„Der Kampf um Talente wird beachtlich sein“
Im Gespräch: Lorne Campbell
„Der Kampf um Talente wird beachtlich sein“
Die Ansiedlung der AMLA in Frankfurt befeuere Nachfrage nach Finanzexperten, sagt der Personalberater.
Von Tobias Fischer, Frankfurt
Eine weitere Aufwertung des Finanzaufsichts- und Regulierungshubs Frankfurt durch die Ansiedlung der Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA sieht Lorne Campbell. Der frühere Banker ist seit 2021 Managing Partner bei der Personalberatung Boyden. Er erwartet eine Verschärfung des Wettbewerbs um Finanzexperten.
Die Ansiedlung der künftigen europäischen Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA in Frankfurt wird nach Ansicht des Headhunters Lorne Campbell den Finanzplatz stark aufwerten und den Wettstreit um die besten Köpfe weiter anheizen. „Wir haben eine strukturelle Unterdeckung an Anti-Geldwäsche-Experten. Das wird auch eine Zeit lang so bleiben, bis genügend Bildungsangebote zur Verfügung stehen“, sagt der Managing Partner bei der Personalberatung Boyden im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Aus- und Weiterbildung
Teils gebe es bereits Lehrgänge und Module, die darauf ausgerichtet sind, sei es an der Frankfurt School of Finance & Management, sei es im Haus of Finance, doch werde das nicht ausreichen. „Der Kampf um Talente und Arbeitskräfte wird insofern beachtlich sein“, sagt Campbell, der über jahrzehntelange Managementerfahrung in der Finanzbranche verfügt. Frühere Stationen, bevor er im April 2021 zu Boyden ging, umfassen unter anderem DekaBank, Credit Suisse, Cheuvreux sowie Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.
Trend zum Aufwuchs
Über etwa 430 Beschäftigte soll die AMLA den EU-Planungen zufolge mit Beginn ihrer vollen Aufsichtstätigkeit Anfang 2028 verfügen. Zum Vergleich: Der EU-Regulierer für das Versicherungsgeschäft (EIOPA) mit Sitz im Frankfurter Westhafen Tower zählt nach eigenen Angaben 200 Mitarbeiter. Dass es im Fall der Geldwäschebekämpfer bei 430 bleibt, glaubt Campbell nicht: „Ich habe noch nie eine Behörde gesehen, die kleiner geworden ist.“
Das Beispiel der Europäischen Zentralbank (EZB) spricht Bände. 1998 startete sie nach Angaben von Helaba Research & Advisory in Frankfurt mit rund 500 Mitarbeitern, deren Zahl stetig wuchs. 2013 kamen die Aufgaben als Bankenaufsicht hinzu, und bis Ende 2022 legte die gesamte Beschäftigtenzahl auf gut 4.100 zu – eine glatte Verachtfachung binnen eines Vierteljahrhunderts.
Ich habe noch nie eine Behörde gesehen, die kleiner geworden ist.
Zu dem direkten Beschäftigungseffekt durch die AMLA als Arbeitgeber werden weitere Jobs im Umfeld kommen, ist Campbell überzeugt. „Geldwäschebekämpfung wird wegen der Digitalisierung und Internationalisierung anspruchsvoller, und die Aufgaben nehmen zu. Dadurch steigt der Bedarf an Mitarbeitern in Banken – aber eben nicht nur da. Gefragt sind auch Berater, Juristen und sonstige Regulierungsexperten, deren Zahl auch wachsen wird.“ Um die 40 Banken und Finanzdienstleister in Europa, die einem besonders hohen Geldwäscherisiko ausgesetzt sind, wird die AMLA direkt beaufsichtigen.
Europaweites Bewerberfeld
An Attraktivität der neuen Institution für Finanzexperten werde es nicht mangeln, ist sich Campbell sicher. Die EU-Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung werde Bewerber aus ganz Europa anziehen, zumal Frankfurt in Sachen Lebensqualität und Lebenshaltungskosten vergleichsweise sehr attraktiv sei. Wo genau die AMLA angesiedelt sein wird, ist bislang unklar. Als Standorte stehen Messeturm, Turm 185 und das Flow-Bürogebäude am Flughafen zur Auswahl. Die Entscheidung steht noch aus.
Regulierungscluster Frankfurt
Die AMLA werde ein Stabilitätsanker sein, der den Regulierungs- und Aufsichtsstandort quasi unentbehrlich mache. „In Frankfurt hat sich ein richtiger Regulierungscluster gebildet. Man kann hier von einer kritischen Masse reden, die jetzt erreicht ist“, führt Campbell aus. „Die Stadt ist ein Magnet, man wird, wenn es um Finanzregulierung geht, nicht an Frankfurt vorbeikommen.“
Die Stadt ist ein Magnet, man wird, wenn es um Finanzregulierung geht, nicht an Frankfurt vorbeikommen.
Vielzahl an Institutionen
In Sachen Finanzaufsicht sind in der Mainmetropole der EZB-Aufsichtsarm und die Bundesbank mit ihren Hauptsitzen zu nennen. Auch die Bonner BaFin ist in Frankfurt mit rund einem Drittel ihrer etwa 3.000 Beschäftigten stark präsent. Und die EIOPA hat ebenso in Frankfurt ihren Sitz wie der grüne Standardsetzer International Sustainability Standards Board (ISSB). Schließlich ist noch der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) zu nennen. Das Sekretariat des über das EU-Finanzsystem wachenden ESRB ist bei der EZB angesiedelt.
Strapazierte soziale Infrastruktur
Der zu erwartende Zuzug von Finanzexperten, die bei der AMLA arbeiten, und ihren Familien wird nach Auffassung Campbells die soziale Infrastruktur im Rhein-Main-Gebiet – wie Schulen – weiter arg strapazieren. „Sie platzt schon jetzt aus allen Nähten.“ Er zeigt sich aber optimistisch, dass hier Lösungen gefunden werden.
Für die Ansiedlung ins Zeug gelegt
Dass die AMLA es nach Frankfurt geschafft hat, sei auch einem gemeinsamen Kraftakt von Finanzindustrie und Politik zu verdanken: „Es zeigt, was möglich ist, wenn man bereit ist, persönliche Präferenzen zurückzustellen und gemeinsam etwas zu bewirken. Das hat wunderbar funktioniert.“ Tatsächlich hatten sich Vertreter bis in die höchsten Ebenen von Wirtschaft und Politik aus Stadt, Land und Bund ins Zeug gelegt, um die AMLA an den Main zu holen.
Wohl auch, um die EBA-Schlappe von 2017 vergessen zu machen. Damals hatte sich sogar der französische Präsident höchstselbst und mit Erfolg darum bemüht, den Sitz der Bankenaufsichtsbehörde nach dem Brexit-Votum von London nach Paris zu verlegen. Hierzulande zeigten politische Würdenträger hingegen weniger Interesse an der Angelegenheit, was ihnen viel Kritik eingebracht hatte.
Mit KI gegen Fachkräftemangel
Um zumindest teilweise Linderung gegen den Fachkräftemangel zu schaffen, der nicht nur unter Compliance-Spezialisten zu beobachten ist, sondern in der gesamten Finanzindustrie, müsse Geld in die Hand genommen werden, so Campbell. „Es ist ein Wettrennen. Die zur Verfügung stehende Arbeitskraft nimmt ab, und die Antwort auf den Fachkräftemangel sind Investitionen in Digitalisierung und künstliche Intelligenz.“ Von der These des Jobkillers KI hält Campbell wenig, vielmehr könne so jede Menge Neues entstehen. „Vor der Entwicklung der Eisenbahn gab es ungefähr 40 Berufe in der Welt, danach etwa 400“, sagt er.
Fachkräftemangel bremst
Die Finanzplatzexperten der Helaba konstatieren, dass der Arbeitskräftemangel zunehmend bremsend auf die Beschäftigungsentwicklung in der Frankfurter Finanzbranche wirkt. Bis Jahresende erwarten sie zwar einen weiteren leichten Anstieg der Bankbeschäftigung in der Mainmetropole auf dann knapp 70.000 Mitarbeiter, doch könnten es ohne den demografischen Wandel mehr sein. Das Durchschnittsalter in der Finanzbranche beträgt nach Aussage der Beratungsfirma ZEB 47 Jahre.