Hängepartie um Fidor
Von Stefan Kroneck, München
Die beabsichtigte Veräußerung der verlustreichen Digitalbank Fidor hat sich zu einer Hängepartie entwickelt. Die Transaktion ist immer noch nicht in trockenen Tüchern, obwohl die Muttergesellschaft BPCE und der Käufer Ripplewood bereits im Spätsommer 2020 entsprechende Verträge dazu unterzeichnet hatten. Ursprünglich plante die Großbank mit Sitz in Paris, bis spätestens Ende 2021 den Verkauf unter Dach und Fach zu bringen. Doch dieser Termin ist längst verstrichen. Nun arbeitet die Führung von BPCE daran, in diesem Jahr zum Ziel zu kommen. „Die Transaktion wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 2022 abgeschlossen werden“, teilte die Fidor Bank dazu auf ihrer Homepage mit. Auf Nachfrage der Börsen-Zeitung erklärte ein Konzernsprecher von BPCE, die Abtretung der Fidor Bank AG weiterhin zu verfolgen. „Wir befinden uns hierzu in exklusiven Verhandlungen mit Ripplewood Advisors.“ Weiteres dazu wollte er nicht kommentieren.
Offensichtlich ist das Thema so sensibel, dass die BPCE detaillierte Informationen an die Öffentlichkeit nicht herausrückt. So kann über die Ursachen dieser Hängepartie nur spekuliert werden. Vermutlich ist der Preis der Knackpunkt. Da sich die Fidor Bank mitten in einem Restrukturierungsprozess befindet, könnte die Private-Equity-Gesellschaft aus New York von den Franzosen möglicherweise sogar eine Mitgift einfordern, um das Internet-Geldhaus überhaupt zu übernehmen. Ein Kaufpreis hätte in einem solchen Fall symbolischen Charakter.
Das vor 13 Jahren an den Start gegangenen Fintech ist alles andere als eine Ertragsperle. Ohne finanzielle Stützung von BPCE wäre das Institut vermutlich längst pleitegegangen. In den Jahren 2016 bis 2020 häufte die Bank einen Betriebsverlust von aufaddiert mehr als 370 Mill. Euro an (siehe Grafik). Das ist für eine relativ kleine Bank mit einer Bilanzsumme von 1,4 Mrd. Euro (Stand 2020) eine hohe Summe. Nach Bilanzsumme ist das Haus etwa so groß wie eine mittelgroße Sparkasse. Ein testierter Abschluss für 2021 liegt von Fidor noch nicht vor. Ihren bisherigen Veröffentlichungsrhythmus folgend, wird die Bank den Geschäftsbericht für das vergangene Jahr voraussichtlich Anfang 2023 im Bundesanzeiger publizieren.
Abschluss 2021 entscheidend
Das Zahlenwerk für 2021 dürfte aber entscheidend dafür sein, ob Ripplewood tatsächlich zugreift oder die Vereinbarung in letzter Minute sogar platzen lässt. Nach den herben Verlusten in den Vorjahren versprach die Führung von Fidor unter CEO Boris Joseph zuletzt, 2021 das Ergebnis „deutlich“ zu verbessern, 2022 den Break-even anzusteuern und 2023 einen „positiven“ Jahresüberschuss zu erwirtschaften. Dazu soll die überarbeitete Strategie beitragen. So steht es im Geschäftsbericht 2020, der Anfang Januar im Bundesanzeiger erschienen ist. Fidor trennt sich von Randaktivitäten und will zugleich das Kreditgeschäft im B2B-Bereich ausweiten.
Nach der mehrheitlichen Übernahme von Fidor vor sechs Jahren durch die BPCE stellte sich rasch heraus, dass der Neuerwerb in Deutschland für die ambitionierten Franzosen ein Fehlgriff war. Der Fidor-Kauf erwies sich als Millionengrab. Einschließlich einer Kaufsumme von rund 100 Mill. Euro versenkte das Zentralinstitut der französischen Sparkassen und Volksbanken bisher vermutlich ungefähr eine halbe Milliarde Euro in das Fintech. Denn die BPCE verpflichtete sich, verbrannte Eigenmittel der bayerischen Konzerntochter infolge hoher Fehlbeträge mit frischem Kapital auszugleichen. Dadurch hielt die Muttergesellschaft Fidor bisher am Leben.
Die BPCE erhoffte sich mit der Akquisition einst, ihre Expansion in der größten EU-Volkswirtschaft abzurunden. Doch gleich ein Jahr nach der Übernahme sorgten vorherige Fehlinvestitionen im britischen Gebrauchtwagenkreditmarkt dafür, dass Fidor hohe Verluste verzeichnete. Die Abarbeitung dieses Klumpenrisikos kostete weitere Millionen. Fidor schrieb weiter tiefrote Zahlen. 2020 schlug eine Abschreibung für die zuvor an den französischen Technologiekonzern Sopra Steria verkaufte IT-Einheit Fidor Solutions mit 78 Mill. Euro ins Kontor.
Firmengründer ging von Bord
Fidor arbeitet zudem im Kernbereich unwirtschaftlich. Die Verwaltungsaufwendungen von 52 Mill. Euro entsprachen 2020 mehr als dem Dreifachen des Zins- und Provisionsergebnisses. Insgesamt führte das zu einem Betriebsverlust von 121 Mill. Euro. So viel Geld hatte Fidor noch nie binnen 12 Monaten verbrannt.
Zuvor hatte der Firmengründer und CEO Matthias Kröner das Institut im März 2019 verlassen. Der gebürtige Münchner, einst Vorstandsvorsitzender der von ihm 1994 gegründeten Direktbank DAB Bank, hatte danach zeitweise neue Betätigungsfelder. Anfang Mai 2021 rückte er zusammen mit dem Banker Falk Schäfers in den Vorstand des börsennotierten Frankfurter Fintech-Investors Finlab auf (vgl. BZ vom 3.5.2021). Auf der Finlab-Homepage ist aber mittlerweile nur noch Schäfers als Vorstand angegeben.