„Durch diese Tür wird Fondsbranche nicht gehen“
jsc Frankfurt
Die deutsche Fondsbranche wird die Atomkraft trotz der geplanten Aufnahme in die EU-Taxonomie nach Auffassung des Nachhaltigkeitsexperten Roland Kölsch auch künftig weitgehend meiden. Mit ihrem Vorstoß habe die EU-Kommission die Türe für Greenwashing, also eine fälschliche Nachhaltigkeitsdeklaration, geöffnet, kritisiert der Geschäftsführer der Qualitätssicherungsgesellschaft Nachhaltiger Geldanlagen (QNG). „Durch diese Tür wird die deutsche Fondsbranche nicht gehen“, sagte er. Die deutsche Öffentlichkeit sei „stark antinuklear“ eingestellt, und die Finanzbranche sehe sich regelmäßig dem Vorwurf des Greenwashings ausgesetzt – ein Fokus auf die umstrittene Atomkraft sei da ein Risiko. Die QNG verantwortet das Fondssiegel des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG).
Bislang schließen ESG-Fonds die Atomkraft allerdings nur teilweise aus: Während Fonds mit insgesamt strengen Kriterien laut Analyse der Stiftung Warentest per Jahresmitte auch fast immer Atomkraft aus dem Portfolio verbannen, sind die Grenzwerte in einigen großen Produkten weniger streng, zum Beispiel im „UniNachhaltig Aktien Global“, „Deka Nachhaltigkeit Aktien“ oder „DWS ESG European Equities“. Einige Fonds lassen die Atomkraft auch uneingeschränkt zu.
Die Aufnahme von Atomstrom und auch Erdgas in die Taxonomie stelle die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz des Themas Nachhaltigkeit in Frage, schreibt der FNG-Vorstandsvorsitzende Volker Weber in einer Stellungnahme. Beide Segmente seien allenfalls als Brückentechnologien geeignet – und solange die Endlagerung des Atommülls nicht geklärt sei, handele es sich um eine „Brücke ins Unendliche“. Bereits im August hatte das Forum Nachhaltige Geldanlagen, das von Fondsgesellschaften, Banken, Versicherern, Ratingagenturen, Forschungseinrichtungen und Nichtregierungsorganisationen getragen wird, die EU-Kommission in einem öffentlichen Brief zu einem Ausschluss von Atomkraft aus der Taxonomie aufgerufen. Auch einige deutsche Gesellschaften hatten den Brief unterzeichnet.
Verbände sind uneins
Die Risiken für die Reputation der Fondsanbieter seien aber voraussichtlich noch überschaubar, sagt QNG-Geschäftsführer Kölsch. Zwar erschwerten die Pläne der EU-Kommission das Werben für die nachhaltige Geldanlage, doch handele es sich nur um eine Hürde unter vielen. In der Finanzberatung komme hinzu, dass Privatleute die nachhaltige Kapitalanlage oft als thematisches Investieren deuteten – von erneuerbaren Energien bis Mikrofinanz –, während sie häufig eine Abneigung gegen bestimmte Unternehmen hegten. Für die Branche bestehe die Herausforderung darin, das Konzept breit investierender ESG-Fonds mit vielen Aktientiteln und Branchen zu vermitteln. Bislang seien viele Anleger noch nicht mit ESG-Kriterien in Berührung gekommen, was sich aber ändern werde, sobald die Frage der Nachhaltigkeit verbindlich in der Finanzberatung verankert werde.
Auch die Fondsbranche lehnt eine Ausdehnung der Taxonomie auf Atomstrom und Erdgas ab. „Für die Investierbarkeit nach nachhaltigen Gesichtspunkten wäre es besser gewesen, die beiden Energieträger im Rahmen der EU-Taxonomie unberücksichtigt zu lassen“, erklärte ein Sprecher des deutschen Verbands BVI. Weil die Taxonomie für die Zuteilung von Geld aus dem EU-Wiederaufbaufonds eine Rolle spiele, sei politischer Druck aufgebaut worden.
Der Versichererverband GDV äußerte sich auf Nachfrage nicht. Die Deutsche Kreditwirtschaft blieb vage. „Die zugrunde liegenden Kriterien müssen nachvollziehbar sowie praktikabel sein und auf Basis wissenschaftlicher Standards abgeleitet werden. Nur so kann eine glaubwürdige und akzeptierte Taxonomie erreicht werden.“