FinanzplatztagBlockchain und digitales Geld

„Die Startbedingungen für Disruption sind schon heute vorhanden“

Blockchain und digitale Assets sind aus dem Finanzsektor nicht mehr weg zu denken. Christian Rhino, Stephan Paxmann und Joachim Wuermeling diskutieren, wie disruptiv digitale Assets tatsächlich sind.

„Die Startbedingungen für Disruption sind schon heute vorhanden“

„Startbedingungen für Disruption heute vorhanden“

Wuermeling, Rhino und Paxmann diskutieren Potenziale und Hürden digitaler Assets – Finanzplatz als Ort werde teils durch digitale Netze ersetzt

Von Carolin Kassella, Frankfurt

Die Blockchain, Digitalgeld und digitale Assets sind aus dem Finanzsektor nicht mehr weg zu denken. Christian Rhino von der Deutschen Bank, Stephan Paxmann von der LBBW und Ex-Bundesbanker Joachim Wuermeling diskutierten, wo die Branche innovationstechnisch steht – und wo noch Potenzial schlummert.

Der Themenkomplex Blockchain und digitale Assets, einschließlich Krypto, darf mittlerweile bei keiner Branchenkonferenz im Finanzsektor mehr fehlen. Entsprechend befasste sich am zweiten Tag des Finanzplatztags der Börsen-Zeitung ein hochkarätig besetztes Panel mit der Frage, wie disruptiv digitales Geld und digitale Assets sind. Christian Rhino, frisch als Chief Information Officer der Privatkundenbank zur Deutschen Bank gewechselt, sieht das Thema gar als „sehr disruptiv“ an. „Ich glaube, dass es für uns in der Branche einen riesigen Fortschritt bringen wird bei der Effizienzsteigerung. Wichtig ist, dass wir in der Regulatorik auch die entsprechende Expertise haben.“

Zudem nannte Rhino die Bereitstellung von Liquidität für digitale Assets als eines der zentralen Vorteile von Banken. Stephan Paxmann, Chief Innovation Officer der LBBW, berichtete, dass die Landesbank „stark auf das Corporate Banking fokussiert“ sei und dabei kundenzentriert agiere. „Das heißt, wir schauen zunächst, was bei den Kunden passiert und wo sie den größten Bedarf im Bereich Digital Assets haben.“ Teils sei Akteuren gar nicht bewusst, wo es überall Bedarf gibt. Die Nachfrage nach Blockchain-basierten Lösungen dürfte also nachgelagert zur Innovation steigen.

Das Napster der Finanzbranche

Der ehemalige Bundesbanker Joachim Wuermeling, der auf dem Finanzplatztag als Vertreter der European School of Management and Technology (ESMT Berlin) sowie Of Counsel bei Allen&Overy am Panel teilnahm, warf ein: „Wie disruptiv etwas ist, weiß man immer erst im Nachhinein“. Als Beispiel nannte er die Gründung der ehemaligen Musiktauschbörse Napster um die Jahrtausendwende. Napster sollte dazu dienen, MP3-Musikdateien leichter über das Internet zu verteilen. „Im Nachhinein konnte man beobachten, dass Musik ins Netz gewandert ist“, so Wuermeling. „Jetzt packen wir eben Wertgegenstände in ‚Dateien‘, in Form von Wertpapieren und Geld, und schicken sie im Netz herum.“

Wuermeling sieht mit der Entwicklung von digitalen Assets „eine ganz neue Option, die Entwicklung der Kapitalmärkte über den Transfer ins Netz europäischer, wettbewerbsfähiger und effizienter zu gestalten“. Somit ließen sich neue Vorteile für den Finanzplatz realisieren. „Hier sind rechtzeitig die gesetzlichen Grundlagen geschaffen worden. Die Startbedingungen für eine disruptive Entwicklung sind heute da“, lautete das Urteil des Ex-Notenbankers.

Smarte Verträge noch nicht verbreitet genug

Im Grunde gehe es um Tauschtransaktionen von Leistung und Gegenleistung in volldigitaler Form. Auf Leistungsseite könne das künftig alles sein: Goldbarren, Sitzplätze im Flugzeug, sogar Schweinehälften, scherzte Wuermeling. Rhino mahnte, dass die EZB bei der Entwicklung von digitalem Geld Banken aktiv einbinden müsse, damit diese den Brückenschlag zum Kunden schaffen. Auch auf Händlerseite müsse Akzeptanz herrschen. „Smart Contracts etwa funktionieren nur im Netzwerk, auch grenzüberschreitend. So weit sind wir aber noch nicht“, räumte Rhino ein. Technologie und Plattform seien bei der Deutschen Bank indes vorhanden; die Mica-Lizenz habe das Institut zudem beantragt.

Laut Wuermeling stünden Zentralbanken gerade vor einer Gretchenfrage: „Bin ich auch für Geschäftsprozesse von Banken zuständig oder nur für den Zahlungsverkehr?“ Paxmann betonte, die Landesbank wolle beim Geschäftsprozess die Souveränität behalten. „Wir sind auf der öffentlichen und privaten Blockchain unterwegs“, so Paxmann. „Momentan ist es wichtig, dass man als Institut zweigleisig fährt.“ Es gebe „sehr gute Gründe“ für beide Seiten.

Wesen des Finanzplatzes wird sich ändern

Rhino ergänzte: „Wir haben eine Riesenchance, dass wir mit dem Regulator per Schulterschluss Dinge vorantreiben. Es existieren über 4000 Seiten an Vorschlägen, wie wir tokenisieren können.“ Wie so oft heiße es: Aufseher, Banken und weitere Stakeholder müssen gemeinschaftlich denken.

Und was bedeutet das für die Zukunft des physischen Finanzplatzes? „Es findet eine Entmaterialisierung der Assets statt“, erwartet Wuermeling. Der Finanzplatz als Ort werde teilweise durch digitale Netze ersetzt. „Es ist wichtig, sich heute mit den Standortbedingungen für einen digitalen Finanzplatz zu beschäftigen“, so der frühere Bundesbanker.