EZB-Aufsicht

Europas Banken stecken Krisen weg

Finanzaufseher halten Europas Großbanken weitgehend für resilient. Die Krisen des vergangenen Jahres hätten sie gut verkraftet, sagte der Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria. Zu tun bleibt dennoch einiges.

Europas Banken stecken Krisen weg

fir Frankfurt

Europas Großbanken haben die Folgen des Ukraine-Krieges, ökonomische Turbulenzen und die Zinswende im vergangenen Jahr gut weggesteckt. Das zeigen die Ergebnisse des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP) von 2022. Die Kapitalanforderungen und -empfehlungen, welche die EZB-Bankenaufsicht alljährlich im Zuge des SREP ermittelt und jeweils für das nächste Jahr festgelegt, blieben im Vergleich mit 2021 weitgehend stabil, wie sie am Mittwoch erklärte. Dividendenzahlungen steht meist nichts im Wege, sagte der Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria. Geplante Ausschüttungen seien in fast allen Fällen mit der Kapitalentwicklung vereinbar.

Herausforderung durch Krieg

„Die Banken haben die wirtschaftlichen Auswirkungen der russischen Invasion in die Ukraine dank ihrer starken Eigenkapital- und Liquiditätspositionen, ihrer höheren Rentabilität und der kontinuierlichen Verbesserung der Aktiva-Qualität gut verkraftet“, sagte Enria. „Allerdings bleiben Herausforderungen be­ste­hen, solange der Krieg andauert.“ Er hält den Instituten solide Kapital- und Liquiditätspuffer zugute. Die durchschnittliche harte Kernkapitalquote liege mit knapp unter 15% nur minimal unter dem Vorjahreswert. Angesichts steigender Zinssätze habe die Rentabilität zugelegt. Zugleich fürchtet die Aufsicht, dass Kreditausfälle zunehmen und die Qualität der Vermögenswerte Schaden nimmt, weil geringeres Wachstum, höhere Preise und verschlechterte Finanzierungsbedingungen hoch verschuldete Kreditnehmer gänzlich in die Bredouille bringen.

Deutlichen Verbesserungsbedarf haben die Aufseher im SREP vor allem im Risikocontrolling und in der Governance ausgemacht. Nahezu jeder zweiten beaufsichtigten Bank sei die Beseitigung mindestens eines Mangels mit Bezug zu den Leitungsorganen auferlegt worden, sagte Enria. Die seien häufig nicht divers genug zusammengesetzt, es mangele mitunter an Vorständen mit IT-Expertise oder der nötigen Unabhängigkeit. „Eine wirksame Governance und strategische Steuerung werden zusätzlich dadurch beeinträchtigt, dass es keine Kultur zum kritischen Hinterfragen gibt und die Entscheidungsprozesse schwach sind“, beklagte der oberste Bankenaufseher der Eurozone. Die schlechtesten Noten im SREP-Zyklus 2022 hätten aber Risikodatenaggregation und Risikoberichterstattung als Unterkategorie der Governance erhalten.

Vorsicht ist Enria zufolge nach wie vor angesichts steigender Zinsen angebracht. Deren Hochschnellen im Gefolge der Zinswende hat vielen Banken einerseits höhere Margen und Zinsüberschüsse beschert, andererseits aber auch zu beachtlichen Abschreibungen bei im Eigenbestand gehaltenen Wertpapieren geführt.

96 Banken verordnete die Aufsicht qualitative Maßnahmen, um Mängel zu beheben, das entsprach 95% der geprüften Institute (s. Grafik). Gegenüber 2021 sei die Gesamtzahl der ergriffenen Maßnahmen um 14% gestiegen, hieß es. 24 Banken bekamen Kapitalaufschläge verpasst, weil sie keine ausreichende Kreditrisikovorsorge gebildet hatten.

Die Bankenaufsicht bewertet im SREP, wie es um die Risiken der von ihr kontrollierten bedeutenden Banken bestellt ist. Aktuell überwacht sie 113 Institute. Sie verlangt je nach Risikogehalt gegebenenfalls qualitative Nachbesserungen oder verhängt institutsspezifische Kapitalaufschläge, die über die in der sogenannten Säule 1 formulierten, für alle Banken geltenden Mindestanforderungen hinausgehen. Sie prüft Governance, Kapital- und Liquiditätsrisiken sowie die Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle. Für dieses Jahr hob die EZB Gesamtkapitalanforderungen und -empfehlungen auf im Schnitt 15,0% der risikogewichteten Assets (RWA) an nach zuvor 14,7%. Für das harte Kernkapital steigen sie von 10,4 auf 10,7%. Säule-2-Anforderungen für das Gesamtkapital hat die EZB mit 2,0 (1,9)% der RWA angesetzt. Säule-2-Empfehlungen bleiben mit 1,3% stabil. Empfehlungen sind anders als Anforderungen nicht rechtsverbindlich, die Aufsicht erwartet aber, dass sie eingehalten werden.

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