Mrd. Euro. Die Laufzeiten, die mit fünf Jahren beginnen, können auch über 20 Jahre hinausgehen. 22 Mrd. Euro stecken in Private Placements in den USA und im Schuldscheingeschäft mit einem Fokus auf den Investment-Grade-Bereich. Die direkten bilateralen Unternehmenskredite, die die Allianz als Middle Market Lending bezeichnet und die eine typische Laufzeit von drei bis fünf Jahren haben, betragen 11,2 Mrd. Euro – gemessen am Net Asset Value. Die Assets under Management, die auch die offenen Zusagen umfassen, betragen sogar 25 Mrd. Euro.

Die erwarteten Renditen, die die Allianz jährlich zur Bilanzvorlage offenlegt, schwanken je nach Anlageklasse zwischen 1 und 7%. „Das sind Renditen, die nicht am Anschlag geplant sind“, erläutert Schroff. Sie spiegelten jene Verzinsungen, die man langfristig erwirtschafte, auch wenn man zwischenzeitlich durch eine massive Krise gehe. So hätten die Private-Debt-Fonds in der Vergangenheit eine Rendite von mehr als 10% erreicht, während die Erwartung – bei mittlerweile allerdings teils konservativerer Risikonahme – 4 bis 7% betrage.

Wohin steuert die Allianz ihr Portfolio? Private Debt bleibe ein Fokus, ist Schroff überzeugt. In der Zukunft werde der prozentuale Wachstumspfad aber wegen der höheren Ausgangslage geringer ausfallen. Das Neuanlagevolumen ist schon wegen steigender Kreditausläufe hoch. Allein in Private-Debt-Fonds würden jährlich 5 Mrd. bis 6 Mrd. Euro investiert, erklärt Schroff.

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