Ein Dorf lernt zu diversifizieren
Bloomberg Zürich – Nachdem die Uhr für den Brexit tickt, konkurrieren Städte in ganz Europa um Arbeitsplätze, die aus London nach Kontinentaleuropa verlagert werden. Im Schweizer Dorf Pfäffikon – einst eines der größten globalen Zentren für Hedgefondsgelder – könnte man sich nur schwer für einen Zustrom von Anlagespezialisten erwärmen.Das verschlafene Dorf in der Agglomeration Obersee mit rund 7 000 Einwohnern, eine halbe Stunde von Zürich entfernt, hat so seine Erfahrungen gemacht mit der globalen Finanzbranche. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts florierte Pfäffikon dank der Hedgefonds-Branche. Dominierende ArbeitgeberBereits in den 1990er Jahren waren einige Unternehmen aufgetaucht, die durch den ländlichen Lebensstil, den leichten Zugang zum Finanzkapital der Schweiz und insbesondere durch den Körperschaftsteuersatz des Kantons von 12,5 % im Vergleich zu 20 % in Zürich angezogen wurden. Lokale Führungskräfte warben in ihrer Branche enthusiastisch für den Standort.Das zahlte sich aus. 2008 waren die Hedgefonds Man Group und Horizon21 mit zusammen etwa 800 Angestellten die größten Arbeitgeber in dem kleinen Ort. Mindestens ein Dutzend kleinerer Unternehmen kamen neu in das Dorf, was weitere Hunderte Arbeitsplätze brachte. Ein Boom hatte den Ort erfasst.Die Party endete, nachdem die Märkte 2008 und 2009 im Zuge der weltweiten Finanzkrise zusammengebrochen waren. Die großen Hedgefonds bauten radikal Stellen ab, und rund 50 000 Quadratmeter Bürofläche standen leer. Was es noch schlimmer machte: Noch im Juni 2008 hatte Freienbach mit 5 Mill. sfr aus der Steuerkasse Anteilscheine an einem Horizon21-Fonds erworben, deren Wert rasch dahinschmolz. Als die Gemeinde ein Jahr später ausstieg, war das Investment nur 3,3 Mill sfr. wert.Quasi über Nacht entfielen fast 1 000 Arbeitsplätze aus dem Hedgefondsbereich. Die Gemeindevertreter versuchten, die Steuerausfälle irgendwie auszugleichen. Die Vermieter hatten Mühe, den plötzlich leeren Büroraum zu füllen. Und die lokalen Restaurants fragten sich, was mit den Menschenmassen passiert war, die sonst immer zum Mittagessen kamen.Heute hat sich Lage wieder normalisiert. Im Kanton Schwyz liegt die Zahl der Jobs in der Finanzbranche schon wieder um 10 % höher als 2011. Und auch Pfäffikon hat sich weitgehend erholt. Ein etwas geschrumpfter Finanzsektor ist in das Dorf zurückgekehrt. Der Hedgefonds Stone Milliner hat dort 2016 einen Außenposten eröffnet. Im September verließ der Makrofonds EDL Capital seine Büros in Mayfair in London, um neben dem Bahnhof von Pfäffikon mit dem Bau eines Büros zu beginnen. Und im vergangenen Jahr hat Herens Quality Asset Management 16 Mitarbeiter von der anderen Seite des Sees versetzt.Immer noch freut sich der Ort über fast jeden neuen Arbeitgeber, aber es wird nicht wirklich viel getan, um Hedgefonds zu umwerben wie früher. “Nach der Finanzkrise hat Pfäffikon beschlossen zu diversifizieren”, sagt Urs Durrer, der für die wirtschaftliche Entwicklung des Kantons zuständig ist. Gute InfrastrukturTatsächlich gingen die Leerstände zurück, weil die Unternehmen aus anderen Branchen die Vorzüge des Dorfes für sich entdeckten. Außer leeren Büros hatten die Hedgefonds auch eine gute Verkehrsanbindung und schnelle Internetverbindungen dank Glasfaseranschluss hinterlassen. Der Chemiehersteller BASF ist im vergangenen Jahr mit 85 Mitarbeitern gekommen. Der Industriekonzern OC Oerlikon expandiert und beschäftigt dort nun 150 Mitarbeiter.Und eine vom Möbelhaus Ikea ausgegliederte Verwaltungsgesellschaft beschäftigt acht Mitarbeiter an einem Standort, der 2016 eröffnet wurde. “Mit dem Brexit verzeichnen wir mehr Anfragen”, sagte Adrian Gattiker, Immobilienentwickler in Pfäffikon. “Finanzunternehmen denken darüber nach umzuziehen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt stellen sie hauptsächlich Fragen und prüfen die Kosten.”