Dollar-Libor wird noch bis Mitte 2023 ermittelt
hip London
Die britische Finanzaufsicht hat die lange erwartete Ankündigung zur Beendigung aller 35 Libor-Benchmark-Fixings veröffentlicht. „Die heutige Ankündigung ist nun endlich die, auf die es ankommt“, schrieben die Zinsexperten der Commerzbank in ihrem „Rates Radar“. Das Ende des skandalumwitterten Referenzzinses ist eines der größten Projekte der Regulierer weltweit. Nun stellt sich heraus, dass das ursprüngliche Ziel, die Ermittlung der London Interbank Offered Rate (Libor) bis zum Jahresende einzustellen, nur teilweise erreicht wird. Wie die Financial Conduct Authority (FCA) mitteilt, werden die Tagesgeld- und Zwölfmonatsfixings in Dollar erst nach dem 30.6.2023 eingestellt. Bereits unmittelbar nach dem 31. Dezember werden alle Fixings in Euro, Franken, Pfund und Yen sowie die Dollar-Fixings für Laufzeiten von einer Woche oder zwei Monaten entweder eingestellt oder als nicht mehr repräsentativ angesehen.
„Letztes Kapitel“
„Die heutige Ankündigung markiert das letzte Kapitel des 2017 eingeleiteten Prozesses, die Abhängigkeit von den untragbaren Libor-Zinssätzen zu beseitigen und ein solideres Fundament für das Finanzsystem zu legen“, sagte Andrew Bailey, der Gouverneur der Bank of England. „Angesichts der begrenzten Zeit, die noch verbleibt, ist meine Botschaft an die Firmen klar: Handeln Sie jetzt und schließen Sie die Transformation bis Ende 2021 ab.“ Aus Sicht von Nikhil Rathi, dem Chef der FCA, schafft die Ankündigung seiner Behörde „Gewissheit“, was den Zeitplan angeht. Die ISDA (International Swaps and Derivatives Association) erklärte den Fall einer Index-Einstellung für gegeben. Nachdem das Enddatum nun für die meisten Libor-Sätze bekannt ist, können nun die Spreads der ISDA-Fallback-Sätze bestimmt werden, die nach dem 31. Dezember als Libor-Ersatz genutzt werden.
Vieles spricht allerdings dafür, dass Libor noch viele Jahre ermittelt werden muss – wenn auch nicht mehr als offizieller Referenzzins, aber für all die Kredite und Schuldentitel, die sich mangels gangbarer Alternativen auch weiterhin darauf beziehen werden. Die FCA kündigte bereits entsprechende Schritte an, um in solchen Fällen Verwerfungen zu vermeiden. Die am weitesten verbreiteten Dollar-, Pfund- und Yen-Fixings werden deshalb wohl auf „synthetischer“ Basis weiter veröffentlicht, wenn auch nicht auf repräsentativer Basis.
Die ISDA kündigte bereits an, sich mit der ICE Benchmark Administration (IBA) ins Benehmen zu setzen. Man prüfe zudem, ob man die IBA dazu auffordern soll, den Dollar-Libor für Laufzeiten von einem, drei und sechs Monaten über Ende Juni 2023 hinaus „auf nichtrepräsentativer, synthetischer“ Basis zu ermitteln. Solche Fixings dürfen zwar nicht in neuen Verträgen verwendet werden, taugen aber als Krücken für Altverträgen, die nicht ohne weiteres auf die ISDA-Fallbacks umgestellt werden können. Die Rechtsunsicherheit ist in manchen Fällen groß, denn Klauseln zu einem Wechsel des Referenzzinses sind in Kreditverträgen eher ungewöhnlich.
Die Libor-Reform hat zudem eine unerwartete Nebenwirkung mit sich gebracht. Weil keine universelle Alternative angestrebt wurde, sondern lokale Lösungen – ob nun Sonia, Sofr oder die Euro Short-Term Rate Estr – ist es zu einer Fragmentierung des Marktes gekommen.