Feldversuch im Mittelstand
Das ging fix: Keine drei Stunden nachdem der EU-Parlamentarier Jonás Fernández am Mittwochmittag seinen Entwurf zur Umsetzung der finalen Kapitalregeln von Basel III vorgelegt hatte, hat sich die deutsche Kreditwirtschaft gegen den zuständigen Berichterstatter im EU-Parlament in Stellung gebracht. So warnt der Bankenverband vor erheblichem Schaden, sollten die Vorschläge des spanischen Sozialdemokraten Realität werden. Dessen Vorstellungen sind in der Tat gerade für deutsche Kreditinstitute wenig vorteilhaft: Optionen, dem Anstieg der Kapitalvorgaben im Zuge der Reform entgegenzuwirken, sollen entfallen, die Anforderungen an Immobiliendarlehen nunmehr mit ESG-Aspekten verknüpft werden. Vor allem: Fernández lässt den Streit um die Bewertung des Kreditrisikos von Mittelständlern mit hoher Bonität, aber ohne externes Rating auflodern. Weil sie sprunghaft kletternde Kapitalanforderungen für solche Unternehmen verhindern wollte, zugleich aber keine Alternative wusste, hatte die Kommission im Oktober eine bis 2032 reichende Übergangsfrist mit reduzierter Kapitalunterlegung ausbaldowert – Fernández will sie nun für Firmen mit einem Umsatz von mehr als 500 Mill. Euro streichen.
Kein Wunder, dass da Empörung herrscht: Zum einen finden sich in der Bundesrepublik besonders viele Mittelständler, die kein externes Rating haben, wohl aber mehr als eine halbe Milliarde Euro umsetzen. Zum anderen scheint es kein besonders cleveres Timing, den Stresstest, welchen Energiekrise, Ukraine-Krieg, Zinswende, Lieferkettenprobleme, die Transformation der Wirtschaft und die Pandemie für Unternehmen mit sich bringen, mit der Aussicht auf eine rein regulatorisch bedingte Verteuerung von Krediten zu krönen. Allein: So weit ist es noch lange nicht. Das Papier von Fernández wäre wohl das erste, das die Beratungen im Parlament und den Trilog mit den Mitgliedstaaten unverändert übersteht. Der Kampf ums Eigenkapital geht also weiter.
Ein Verdienst von Fernández ist es gleichwohl, das Problem der Mittelstandsfinanzierung wieder aufs Tapet gebracht zu haben. Dass eine Übergangsfrist das Problem nur verschieben würde, lag von Anfang an auf der Hand – klar ist ja auch: Ohne einen generellen Hang zum Aussitzen wäre manches Problem, mit dem Unternehmen und auch Banken derzeit kämpfen, von Zinsen bis Klima, kaum derart akut. Letztlich laufen die Pläne der Kommission wie der Entwurf von Fernández auf einen Feldversuch hinaus, größeren Mittelständlern externe Ratings aufzuzwingen. Ob er glückt, wird sich zeigen, früher oder später.