Immobilienriese

Evergrande vermeidet Bond-Default

Der Immobilienriese Evergrande ist in letzter Minute einem Zinskupontermin nachgekommen, mit dem ein Default auf seine Dollar-Bonds verhindert wird. Allerdings ist das angeschlagene Unternehmen damit noch lange nicht aus dem Schneider.

Evergrande vermeidet Bond-Default

nh Schanghai

In der Saga um den massiv überschuldeten und akut pleitegefährdeten chinesischen Immobilienentwickler Evergrande Group ist den Anlegern am Freitag eine kleine Atempause vergönnt worden. Nach einer einmonatigen Zitterpartie um einen Zinskupontermin für Evergrande-Dollaranleihen hat die Gesellschaft am Freitag gerade noch rechtzeitig vor Ablauf einer 30-tägigen Nachreichfrist die fällige Zinszahlung von 83,5 Mill. Dollar (70 Mill. Euro) geleistet. Damit verhindert Evergrande einen förmlichen Zahlungsausfall (Default) auf ihre Dollarschulden und damit vorerst auch rechtliche Schritte zur Einleitung eines Insolvenz- und Schuldenrestrukturierungsverfahrens.

Skepsis überwiegt

Zwar zeigen sich die Marktteilnehmer zunächst erleichtert, dass der erste große Knall bei Evergrande-Anleihen zunächst verhindert werden konnte, doch überwiegt die Skepsis, dass es dem Unternehmen gelingen kann, sich aus der akuten Liquiditätsklemme zu befreien. Der mit Abstand größte chinesische Emittent von Hochzinsanleihen (Junk Bonds) sieht sich bereits in Kürze mit weiteren Zahlungsverpflichtungen gegenüber Bondgläubigern konfrontiert, denen Evergrande nur schwerlich nachkommen können wird.

Bereits in der letzten Oktoberwoche läuft eine weitere Gnadenfrist für Evergrande-Dollarbonds ab. So war am 29. September eine Kuponzahlung über 45 Mill. Dollar aufgeschoben worden, für die nun zum Monatsende die entsprechende „Grace Period“ von 30 Tagen zu Ende geht. Nur zwei Wochen später steht Evergrande dann vor demselben Problem mit Blick auf Kuponzahlungen für drei verschiedene Dollaranleihen, die ursprünglich am 11. Oktober zu leisten waren. Hier summiert sich der fällige Betrag auf 148 Mill. Dollar. Am 6. November wiederum stehen reguläre Zinskupontermine auf Dollar- und Yuan-denominierte Anleihen an, bei denen rund 180 Mill. Dollar im Feuer stehen.

Auch wenn es gelingt, den unmittelbar im Herbst noch anstehenden Verpflichtungen nachzukommen, ist Evergrande bei der Bedienung ihrer Anleiheschulden noch lange nicht aus dem Schneider. Gleich zu Jahresbeginn 2022 stehen Kuponzahlungen über mehr als 400 Mill. Dollar an, so dass die Zitterpartie noch lange nicht ausgestanden ist (siehe Grafik). Entsprechend kam es am Freitag auch nur zu einer leichten Kurserholung bei Evergrande-Dollartiteln, die gegenwärtig bei etwa 25 Cent zum Dollar stehen, also rund drei Viertel ihres Werts eingebüßt haben.

Auch für die an der Hongkonger Börse notierte Aktie des Immobilienentwicklers ist zunächst kein überzeugender Befreiungsschlag in Sicht. Am Freitag bäumten sich die Titel zwar zunächst um bis zu 8% auf, gingen letztlich aber nur gut 4% fester aus der Sitzung.

Die Evergrande-Aktie hatte nach dreiwöchiger Handelsaussetzung erst am Donnerstag wieder die Notierung aufgenommen und war dabei um 11% abgerutscht. Dabei reagierten die Anleger vor allem auf die Hiobsbotschaft, dass Evergrande den ge­planten Verkauf einer hälftigen Beteiligung an der Gebäudemanagement-Tochter Evergrande Property Services an die Hongkonger Immobiliengesellschaft Hopson Development Holdings abblasen musste.

Evergrande hätte aus dem Anteilsverkauf rund 20 Mrd. HK-Dollar (2,2 Mrd. Euro) erlöst und damit eine wichtige Überbrückungshilfe im Hinblick auf anstehende Verpflichtungen gegenüber Anleihe- und Kreditgläubigern erfahren. Abgesehen davon waren auch weitere Anstrengungen zum Abverkauf von Randgeschäften des Evergrande-Konzerns bislang nicht erfolgreich.

Geschäft beeinträchtigt

Zudem haben die Liquiditätsnöte und Zahlungsausfälle gegenüber Lieferanten und Baukontraktpartnern der mit über 300 Mrd. Dollar in der Kreide stehenden Evergrande auch das laufende Geschäft schwer beeinträchtigt. Gegenwärtig sind Hunderte der vom Evergrande-Konzern verantworteten laufenden Wohnimmobilienprojekte von einstweiligen Bau­unterbrechungen und Verzögerungen betroffen. Gleichzeitig haben die chinesischen Wohnungskäufer in spe massiv Vertrauen in die Gesellschaft verloren.

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