Die Neobroker müssen sich besser für Handelsspitzen rüsten
Die Neobroker müssen sich besser für Handelsspitzen rüsten
Von Ausfällen betroffene Kunden wandern ab – Es drohen BaFin-Maßnahmen – Tradegate zeigt Resilienz in ihrer Infrastruktur
Von Björn Godenrath, Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt
Nicht zugängliche Wertpapierdepots, instabile Trading-Apps und dann noch nicht mal Antworten vom Kunden-Support: Der Neobroker Trade Republic erlebte in der vergangenen Woche sein Waterloo, als sich aufgrund der erratischen US-Zollpolitik große Schwankungen an den Kapitalmärkten ergaben und viele Kunden das tun wollten, was man eben tut in solchen Marktphasen: Das Depot umschichten, um entweder kurzfristige Trading-Chancen wahrzunehmen oder um Verkäufe zu tätigen, damit das Depot wetterfest wird für anhaltende Volatilität.

Social Media als Pinnwand für Beschwerden
Das Problem: Viele Kunden kamen am Montag und am Mittwoch vergangener Woche über Stunden nicht an ihre Depots ran, was an diesen zwei Handelstagen erhebliche Ausmaße annahm und sich an den über Online-Portale gemessenen Störungsmeldungen ablesen lässt sowie den umfangreichen Beschwerden von Kunden über Social Media. Und selbst Leute, die es gut meinen mit Trade Republic, sehen sich nun nach alternativen Brokern um. „Wachstum ist großartig, aber Verlässlichkeit ist essenziell“, so ein Nutzer in einem Beitrag auf LinkedIn, der viel Beachtung fand. In den Kommentaren wurden zudem viele weitere Mängelberichte hinterlassen.
Mehr als ein Depot notwendig?
Wobei viele Anleger zu dem Schluss kommen, dass man grundsätzlich mehr als ein Depot braucht, um handlungsfähig zu sein – und wie im Markt zu hören ist, haben andere Broker in den vergangenen Tagen vermehrt Neukunden aufgenommen, die sich nun registrieren lassen, den Ident-Prozess durchlaufen und dann den Übertrag ihres Depots angehen können. Wobei es dafür Vorgaben der BaFin gibt: Maximal drei Wochen darf das dauern.
BaFin will Antworten
Stichwort BaFin: Die hatte in der Vorwoche jene Institute, bei denen technische Störungen auftraten, zu einer Stellungnahme zu den Problemen und deren Ursachen aufgefordert. Verbunden ist das mit einer Aufforderung zu einer schnellstmöglichen Behebung etwaiger Störungen oder Beeinträchtigungen. Die angeschriebenen Institute müssen sich nun äußern und haben besser gute Erklärungen, denn mittlerweile dürften auch aufsichtliche Maßnahmen als Sanktionen in den Blick der BaFin rücken. Trade Republic hatte vor vier Jahren beim Gamestop-Hype schon einmal Einschränkungen im Handel erlebt, als kaum noch Kursfeststellungen bei einzelnen hochvolatilen Aktien möglich waren.
Es war nicht nur Trade Republic
Wobei neben Trade Republic aktuell auch einige andere Broker betroffen waren, vor allem Scalable Capital. Aber auch bei ING und Deutscher Bank kam es zu Einschränkungen. Einzig FlatexDegiro und Tradegate berichteten aktiv davon, dass man zwar stark erhöhtes Volumen habe, man aber alles problemlos abwickeln könnte.
Die Mindestanforderung
Womit ein Umstand in den Fokus rückt: Eine Brokerage-Plattform muss so konstruiert sein, dass sie Handelsspitzen abfangen kann – und zwar sowohl von der Abwicklungsseite als auch bezüglich des Aufkommens in der App, wo der Zugriff zum Depot und damit zu den Handelsaufträgen bestehen muss. Was zu der Frage führt, ob es Mängel in der Marktstruktur gibt, nachdem die Zahl der deutschen Aktionäre in den vergangenen Jahren auf gut 12 Millionen (+20% gegenüber 2018) angestiegen ist.

So geht Tradegate in der Planung vor
Bei Tradegate jedenfalls ist man zu folgender Vorgehensweise gekommen, um die Performance der Plattform sicherzustellen: Nach dem letzten Handels-Peak im November 2021, das aus den Unsicherheiten rund um eine neue Corona-Variante resultierte, habe man die Kapazitäten so aufgestockt, dass diese vierfach ausgelegt seien, so Karsten Haesen, Vorstandsmitglied bei der Tradegate AG, zur Börsen-Zeitung. Das heißt, mit dem Peak von 2021 als Benchmark stellt Tradegate sicher, dass ein viermal so hohes Volumen wie an diesem Tag abgewickelt werden könne. „Das ist eine Absicherung für die Zukunft – und man muss da rollierend nachlegen, um für künftige Spitzenlasten gerüstet zu sein.“ Was das bedeutet: An den beiden umsatzstärksten Tagen letzte Woche sei das Volumen doppelt so hoch gewesen verglichen mit dem alten Spitzenwert 2021, sagt Haesen. Damit war Tradegate dank der Kapazitätsausweitung in der Lage, performant zu sein.
Volumen doppelt so hoch wie beim letzten Peak
Haesen macht aber auch klar, dass man nicht auf alle exogenen Schocks vorbereitet sein kann, wenn also beispielsweise ein Bagger elektronische Infrastruktur beschädige, wie vor Jahren mal beim Frankfurter Flughafen geschehen. Und das, was sich in der vergangenen Woche im Handel abspielte, habe er in über 20 Jahren an der Börse auch noch nicht erlebt.
Wesselin Kruschev von der Bankberatung Capco gibt zu bedenken, dass sich auf den Plattformen der Neobroker viele junge Kunden befinden, die noch nie einen richtigen Drawdown erlebt hätten, also heftige Marktreaktionen nach unten. Dementsprechend wüssten viele nicht damit umzugehen, vor allem jene, die primär in ETF-Sparpläne investieren. Die Ursache für Probleme in den Spitzenzeiten sieht er in der Infrastruktur bei Servern, die nicht vernünftig ausgelegt seien. Zusätzliche Kapazitäten vorzuhalten, sei zwar teuer, aber unabdinglich. Kruschew erwartet, dass die BaFin einzelne Anbieter genau dazu verpflichten wird. „Die Aufsicht dürfte dann Briefe verschicken und den betroffenen Brokern einiges ins Pflichtenheft schreiben.“