Berater-Analyse

„Der europäische Markt favorisiert fokussierte Geschäftsmodelle“

Zwischen nordamerikanischen und europäischen Spitzeninstituten klafft eine Lücke in der Marktbewertung, wie eine neue Studie der Beratungsgesellschaft Alvarez & Marsal zeigt. Dabei haben europäische Banken bei der Profitabilität aufgeholt.

„Der europäische Markt favorisiert fokussierte Geschäftsmodelle“

„Fokussierte Geschäftsmodelle werden favorisiert“

Europäische Banken hängen im Vergleich zu ihren US-Konkurrenten weiterhin zurück. Das zeigt sich vor allem durch eine Lücke in der Marktbewertung, wie die internationale Beratungsgesellschaft Alvarez & Marsal in ihrem neuen „A&M35 Banking Pulse“ analysiert. Dafür wurden die auf Basis von Bilanzsumme, Marktkapitalisierung und Nettogewinn 35 stärksten Banken auf beiden Seiten des Atlantiks ausgewählt und miteinander verglichen. Im Ergebnis haben es 24 europäische und 11 nordamerikanische Banken in das Ranking geschafft.

Deutsche Bank stark vom Investment Banking abhängig

Im nächsten Schritt haben die A&M-Analysten eine „Scorecard“ für die 35 Institute erstellt. Sie bewertet die im Index vertretenen Banken anhand von Leistungsindikatoren in fünf Kategorien: Wachstum, Ertrag, Effizienz, Widerstandsfähigkeit sowie Markt und Wertschöpfung. Die Banken erhalten gemäß der Indikatoren eine Gesamtpunktzahl von 1 (am besten) bis 4. Die italienische Intesa Sanpaolo belegt mit 1,6 den ersten Rang, gefolgt von Nordea (1,7), Unicredit (1,8), der Erste Group aus Österreich (1,8) und dem US-Schwergewicht J.P. Morgan (1,9). Die Commerzbank landet mit 2,5 Punkten im Mittelfeld, die Deutsche Bank belegt mit einem Score von 3,1 indes den vorletzten Platz. Schlechter schneidet lediglich die Société Générale ab.

„Bei der Deutschen Bank zeigt sich einerseits der erfolgreiche Restrukturierungskurs über die letzten Jahre“, erklärt Niko von Tippelskirch, Leiter des deutschen Financial-Services-Teams bei A&M, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Sie hat allerdings einen Business-Mix, der am Ende immer noch sehr von der Investmentbank geprägt ist. So kann man die Marktsicht, ausgedrückt durch eine relativ niedrige Price-to-Book-Ratio, interpretieren.“ Diese lag zum Stand der Erhebung bei 0,4%. Bei J.P. Morgan, die das Feld anführt, lag sie bei 1,8% und bei der Unicredit bei 1,0%.

Gebührenkampf treibt Bewertung

Eine zentrale Erkenntnis des A&M-Reports ist, dass nordamerikanische Banken mit dem 1,4-fachen des Buchwerts gehandelt werden, während europäische Finanzinstitute mit dem Faktor 0,9 hinterherhinken. Dies liegt nach Ansicht der Berater an einem höheren Vertrauen der Investoren in die Nachhaltigkeit der Erträge nordamerikanischer Banken sowie an regulatorischen und wirtschaftlichen Herausforderungen in Europa. Dabei ist die Differenz auf Profitabilitätsseite gar nicht so groß: Während nordamerikanische Banken eine durchschnittliche Eigenkapitalrendite von 11,9 % erzielen, sind es bei europäischen Instituten 11,3%.

Doch Institute in Nordamerika weisen in der Breite eine höhere Ertragskraft auf und das treibt die Bewertung nach oben. „Die Gebühren der US-Banken liegen im Vergleich zu europäischen Peers deutlich höher. Begründet ist das in den Marktstrukturen und einem Wettbewerb der niedrigen Gebühren, der speziell in Deutschland eine lange Historie hat“, sagt von Tippelskirch.

Selbst in anderen europäischen Märkten wie Italien liegen die durchschnittlichen Kundengebühren höher als hierzulande. Diese Entwicklung wurde allerdings schon mit Reformen ab den 1980er Jahren zur Privatisierung des dortigen Bankensektors angestoßen, die viele Fusionen zur Folge hatte, aus denen schließlich unter anderem die Unicredit hervorging.

Leuchttürme auch in Europa

Erfolgreiche Banken in Europa, wie etwa die spanische Santander, zeichnen sich indes durch hohe Effizienz aus. Santander liegt gemäß der A&M-Scorecard mit einer Punktzahl von 2,3 auf Platz 10. „Aus unserem Report erschließt sich, dass der Markt in Europa fokussierte Geschäftsmodelle favorisiert“, ergänzt Kors Korsmeier, Managing Director und Teil des Financial Services-Teams bei A&M – also genau das, was bei der Deutschen Bank und Commerzbank derzeit fehlt.

„Die Kosteneinsparungen bei deutschen Banken müssen jetzt über Automatisierung der Prozesse und Optimierung der IT-Infrastruktur geschehen. Die niedrig hängenden Früchte sind schon geerntet“, ergänzt von Tippelskirch. Ebenso spielt die Regulierungsfrage eine Rolle. In den USA gibt es einen großen Bankenmarkt, der einheitlich reguliert ist.

„Hier sind europäische Institute im Nachteil, da nach wie vor keine europäische Bankenunion existiert und auch bisher keine bedeutsamen grenzüberschreitenden Zusammenschlüsse stattfinden“, erklärt Korsmeier. Deutsche Banken sollten sich indes zunächst auf die nationale Konsolidierung konzentrieren, finden die Berater. Dadurch könnte die Abkehr von den niedrigen Preiserwartungen deutscher Kunden zumindest schrittweise gelingen.

Governance wird wichtiger

Der Report betrachtet allerdings keine nicht-finanziellen Risiken. „Insbesondere Governance-Themen sind jedoch ein massiver Risikofaktor, wie die Historie im Bankenmarkt weltweit gezeigt hat“, sagt Korsmeier. Als jüngste Beispiele dienten die Pleite regionaler US-Banken im Frühjahr 2023 sowie das eingeleitete Ende der Credit Suisse wenige Tage danach.

Der Trend müsse dahin gehen, diese Risiken durch präventive Maßnahmen über pragmatische Kontrollmechanismen und ein klares Verständnis über Geschäftsrisiken in den Griff zu bekommen. „Wir gehen davon aus, dass dieser Aspekt auch im deutschen Markt noch stärker in den Fokus rücken wird“, resümieren die Berater.

Studie von Alvarez & Marsal: Europäische Banken schließen bei Profitabilität auf, dennoch werden US-Häuser an der Börse weiterhin höher bewertet

Zwischen nordamerikanischen und europäischen Spitzeninstituten klafft eine Lücke in der Marktbewertung, wie eine neue Studie der Beratungsgesellschaft Alvarez & Marsal zeigt. Ursachen seien mitunter die höhere Ertragskraft von US-Banken und ein regulatorischer Flickenteppich in Europa.

Von Carolin Kassella, Frankfurt
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