Im InterviewBVR-Präsidentin Marija Kolak

„Es geht um Transparenzstandards und Eingriffsrechte"

Nachdem 2024 gleich drei Institute in der Sicherungseinrichtung gelandet sind, wollen die Kreditgenossen ihre Governance verbessern, kündigt BVR-Präsidentin Marija Kolak an.

„Es geht um Transparenzstandards und Eingriffsrechte"

„Es geht um höhere Transparenzstandards“

Unter großem Medienecho sind 2024 gleich drei genossenschaftliche Kreditinstitute in der Sicherheitseinrichtung gelandet. Nun hat der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) Vorschläge erarbeitet, um die Governance innerhalb der Gruppe zu verbessern.

Frau Kolak, im vergangenen Jahr sind mit der VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden, Volksbank Dortmund-Nordwest und Volksbank Düsseldorf Neuss gleich drei Genossenschaftsbanken in der Sicherheitseinrichtung gelandet. Um welche Summen geht es? Kolportiert werden 280 Mill. Euro bei der VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden, 134 Mill. Euro bei der Voba Dortmund-Nordwest und 70 Mill. Euro bei der Volksbank Düsseldorf Neuss.

Wir haben Statuten, in denen Verschwiegenheit als Basis der Zusammenarbeit festgelegt ist: Daher sprechen wir nicht über Volumina. Entscheidend ist im Zusammenhang mit den genannten Sanierungsfällen: Kann unsere Sicherungseinrichtung solche Fälle finanziell verkraften? Die Antwort lautet: Ja, und zwar ohne Probleme. Das würde übrigens auch für deutlich größere Häuser als die von Ihnen genannten gelten. Der zweite wichtige Aspekt ist: Wir haben im historischen Vergleich außerordentlich wenige Sanierungsfälle. Vor 20 Jahren hatten wir eine mittlere zweistellige Zahl. Bis 2014 gingen die Sanierungen runter auf eine niedrige zweistellige Zahl. Und in den vergangenen fünf Jahren hatten wir nur noch eine Handvoll von Fällen pro Jahr – so wie auch 2024. Nicht zuletzt interessiert uns als Verband: Wie ist die geschäftliche Entwicklung insgesamt? Wir werden als BVR Anfang März die Bilanzzahlen aller 672 Volksbanken und Raiffeisenbanken für 2024 vorlegen. Diese Zahlen werden einmal mehr sehr gut sein. Die überwältigende Mehrheit unserer Mitglieder erwirtschaftet Jahr für Jahr und nachhaltig Gewinne. Im Umkehrschluss heißt das: Da machen sehr viele Vorstände und auch Aufsichtsräte einen ziemlich guten Job.

Warum haben interne wie externe Kontrollinstanzen – Aufsichts- und Verwaltungsräte, Wirtschaftsprüfer, Aufsicht und der BVR bei den genannten Fällen nicht eingegriffen?

Die Ursachen für die drei Sanierungsfälle sind sehr unterschiedlich und haben eine mehrjährige Vorgeschichte. Teils sind die Verantwortlichen zu hohe Risiken eingegangen, teils wurden Kontrollsysteme nicht ausreichend angewandt oder vorgegebene Standards nicht eingehalten. Unsere Haltung ist da sehr klar: Die Vorstände führen ihre Banken zwar eigenverantwortlich. Aber weder Missmanagement noch Übermut noch mangelnde Kontrolle sind in unserer Gruppe akzeptabel. Wir analysieren genau, was die tieferen Ursachen für solche Schieflagen sind und entscheiden dann, was wir verbessern müssen. Unsere Sicherungseinrichtung wird finanziert durch die Arbeit Tausender hervorragender Vorstände und ihren Hunderttausenden Mitarbeitenden in unseren Volksbanken und Raiffeisenbanken. Sie ist ein starkes, stabiles Solidarsystem, aber kein Freifahrtschein für hochriskante Geschäfte oder fahrlässiges Handeln. Umso ernster nehmen wir solche Fälle.

Sie haben betont, dass die Gelder, die zur Stützung der Institute geflossen sind, zurückgezahlt werden müssen. Was passiert, wenn die Häuser sich dazu nicht in der Lage sehen?

Wir haben als BVR verschiedene Instrumente der Absicherung, zum Beispiel Garantien. Wenn dann im Rahmen einer Sanierung Verluste entstehen, müssen die Mittel nach einer erfolgreichen Sanierung zurückgezahlt werden. In der Regel ist eine Bank dazu in der Lage. Darüber hinaus prüfen wir immer auch Regressansprüche gegen die Verantwortlichen. 

Werden die verantwortlichen Vorstände in Haftung gehen müssen?

Wie in allen anderen Unternehmen ist der Aufsichtsrat einer Genossenschaftsbank verpflichtet, entsprechende Ansprüche gegenüber ehemaligen Vorständen zu prüfen. Er steht in der rechtlichen und übrigens auch moralischen Verantwortung, Schaden von der Genossenschaft und ihren Mitgliedern fernzuhalten.

Reicht es aus, auf die Rückzahlung zu pochen? Die Häufung im vergangenen Jahr deutet doch darauf hin, dass grundsätzlich etwas im Argen liegt. Die Bankenaufsicht BaFin spricht im Zusammenhang mit den Problemfällen in der Finanzgruppe von Governance-Problemen. Dominante Vorstände seien aufgrund schwacher Kontrollmechanismen nicht bei riskanten Entscheidungen gebremst worden.

Sie sprechen von einer Häufung im vergangenen Jahr, aber wie ich bereits gesagt habe: Das ist nicht der Fall. Ganz im Gegenteil. Nichtsdestotrotz ist uns bewusst, dass die drei Fälle nicht ohne Grund für Schlagzeilen gesorgt haben. Der Fall Schmalkalden sticht da sicherlich besonders hervor. Er beschäftigt uns aber nicht erst seit ein paar Monaten, sondern schon seit Jahren. Unter anderem deshalb haben wir Anfang 2024 bereits unsere Statuten verschärft. Dazu gehört unter anderem, dass wir als Verband bei offensichtlichen Fehlentwicklungen deutlich früher eingreifen dürfen. Außerdem haben wir die Beiträge zur Sicherungseinrichtung bei Verstößen gegen Sorgfaltspflichten deutlich erhöht. Dennoch prüfen wir derzeit im Lichte der aktuellen Fälle nochmals, ob und wie wir Interventions- und Kontrollmechanismen in der gesamten Governance-Kette des Sektors zusätzlich ausbauen müssen. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass die Volksbanken und Raiffeisenbanken verantwortungsvoll und sicher geführt und beaufsichtigt werden.

Welche konkreten Schritte sind geplant, um die Kontrolle der einzelnen Institute zu verbessern?

Wir erarbeiten derzeit Vorschläge, mit denen wir die Governance und Kontrolle im gesamten Sektor weiter verbessern. Es geht darum, die Transparenzstandards zu erhöhen und die Eingriffsrechte dort zu verschärfen, wo es nötig ist. Wir unterziehen alle unsere Instrumente einer intensiven Prüfung. Dazu haben wir einen Prozess aufgesetzt, den wir nun intern mit den Gremien und Mitgliedern diskutieren werden.

Können Sie uns den Prozess schildern?

Das werden wir zunächst intern in unserer Organisation besprechen. In den kommenden Wochen haben wir in verschiedenen Regionen mehrere Dialogveranstaltungen zur BVR-Sicherungseinrichtung. Sie waren mit Blick auf die Umsetzung europäischer Regulierungsvorgaben schon länger geplant. Wir werden sie jetzt intensiv auch für die Diskussion über eine notwendige Weiterentwicklung nutzen. Natürlich haben wir als BVR mit unseren Fachleuten eine bestimmte Sicht auf Governance und Kontrollmechanismen. Aber mir ist insbesondere die Einschätzung bzw. Meinung unserer Vorstände in unseren Genossenschaftsbanken wichtig. Auf diese Dialogveranstaltungen freue ich mich deshalb. Im Jahresverlauf werden wir dann unsere Vorschläge in den Gremien vertraulich diskutieren. Sobald wir konkrete Maßnahmen beschlossen haben, werden wir die Öffentlichkeit informieren.

Wann ist mit der Umsetzung der ersten Änderungen zu rechnen?

Ich habe einen Zeitplan im Kopf, den wir aber zunächst intern im ersten Schritt mit unseren Gremien diskutieren werden. Die Medien erwarten in solchen Prozessen immer sehr schnelle Ergebnisse. Ich kann das aus Ihrer Perspektive verstehen. Allerdings werden wir uns für den Prozess so viel Zeit nehmen, wie nötig ist – übrigens auch in einem engen Austausch mit der Aufsicht. Meine Verantwortung als Präsidentin ist, dafür zu sorgen, dass der Prozess durchdacht, langfristig tragfähig und rechtlich sauber ist; genau das werde ich tun.

Die BaFin hat den Problembanken im Genossenschaftssektor ein „alte-weiße-Männer-Syndrom“ attestiert. Halten Sie das Thema Diversität in den Vorständen in diesem Zusammenhang für relevant?

Eine solche Sichtweise entspricht nicht meinem Weltbild. Die Qualität eines Vorstands oder Aufsichtsrats hängt nicht am Geschlecht oder dem Lebensalter. Diversität halte ich dennoch für wichtig, allerdings in erster Linie mit Blick auf unterschiedliche Ausbildungswege, Erfahrungen und Kompetenzen. Wenn Sie diese Perspektive einnehmen, werden Sie automatisch darauf achten, dass in den Gremien und auf Führungsebenen Frauen wie Männer vertreten sind. Entscheidend ist doch, dass wir Frauen wie Männer gleichermaßen ermutigen, in unseren Banken Verantwortung zu übernehmen und sie entsprechend fördern.

Was unternehmen Sie innerhalb des Finanzverbunds, um die Vielfalt im Top-Management zu fördern?

Der Anteil von Frauen an Führungspositionen ist in unserer Finanzgruppe bereits deutlich gestiegen. Ich bin überzeugt davon, dass die angestoßenen Programme zum Beispiel zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den nächsten Jahren dafür sorgen, dass wir noch deutlich mehr weibliche Vorstände haben werden. Ende 2024 haben wir außerdem durch unseren Fachrat Personal den genossenschaftlichen „High Potential Circle“ ins Leben gerufen, um Talente der Zukunft in unserer genossenschaftlichen Finanzgruppe noch besser zu fördern und zu vernetzen. Die Bewerbungsphase für das einzigartige einjährige Programm läuft, und wir achten unter anderem auf eine heterogene, ausgewogene Teilnehmerschaft.

Können Sie etwas zur Zukunft der gestützten Institute sagen?

Die Verantwortung dafür liegt bei den zuständigen Vorständen und Aufsichtsräten. Als BVR begleiten wir im Rahmen unserer Statuten die Entwicklung bei Banken in der Sanierung sehr intensiv und mit der notwendigen kritischen Distanz. Aber wir äußern uns nicht öffentlich zur Zukunft einzelner Institute. Auch dazu verpflichten uns unsere Statuten.

Die Fragen stellten Tobias Fischer und Anna Sleegers.

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