Allianz

Fehler im Milliarden-Streit möglich

Vorstandsvorsitzender Oliver Bäte schließt angesichts der Milliarden-Klagen in den USA rund um eine Fonds-Familie Fehler nicht aus. Es sei „nicht alles perfekt gelaufen“.

Fehler im Milliarden-Streit möglich

mic München

„Es war eine wirklich schreckliche Woche für uns, vor allen Dingen für mich persönlich.“ So fasste­ Allianz-Vorstandsvorsitzender Oliver Bäte die Ereignisse rund um den Milliarden-Streit mit institutionellen Investoren in einer Telefonpressekonferenz anlässlich der Halbjahreszahlen zusammen. Erstmals schloss er in seinem zuvor nicht angekündigten öffentlichen Auftritt nicht aus, dass der Versicherer Fehler gemacht hat. Seine Schlussfolgerung: „Dieser Event wird Spuren hinterlassen, aber die erfolgreiche Allianz nicht von ihrem Weg abbringen.“

Seit Juli 2020 türmt sich eine zivilrechtliche Klagewelle vor US-Gerichten auf. In 25 Verfahren haben mittlerweile Fondsgesellschaften und Einzelpersonen Verluste von rund 6Mrd. Dollar geltend gemacht. Sie beklagen Kurseinbrüche in der Coronakrise 2020 und ein Wetten von Allianz Global Investors (AGI) gegen ein Anhalten der Marktvolatilität in einer speziellen Fonds-Konstruktion (vgl. BZ vom 23. Juli 2020 und 3. August 2021).

Zusätzlich untersucht die US-Wertpapieraufsicht SEC aus Compliance-Sicht die Angelegenheit. Die Structured-Alpha-Fonds sind als börsennotierte Gesellschaften konzipiert und fallen unter ihre Aufsicht.

In einer Ad-hoc-Mitteilung am Sonntagabend hatte die Allianz erklärt, dass das US-Justizministerium (DOJ) eine Untersuchung begonnen hat – also als dritter Strang eine strafrechtliche Aufarbeitung droht. Ein Zeitpunkt für den Beginn der Untersuchung war nicht genannt worden. Entgegen der allgemeinen Annahme, dass dies kürzlich gewesen sein muss und dadurch die Ad-hoc ausgelöst wurde, legte Bäte im Gespräch mit Analysten offen, dass das DOJ bereits im Mai aktiv geworden ist.

Die Ad-hoc-Mitteilung am Sonntag führte zu einem Rückgang des Allianz-Aktienkurses am Montag um 8%. Am Freitag zum Schluss des Xetra-Handels lag das Papier mit 197,72 Euro noch 6% unter dem Niveau vor Ad-hoc-Veröffentlichung.

Öffentlich bekannt geworden war die Angelegenheit mit der Einreichung der ersten Klage im Juli 2020. Man habe mehr als eine Million Dokumente und E-Mails untersucht, sagte Bäte. In jüngster Zeit habe man auch forensische Überprüfungen angewendet: „Und wir mussten leider jetzt feststellen, vor ganz kurzer Zeit, dass sich daraus bestimmte Implikationen ergeben werden.“

„Schnell manchmal teuer“

Bäte betonte, angesichts des US-Rechtssystems könne er keine Details nennen. Er unterschied jedoch zwei Stränge. Die Klagen rankten sich um die Frage: „Hat dieses Produkt performt, wie es versprochen war?“ Bäte bejahte dies. Es gelte die frühere Aussage, dass die Allianz beabsichtige, sich nachdrücklich gegen die Klagen zu verteidigen. Unabhängig von der Frage, ob das Produkt gut oder schlecht sei, habe sich in der letzten Woche die „rechtliche Einschätzung dessen, was sozusagen in dieser Fondsgesellschaft passiert ist, verändert“. Es sei eben nicht alles perfekt gelaufen im Fondsmanagement.

Zugleich allerdings sagte Bäte, man verstehe die Verärgerung der Kunden darüber, dass die Investition nicht die erhoffte Performance gebracht hat. Er fügte mit einem umgangssprachlichen Einsprengsel hinzu: „Man kann jetzt lange argumentieren, das war ein Hochrisikoprodukt lalalala, am Ende des Tages ist es wichtig, wie Kunden darüber denken.“ Dies müsse der Grundsatz sein, nach dem die Allianz handele.

Zum aktuellen Zeitpunkt könne die Allianz die Angelegenheit nicht zuverlässig bewerten und daher keine finanzielle Vorsorge treffen, sagte Bäte: „Sobald die Voraussetzungen aber erfüllt sind, werden wir natürlich eine Rückstellung bilden.“

Rückstellungen gefährden die Prognose für das operative Ergebnis nicht, weil sie als nichtoperativ verbucht werden und daher nur den Nettogewinn beeinflussen. Zur Ausschüttungspolitik sagte Bäte: „Das Minimum ist immer die letzte Dividende.“ Dieses Aufrechterhalten der Vorjahreszahlung stehe bei der Allianz eigentlich nie in Frage.

Bäte sagte nicht, ob es bereits Vergleichsverhandlungen mit den Klägern gibt und in welchem Zeitraum er mit den Rückstellungen rechnet. „Wir wollen das natürlich so schnell wie möglich und so ordentlich wie möglich machen“, sagte er. Aber das amerikanische Klageumfeld sei ja bekannt: „Schnell ist manchmal sehr teuer.“ Dann bekomme die Allianz das nächste Problem mit den Aktionären, die sagten: Ihr habt es zu schnell und zu teuer gemacht.

Bäte betonte, dass es sich bei den Strategien der Fondsfamilie um einen Einzelfall handle: „Wir haben keine Anzeichen zum jetzigen Zeitpunkt, dass irgendetwas Ähnliches irgendwo anders passieren kann.“ Aber man werde es zum Anlass nehmen, nochmals alles gegen den Strich zu bürsten.

Bäte stellte klar, dass die Allianz an der Vermögensverwaltung und auch an Allianz Global Investors festhält: „Assetmanagement ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Wertversprechens an unsere globalen Kunden.“ Die Bedeutung werde in den nächsten Jahren zunehmen. Global gesehen entwickele sich Allianz Global Investors hervorragend. Der Vorstandsvorsitzende verwies darauf, dass AGI im zweiten Quartal netto 17 Mrd. Euro neue Mittel (siehe Grafik) eingesammelt habe: „Das ist Spitze.“ Ausdrücklich richtete er „ein großes Dankeschön an die Kollegen bei Allianz Global Investors für alles, was sie leisten und alles, was sie jetzt aushalten müssen.“

Bäte nahm für sich in Anspruch, vor den Klagen gehandelt zu haben. Ende 2019 sei klar gewesen: „Wir müssen das Geschäftsmodell und die Organisation von AGI fundamental neu aufstellen.“ Das Management-Team sei 2019/2020 radikal verjüngt und verschlankt worden. Zugleich habe man beschlossen, mehr als 40% der AGI-Investmentstrategien abzuschaffen und zu vereinfachen. 93 der 185 Strategien seien schon umgesetzt und geschlossen.

„Vollständige Transparenz“

Im Jahr 2019 sei die Allianz noch sehr unzufrieden mit der Anlageperformance von AGI gewesen, sagte Bäte. Mittlerweile überträfen 77% der Vermögenswerte die jeweilige Benchmark auf Einjahressicht, auf die Sicht von drei Jahren seien es 69%. 48% des Fondsvermögens sei in den oberen 10% des Dreijahres-Morningstar-Peer-Rankings. Das sei ein hervorragendes Ergebnis.

Bäte verteidige den Schritt, eine Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen, bevor die Rückstellungshöhe genannt werden konnte. Man habe nicht nur im Einklang mit den geltenden Gesetzen handeln müssen: „Wir glauben, dass eine offene, frühzeitige Kommunikation zwingend erforderlich ist und ganz zu unseren Grundsätzen von vollständiger Transparenz passt.“ Es sei immer wieder zu sehr die Versuchung da, solche Themen vor sich herzuschieben, wenn es irgendwie passte: „Wir haben uns schweren Herzens entschieden, kurzfristig die negativen Konsequenzen in Kauf zu nehmen, um langfristig das Unternehmen zu schützen.“

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