Passive Investoren

ETFs ringen um Position bei Übernahme­angeboten

Die mühsame Übernahme des Konzerns Deutsche Wohnen durch die Rivalin Vonovia wirft ein Licht auf die Rolle der Indexfonds. Als passive Investoren können sie nur schleppend auf Bieterangebote reagieren.

ETFs ringen um Position bei Übernahme­angeboten

Von Christiane Lang, Frankfurt

Auch wenn nicht ETFs, sondern Hedgefonds vermutlich das größte Problem bei der Übernahme der Deutschen Wohnen durch Vonovia waren – die Rolle, die Indexfonds bei solchen Transaktionen spielen, ist seither in den Fokus gerückt.

Während Hedgefonds in der Hoffnung auf eine Nachbesserung des Angebotspreises ihre Aktien oft zurückhalten und dadurch das Erreichen der Mindestannahmequote verhindern können, dürfen Titel, die in ETFs oder anderen passiven Strukturen liegen, erst gar nicht in ein Übernahmeangebot eingebracht werden.

Denn passive Produkte bilden einen bestimmten Index nach und können somit ihre Aktien erst dann abgeben, wenn das betreffende Unternehmen aus den jeweiligen Indizes herausfällt oder seine Gewichtung im Index sinkt. Im Fall von Übernahmen werden Indizes aber erst dann umgestellt, wenn das Übernahmeangebot längst beendet ist. Es besteht also die Gefahr, dass Bieter die gesetzte Mindestannahmeschwelle verfehlen, weil ETFs und nichtbörsennotierte Indexfonds nicht tendern dürfen.

Für Bieter ist es daher immens wichtig, sich Informationen zu beschaffen. „Das Wichtigste ist, dass sich ein Unternehmen Aufschluss darüber verschafft, wie hoch die Beteiligung der ETFs und Indexfonds ist. Mit diesem Wissen lässt sich die Mindestannahmeschwelle deutlich besser festlegen, das Angebot also so strukturieren, dass die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg des Angebots steigt“, erläutert Nikolaos Paschos, Partner der Kanzlei Latham & Watkins in Düsseldorf.

In den vergangenen Jahren sind die Mindestannahmeschwellen bei Übernahmeangeboten immer weiter zurückgegangen. Zum einen aus Respekt vor Hedgefonds, die häufig Marktpositionen aufbauen und damit einen höheren Übernahmepreis erzwingen wollen. Zum anderen rückt inzwischen auch die Unsicherheit, die passive Strukturen mit sich bringen, zusätzlich ins Blickfeld. „Früher war eine Mindestannahmeschwelle von 75% üblich. Ich denke aber, dass wir immer mehr Angebote mit einer Quote von 50% bis 60% sehen werden“, so Paschos.

Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Annahmequote zwar nicht. Sie kann entfallen, wie auch im Fall Vonovia und Deutsche Wohnen im dritten Übernahmeanlauf. Dennoch, das Fehlen einer Annahmeschwelle oder eine niedrige Mindestquote bedeutet für den Bieter ein Risiko, wenn er zum Beispiel einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit dem Zielunternehmen anstrebt. Denn dafür sind 75% der Stimmen in einer Hauptversammlung nötig.

Das Wissen um die Höhe der Kapitalanteile in ETFs allein reicht aber nicht aus. Zusätzlich muss der Bieter versuchen, abzuschätzen, welche Fonds bereit sind, ihre Aktien auch anzudienen. Dazu, so der Vorschlag aus der Fondsbranche, könnten die Aktionäre in einer Hauptversammlung befragt werden.

Tatsächlich sind ETF-Anbieter in Hauptversammlungen aktiver, als ihnen oft nachgesagt wird. Laut Umfrage des Portals JustETF stimmen ETF-Anbieter entweder mit ihrer Muttergesellschaft ab oder entscheiden alleine (siehe Grafik). Doch selbst wenn Indexfonds der Übernahme vorab zustimmen, bleibt ein Problem. „Es ist gar nicht sicher, dass die ETFs und Indexfonds ihre Aktien im Rahmen der Indexumstellung auch tatsächlich zum Übernahmepreis an den Bieter abgeben“, sagt Paschos.

Verkauf im Markt

Denkbar sei auch, dass sie die Titel im Markt verkaufen, wenn der Kurs etwa durch Spekulationen auf eine Nachbesserung des Übernahmepreises gestiegen ist. Der Bieter selbst kann den Preis während einer Laufzeit von zwölf Monaten nicht erhöhen, ohne für alle bereits getenderten Aktien die Differenz nachzuzahlen. Eine Lösung könnte Paschos zufolge sein, dass der Bieter zumindest mit den großen Fonds eine Art Irrevocable Undertaking unter einer aufschiebenden Bedingung schließt, in der diese sich verpflichten, ihre Titel nach der Indexumstellung zum Übernahmepreis an den Bieter abzugeben.

Allerdings sind solche Vereinbarungen für Indexfonds heikel. Denn würden sie ihre Aktien an den Bieter zum Angebotspreis verkaufen, obwohl er unter dem aktuellen Börsenkurs liegt, würden sie im Vergleich mit dem Index eine Underperformance erzielen. Und ETFs sind rechtlich verpflichtet, den Index so genau wie möglich nachzubilden.

Im angelsächsischen Raum, so ist zu hören, kenne man das Problem mit ETFs bei Unternehmensübernahmen im Übrigen nicht. Die Gründe liegen möglicherweise im dortigen Übernahmerecht, das zum Beispiel keine Hauptversammlungs-Mehrheit von 75% für die Beherrschung eines Unternehmens vorsieht und somit keine hohen Mindestannahmeschwellen erforderlich macht.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.