„Der große Preisschock dürfte ausbleiben“
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Ein massiver Anstieg der wirtschaftlichen Unsicherheit und die Energiepreisexplosion dürften im Winterhalbjahr zu einer Rezession führen. Investitionen werden schrumpfen, Bauinvestitionen deutlich. So die Einschätzung der Volkswirte der Deutschen Bank. Diese Faktoren lassen sich aber nicht eins zu eins auf den Immobilienmarkt übertragen. „Wir sehen eine große Zurückhaltung bei den Eigentümern, zu fallenden Preisen zu verkaufen. Der große Preisschock dürfte aber ausbleiben“, sagt Jochen Möbert, Immobilienexperte bei Deutsche Bank Research. Wer als potenzieller Verkäufer etwa vor zehn Jahren investiert habe, sei ohnehin im Plus. Und wer vor zwei Jahren gekauft habe, habe sich die niedrigen Zinsen gesichert und kann durchaus noch zwei oder drei Jahre warten, sagt der Volkswirt.
Normalisierung in der Krise
Die Phase der engen Immobilienmärkte und niedriger Zinsen werde jetzt abgelöst durch eine Phase steigender Zinsen und potenziell noch engeren Märkten. „Man kann dies als Normalisierung des Wohnungsmarktes in unnormalen Zeiten interpretieren. Es ist nicht zu erwarten, dass es in der Zukunft wieder zu einem Boom kommt, dazu sind die Bewertungen zu hoch.“ Aus Möberts Sicht zeichne sich ab, dass es insgesamt weniger Angebot und mehr Nachfrage geben werde. „Durch diese Entwicklung wurden die negativen Effekte höherer Zinsen abgemildert.“
Von erhöhten Kreditkosten seien alle Sektoren im Immobilienmarkt ähnlich betroffen. Die gestiegenen Zinsen hätten die Nachfrage nach Bestandsimmobilien stark gebremst und auch das Angebot reduziert, weil die Projektentwicklungstätigkeit zurückgefahren worden sein.
Dass der Zyklus am Bau zu Ende gehe, ist für Möbert klar. Dafür spreche auch, dass der Trend weggeht von der Förderung der energetischen Sanierung hin zu einer strengen ordnungsrechtlichen Durchsetzung von Klimazielen bei Immobilien. „Ein Beispiel ist die CO2-Bepreisung, die zwar auf den ersten Blick nur einen kleinen Teil der Bruttomietrendite ausmacht, aber sehr wohl bei Gebäuden mit hohen Emissionen auf die Margen durchschlagen dürfte.“
Spreizung am Markt
Für den Volkswirt wird es zu einer Spreizung zwischen sanierten und nicht oder schlecht sanierten Objekten kommen. „Das führt wohl jetzt schon dazu, dass die Hauspreise im Neubau schon jetzt nicht fallen, aber die Preise für gebrauchte Immobilien. Spannende ist die Frage, ob es künftig eine hinreichende Nachfrage für teure, sanierte Objekte gibt.“ Das Problem liegt für Möbert auf der Hand: „Viele einkommensschwache Haushalte werden sich möglicherweise die Miete oder den Kauf einer energetisch sanierten Wohnung nicht mehr leisten können.“ Im jüngsten Deutschland-Monitor zu Baufinanzierung kommt die Deutsche Bank zur Einschätzung, dass der Zinsschock das Angebot reduzieren werde. Die Berechnungen legten nahe, dass 2022 nur 279600 und 2023 nur 246000 Wohnungen fertiggestellt werden. Das lasse sich aus den Genehmigungszahlen und aus der historischen Zinselastizität relativ gut ableiten.
Es bestehe aber zusätzlich das Risiko, dass in der Zukunft noch weniger gebaut wird, befürchtet Möbert. „Fraglich ist, ob man in Deutschland strukturell beim Neubau noch mal über die 300000 Einheiten hinauskommen kann.“ Das wurde in den vergangenen Jahren bislang nur 2020 erreicht. „Mit 350000 Wohnungen würde man unseren Berechnungen nach schon Leerstände generieren. Damit wäre das Wohnungsknappheitsproblem theoretisch zu lösen. In der Praxis sieht es anders aus.“
Ein großes Problem auf dem Bau ist der Fachkräftemangel. Hier fehlen aus Sicht von Experten wie Möbert Konzepte und Veränderungen würden sehr viele Jahre brauchen. „Allein aus diesem Grund wird es schwierig, über die 300000 Einheiten hinauszukommen. Der Bau ist möglicherweise der Sektor, der von der Rentenwelle der Babyboomer als Erstes betroffen ist, weil viele Fachkräfte ausscheiden.“
Während der Mangel an Baumaterial in den letzten Monaten zurückgegangen ist, verharre der Fachkräftemangel nahe seinem Allzeithoch. Die Zahl der Arbeitskräfte im Bausektor steige zwar – auch wegen der Zuwanderung. „Aber auch das führt nicht zu einer schnellen Lösung.“
Während in anderen Branchen Digitalisierung und Automatisierung oft eine Lösung sind, würden solche Verfahren im Bau in den Kinderschuhen stecken. „Noch kann man mit seriellen Bauen und einer Modularisierung nicht viel erreichen. Das ist in Einzelfällen und bei großen Projekten möglich, aber bei den kleinteiligen Strukturen in der Branche ist das oftmals nicht praktikabel“, bleibt Möbert bei seiner Prognose für den Markt vorsichtig.
Weniger Leerstand
Für den Büromarkt sieht Möbert stabilisierende Faktoren. Das Thema Homeoffice und die Befürchtung einer fallenden Flächennachfrage sei abgehakt. „Homeoffice hat nur einen geringen Einfluss auf die Büroflächennachfrage, da die maximale Auslastung der Büros oftmals nahezu unverändert ist“, sagt Möbert. Da die Zahl der Erwerbstätigen steige, werde auch die Zahl der Bürobeschäftigten weiter steigen. „Angesichts eines Arbeitskräftemangels werden sich Arbeitgeber strecken müssen, um die Arbeitnehmer zu halten. Dazu müssen die Büros attraktiver werden. Das heißt aber nicht, dass alle rund 15 Millionen Bürobeschäftigten in Deutschland in die Stadtzentren ziehen werden.“
Der Büromarkt sei eng und der Leerstand vor nur 3,8% dürfte weiter fallen, so Möbert. Der Trend werde dazu führen, dass Büros am Stadtrand entwickelt werden. Trotz dieser Faktoren will Möbert es nicht ausschließen, dass es im Bürosegment Stranded Assets gibt, nicht sanierte Immobilien ohne Chancen am Markt. „Am Wohnungsmarkt wird es keine Stranded Assets geben. Wenn es in der Politik um die Entscheidung geht, energieineffiziente Wohnungen aus dem Markt zu nehmen, wird man angesichts der Wohnungsknappheit wohl eher die Füße stillhalten“, sagt Möbert mit Blick auf energetische Sanieren und deren Kosten.