Gutes Gehalt ist absolutes Minimum
fir/lee/sto Frankfurt
Sinnhaftigkeit und Abwechslung, vernünftige Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten und -orte: Das erwarten Nachwuchskräfte von einer Arbeitstätigkeit in der Finanzbranche, wie eine Umfrage der Börsen-Zeitung unter Banken und Sparkassen zeigt. Attraktive Bezahlung gilt dabei als selbstverständlich.
Der sich infolge des demografischen Wandels verstärkende Fachkräfte- und oft genug schlicht Arbeitskräftemangel in der Wirtschaft fordert auch der Finanzindustrie, die einst mehr oder minder nur auf Top-Bewerber warten musste, wachsende Anstrengungen ab, gute Leute zu finden und zu halten. Geld spielt dabei weiterhin eine Rolle, reicht aber nicht.
„Das Gehalt wird mehr und mehr zum reinen Hygienefaktor, allerdings hat sich auch hier das Einstiegsniveau merklich erhöht“, hält Andreas Held fest. Er ist Vorstandsmitglied der Raiffeisenbank Hochfranken West und zugleich Bundessprecher und erster Vorstand der Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken (IG Genobanken). Als Hygienefaktoren werden solche bezeichnet, die erfüllt werden müssen, um Unzufriedenheit zu verhindern, aber noch längst nicht zur Zufriedenheit beitragen. „Work-Life-Balance, die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten, mobiles Arbeiten, flexible Arbeitszeiten und Mitarbeiter-Benefits gehören mittlerweile schon zur Serienausstattung und werden von der Mehrheit der Bewerber erwartet“, führt Held weiter aus. Abwechslungsreiches Arbeiten sei gefragt.
Im Wettbewerb um gute Mitarbeiter haben es kleine Institute mit Geschäftsgebiet auf dem flachen Land wie die Genossenschaftsbank oft besonders schwer. Dafür schätzten Bewerber, die sich für die Raiffeisenbank entschieden, die familiäre Atmosphäre und den heimatnahen Arbeitsplatz, berichtet Held. Das Haus mit Hauptsitz in Stammbach (Oberfranken) beschäftigt 69 Mitarbeiter und verfügt über eine Bilanzsumme von 463 Mill. Euro.
Dass die Komplexität der Mitarbeitergewinnung grundsätzlich aber keine Frage von Größe oder Geografie ist, zeigt z. B. die Frankfurter Sparkasse, die mit einer Bilanzsumme von bald 22 Mrd. Euro und 1500 Mitarbeitern zu den größten Sparkassen Deutschlands inmitten einer der Metropolregionen zählt. Deren Ressortleiter Personal, Matthias Groß, beschreibt die Lage wortgleich wie der Genossenschaftsbanker Held: Ein angemessenes Gehalt werde zwar vorausgesetzt, sei aber im Vergleich zu anderen Aspekten „eher Hygienefaktor“.
Zur Zufriedenheit tragen demnach bei jüngeren Arbeitnehmern „ein hohes Maß an Flexibilität im Hinblick auf die Arbeitszeitgestaltung, konkrete persönliche Entwicklungsperspektiven und spannende, nutzen- und sinnstiftende Aufgaben mit hoher Eigenverantwortung“ bei. Ältere Beschäftigte hingegen legten vor allem großen Wert auf den Aspekt der Sicherheit.
Neue Wünsche
Die Anforderungen von Studierenden an ihren zukünftigen Arbeitgeber seien vielfältig, weiß die Deutsche Bank zu berichten. Die Vergütung gelte unverändert als wichtiges Kriterium für Hochschulabsolventen. Als ein relativ neues Kriterium seien flexible Arbeitsbedingungen inklusive der Wahl des Arbeitsortes hinzugekommen, die nach Beobachtung eines Sprechers der größten deutschen Bank erst seit rund zwei Jahren eine bedeutende Rolle spielten.
Der Commerzbank spiegelten Bewerber bereits seit Längerem, dass sie vor allem auf ausreichende Freiräume für die fachliche und persönliche Weiterentwicklung Wert legen, berichtet eine Sprecherin. „Daneben ist ihnen eine gute Work-Life-Balance mit innovativen Arbeitszeitmodellen sowie eine ausgeprägte Teamkultur wichtig. Außerdem erwarten sie ein modernes Arbeitsumfeld, flexible Arbeitsmöglichkeiten und ein attraktives Vergütungspaket.“
Bei der Aareal Bank achteten die Nachwuchskräfte weiterhin stark auf eine abwechslungsreiche Ausbildung, eine gute Betreuung und attraktive Weiterentwicklungsperspektiven, so eine Sprecherin.
Veränderte Erwartungen nicht nur der Nachwuchskräfte im eigenen Haus, sondern insgesamt in der Arbeitswelt nimmt Nicole Rausch, Abteilungsleiterin Personalmanagement der Sparkasse Koblenz, wahr. „Den Menschen ist eine gute Balance zwischen Arbeit, Familie und eigener Freizeit und insbesondere die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit wichtig. Gute Arbeit soll gut bezahlt werden, wobei meiner Beobachtung nach Geld weniger wichtig als freie Zeiten für Selbstverwirklichung geworden ist.“ Das Miteinander im Team habe ebenso an Relevanz gewonnen wie mobiles Arbeiten und flexible Arbeitszeiten.
Nachwuchskräften, die sich bei der Berliner Sparkasse bewerben, sind nach Aussage einer Sprecherin vor allem ein gutes Arbeitsumfeld und eine positive Arbeitsatmosphäre wichtig, aber nach wie vor auch die Bezahlung. Die meisten wünschen sich ihr zufolge einen sicheren Job mit geregelten Arbeitszeiten, gute Entwicklungsperspektiven und die Möglichkeit, mobil zu arbeiten.
„Teil einer spannenden Story“
Die Deutsche Bank spricht von einem Kandidatenmarkt, auf dem sich Talente mithin ihren Arbeitgeber auswählen können. „Sie wollen Teil einer spannenden Story werden, Themen proaktiv vorantreiben und gestalten können“, sagt der Sprecher. Darauf habe man sich eingestellt und im Sommer gut 1300 neue Nachwuchskräfte begrüßt: 800 Hochschulabsolventen haben demnach ein Trainee-Programm begonnen, 418 junge Leute werden seitdem unter anderem zu Bankkaufleuten, Kaufleuten für Büromanagement und Fachinformatikern ausgebildet, und 80 weitere haben ihr duales Studium aufgenommen. Unbesetzt waren Mitte Dezember dennoch circa 800 Positionen in der Deutschen Bank, für die Berufserfahrene und teils auch Einsteiger gesucht würden. Besonders schwer zu besetzen seien vor allem IT-Spezialisten- und regulatorische Positionen, aber auch solche in der Kundenberatung in den Filialen, heißt es.
Um Talente sowie Experten zu finden, greift die Deutsche Bank auf die üblichen Werbe- und Social-Media-Kampagnen, Direktansprachen und klassische Ausschreibungen zurück. Für Tech-Talente seien separate Entwicklungspfade entwickelt worden. Jeden Monat werde ein sogenannter Engineering Day veranstaltet. Die Mitarbeiter aus dem Technologiebereich sind dann eingeladen, sich jenseits ihrer täglichen Arbeit ausschließlich auf das Lernen von etwas Neuem zu konzentrieren.
Studium statt Ausbildung
Bei der Commerzbank haben im Sommer rund 190 Auszubildende und duale Studierende in acht Berufsausbildungen und Studiengängen angefangen, darunter auch Ausbildungsgänge zum Fachinformatiker Anwendungsentwicklung oder Systemintegration, berichtet die Sprecherin. Die Bewerbungen seien 2022 erstmals rückläufig gewesen. „Wie auch branchenübergreifend zu beobachten ist, konnten wir unsere Ausbildungsplätze nicht im gewünschten Umfang besetzen.“ Nahezu in allen Ausbildungsberufen hätten die Stellen nicht vollständig ausgefüllt werden können. Als Gründe führt die Commerzbank-Sprecherin die Folgen der demografischen Entwicklung an und den Umstand, dass sich junge Menschen zunehmend für Abitur bzw. Studium entschieden.
Aber auch der Arbeitsmarkt für Fachkräfte bleibe „weiterhin ein hart umkämpfter Markt“, wobei je nach Region und Anforderungsprofil erhebliche Unterschiede bestünden. Zur Zahl der unbesetzten Stellen will sich die Commerzbank aktuell nicht äußern. Gesucht würden unter anderem aber vor allem IT-Experten. Dem Fachkräftemangel stemmt sich das Institut mit Nachwuchsförderung, gezielten Rekrutierungsmaßnahmen und internen Qualifizierungen entgegen.
Die Wiesbadener Aareal Bank konstatiert einen verstärkten Wettbewerb und eine aufwendigere Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. Das gelte insbesondere für regulatorische Funktionen und im IT-Umfeld. Beim Recruiting setzt das Institut unter anderem auf eine enge Zusammenarbeit mit Schulen und Hochschulen. Die Zahl der derzeit unbesetzten Stellen bezeichnet die Sprecherin des Immobilienfinanzierers dank einer unter dem Branchendurchschnitt zu verortenden Fluktuation als überschaubar. Mögliche interne und externe Kandidaten würden frühzeitig identifiziert, um auf freie Stellen schnell reagieren zu können.
Raiffeisenbanker Held weiß von deutlich weniger Bewerbungen auf Ausbildungsplätze in den vergangenen Jahren zu berichten. Auch ist es ihm zufolge schon seit einiger Zeit schwierig, geeignete Kandidaten für den Vertrieb, aber auch für Tätigkeiten im Meldewesen oder der Bilanzierung zu finden. Um Abhilfe zu schaffen, hole sich die Genossenschaftsbank im Bereich Bilanzierung und Beauftragtenwesen kostenintensive, externe Unterstützung, teilweise als Auslagerung und teilweise als temporäre Ergänzung. Arbeitsabläufe seien verschlankt worden, und „in den internen Bereichen ist Flexibilität gefordert und die Bereitschaft, sich mehrere Hüte aufzusetzen“.
Da das Durchschnittsalter der Belegschaft bei 47 Jahren liege, würden in den kommenden Jahren etliche Kollegen in den Ruhestand gehen. „Um diese Positionen nachzubesetzen, wird auch von uns große Flexibilität und Veränderungsbereitschaft abgefordert werden“, sagt er.
Wettbewerb um Fachkräfte
Die Frankfurter Sparkasse spürt nach Aussage ihres Ressortleiters Personal, Groß, dass der Wettbewerb um Nachwuchs und Fachkräfte deutlich intensiver geworden ist als noch vor einigen Jahren. „Es wird zunehmend zur Herausforderung, qualifizierte Mitarbeitende zu rekrutieren.“ Das Institut unternehme große Anstrengungen, um freie Stellen zu besetzen. Im Ausbildungsjahrgang 2022 konnten demnach alle 40 Stellen besetzt werden, eingegangen seien dafür knapp 900 Bewerbungen.
Insbesondere Spezialisten im regulatorischen Bereich sowie im Aufsichtsrecht würden gesucht, ferner im stationären Vertrieb sowie in der digitalen Kundenberatung. Ende Dezember waren etwa 30 Stellen unbesetzt. Die Frankfurter Sparkasse wirbt laut Sprecher insbesondere über die sozialen Medien für sich als Arbeitgeber, nutze aber auch Direktansprache und Jobportale und baue Kontakte zu Universitäten aus. Seit Dezember lege sie einen Schwerpunkt auf die Rekrutierung von Nachwuchskräften. Dafür sei eine eigens entwickelte Kampagne in sozialen Medien, Presse und auf Plakaten im Geschäftsgebiet initiiert worden.
Quereinsteiger erwünscht
Die Berliner Sparkasse konnte nach Angaben der Sprecherin bisher genügend Nachwuchskräfte gewinnen, spüre aber den Fachkräftemangel. Betroffen sind ihr zufolge insbesondere Bereiche, die eine langjährige und spezialisierte Berufserfahrung erfordern. Bewerbungen von Quereinsteigern seien erwünscht. Mitarbeiter würden intern weitergebildet, um langfristiges Know-how aufzubauen, die Zusammenarbeit im Sparkassenverbund werde ausgeweitet.
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Ihr habt keine Leute? Ihr habt keine Ideen! (13. Januar)