Die TLTRO-Programme haben nicht ausgedient
Ende Oktober hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Konditionen für Langfristkredite der Targeted Longer-Term Refinancing Operations (TLTRO) verschärft und den teilnehmenden Banken die Möglichkeit zur vorzeitigen Rückzahlung eingeräumt. Zum ersten Termin im November zahlten die europäischen Kreditinstitute knapp 300 Mrd. Euro zurück, deutlich weniger als erwartet. In wenigen Tagen steht der nächste Rückzahlungstermin an. Für die Entscheidungsfindung dürften im Wesentlichen drei Aspekte eine Rolle spielen: Refinanzierungsmöglichkeiten, Liquidität und Zinsgewinne.
Die TLTRO-Programme zielten darauf ab, den Banken in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit mitten in der Corona-Pandemie günstige Refinanzierungsmittel zu verschaffen, um auf diese Weise die Kreditvergabe anzukurbeln. In welche Assetklassen die Banken die über TLTRO aufgenommenen Mittel letztlich investierten, wird jedoch sehr verschieden sein. Bei Überlegungen zu einer möglichen Rückzahlung stellt sich daher die Frage, ob die getätigten Anlagen auch zu veränderten Refinanzierungsbedingungen attraktiv sind.
Es gilt abzuwägen, ob die in den Aktiva gebundenen Mittel schnell genug freigesetzt werden können, alternative Refinanzierungsquellen zur Verfügung stehen oder ob es günstiger ist, in den TLTRO zu bleiben, die je nach Tranche, Kreditvolumen und entsprechenden Konditionen als Funding-Quelle nach wie vor attraktiv sind. Bei der Abwägung alternativer Refinanzierungsquellen ist durch Banken zudem zu berücksichtigen, ob sie sich maßgeblich über den Kapitalmarkt oder Retail-Funding refinanzieren. Für Banken, welche sich primär über den Kapitalmarkt refinanzieren, sind die TLTRO-Mittel gegebenenfalls immer noch deutlicher günstiger. Eine komplett aus Einlagen refinanzierte Retailbank hingegen findet am Markt oftmals günstigere Refinanzierungsmöglichkeiten vor.
Mittels der durch TLTRO-Mittel generierten Liquidität können Banken zudem ihre Liquiditätsmetriken maßgeblich beeinflussen. Hierbei spielen nicht nur die verfügbaren Mittel an sich eine Rolle, sondern auch die bei der EZB hinterlegten Sicherheiten. Je nachdem, ob ein Institut hierfür hochliquide Aktiva einsetzt, welche selbst direkt auf Liquiditätsmetriken angerechnet werden können, oder aber solche, die zwar zentralbankfähig sind, aber keinen direkten Einfluss auf die Liquiditätsmetrik nehmen.
Einfluss auf Liquiditätsmetrik
Die wichtigsten Liquiditätskennzahlen sind vor diesem Hintergrund der interne Liquiditätsstress sowie die normativ vorgegebenen Liquiditätskennziffern, Liquidity Coverage Ratio (LCR) und Net Stable Funding Ratio (NSFR). Banken müssen für diese Metriken regulatorische Mindestanforderungen erfüllen und je nach Offenlegungspflichten auch öffentlich ausweisen. Im Zuge des bevorstehenden Jahreswechsels haben diese Liquiditätskennzahlen daher eine besondere Bedeutung, da sie gegebenenfalls in die Offenlegung und externe Kommunikation einfließen und somit im Fokus von potenziellen Investoren und Kreditgebern stehen, die sich einen Eindruck von der Liquiditätslage der Institute verschaffen wollen.
Risikolose Gewinne
Manche Banken nutzten die Programme, um ohne Risiko und Aufwand Zinsgewinne einzustreichen, indem sie das zu vergünstigten Konditionen bei der EZB geliehene Geld dort gleich wieder parkten. Das hatte die sicher nicht geplant, vielleicht nicht einmal bedacht. Den Instituten, die so agiert haben, gehen durch die Verschärfung der Konditionen erhebliche risikolose Gewinne verloren, die sie zwar noch nicht erzielt, aber in ihren Planungen für die nächsten Jahren unter Umständen einkalkuliert haben. Möglicherweise sind die Rückzahlungen an die EZB im November daher auch Mittel aus diesen „Free Lunches“, mit denen risikolos Arbitragegewinne gegenüber der Einlagenfazilität generiert wurden.
Die genannten Aspekte stehen natürlich nicht für sich, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Daraus ergibt sich eine Vielzahl möglicher Situationen in den Instituten. Jede Bank muss und wird daher unter Berücksichtigung ihrer Ertrags- und Risikopositionierung prüfen, wie sie auf die TLTRO-Wende reagiert und das aus ihrer Sicht Beste aus der Situation macht. Das bedeutet vor allem, TLTRO-Mittel zu halten, solange sie kompetitiv sind — und aktuell sind sie das in vielen Szenarien noch. Zweck der Anpassung war es, risikofreie Gewinne für die Banken zu eliminieren, was nach unserer Analyse auch gelang. Wir gehen davon aus, dass die Banken sukzessive weitere Rückzahlungen tätigen — abhängig von ihrer individuellen Situation und der Entwicklung der Marktzinsen. Ansonsten dienten und dienen die TLTRO-Programme dazu, Banken mit Refinanzierungsmitteln zu stützen. Zu diesem Zweck ist man nun zurückgekehrt. Es wird genügend Banken geben, die TLTRO-Kredite auch weiterhin benötigen und nutzen.