Hawk AI strebt nach Kapitalrunde US-Expansion an
Im globalen Kampf gegen Finanzkriminalität bringt sich Hawk AI in Stellung. Das Fintech will in einer Finanzierungsrunde Anfang nächsten Jahres Millionen einsammeln – auch um sich in die USA zu begeben. Rückenwind kommt von der Regulatorik, die auf die Nutzung digitaler Lösungen gegen Geldwäsche dringt. Von Tobias Fischer, FrankfurtDas Fintech Hawk AI, das auf den Einsatz künstlicher Intelligenz in der Geldwäschebekämpfung setzt, bereitet sich auf eine Finanzierungsrunde Anfang nächsten Jahres vor. Angepeilt würden mehrere Millionen Euro, um Produkte weiterzuentwickeln und Wachstum, auch in den USA, zu schüren, sagt CEO und Mitgründer Tobias Schweiger. Der 42-jährige Tiroler war zuvor CFO beim Zahlungsdienstleister Payon gewesen und hatte als Senior Vice President Finance Operations bei ProsiebenSat.1 Media sowie als Strategieberater bei Roland Berger gearbeitet.Das 2018 von ihm und Wolfgang Berner gegründete Unternehmen mit Sitz in München, an dem sie signifikante Anteile halten, ist bislang überwiegend im deutschsprachigen Markt unterwegs und will nach der kürzlichen Akquise eines ersten großen Kunden in den USA dort 2021 mit eigenen Vertriebs- und technischen Ressourcen deutlich vorankommen. Generell werde es in naher Zukunft darum gehen, Unternehmensstrukturen für das Wachstum zu schaffen, sagt Schweiger. Dafür würden auch neue Mitarbeiter eingestellt. Derzeit sind es 15.Hawk AI übernimmt für Finanzinstitute cloudbasiertes Transaktionsmonitoring. Jüngst hat sie den Fintech Germany Award 2020 in der Kategorie “Künstliche Intelligenz” gewonnen – ein Preis, der von Frankfurt Main Finance, Techfluence UK sowie der WM Gruppe, die auch die Börsen-Zeitung herausgibt, verliehen wird. Unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz versucht die Gesellschaft, Geldwäsche auf die Spur zu kommen. Geld verdienen Schweiger und seine Mitstreiter hauptsächlich über die Umsätze, die von den in Echtzeit überwachten Transaktionen abhängen. Hinzu kommen Implementierungsgebühren bei Neukunden.Der frühere Concardis-CEO Marcus Mosen ist als ein Investor der ersten Stunde bei Hawk AI mit dabei, Picus Capital als Wagniskapitalgeber seit diesem Jahr. Beide wären bereit, in der Kapitalrunde 2021 nachzulegen, wie Mosen und Picus-Capital-Partner Florian Reichert erklären. Wie viel, ist ihnen nicht zu entlocken.Reicherts Ansicht nach geht es immer mehr darum, klassische Banken dabei zu unterstützen, mit neuen, emporkommenden Akteuren technologisch mitzuhalten. Das habe die Coronakrise gezeigt, in der die Notwendigkeit von Digitalisierungslösungen mehr denn je offenbar geworden sei. “Covid hat den Trend zur Cloud beschleunigt – und treibt Bankvorstände zusätzlich an.” Und hier setze das Fintech an: “Wir glauben, dass Hawk diesen Markt mit dem Plattformansatz und mit künstlicher Intelligenz genau zu einem Zeitpunkt bedient, an dem Finanzinstitutionen dafür offen sind, mit neuen Technologien Effizienzen zu heben.” Picus als global aktiver Investor mit Fintech-Fokus sei langfristig orientiert und wolle Hawk AI entsprechend begleiten, sagt Reichert, der von 2017 an zunächst Investment Manager bei dem Venture-Capital-Investor war und im vergangenen Jahr zum Partner aufstieg.Mosen, der über gut 20-jährige Payment-Erfahrung verfügt, begründet sein Engagement als Business Angel und weiterer Financier mit dem Potenzial, das angesichts dominierender veralteter IT-Lösungen in der Geldwäschebekämpfung der Banken im Geschäftsmodell des Fintechs stecke, das auf die Nutzung der Cloud abzielt. “Eine moderne Bank kommt an dem Thema nicht vorbei – und kann auch nicht mehr alles selbst machen”, sagt Mosen, der sich als Beirat und Investor in Fintechs einbringt und bei N26 stellvertretender Beiratsvorsitzender ist. Zudem arbeitet er als Senior Advisor bei Roland Berger. Regulierer sorgt für ImpulsIn die Hände spielt Schweiger die Tatsache, dass Regulierer wie der internationale Standardsetzer gegen Geldwäsche, die Financial Action Task Force (FATF), in der Pandemie digitale Lösungen in der Geldwäschebekämpfung stark propagiert. Sie fördere den Einsatz von Technologie, einschließlich Fintech, Regtech und Suptech, “im größtmöglichen Umfang”, hatte sie im Frühjahr erklärt. Im Transaktionsmonitoring täten sich in der Bankenlandschaft deutliche Lücken auf, sagt der Hawk-AI-Chef. “Jede Bank macht es für sich allein, gibt viel Geld aus und zeitigt trotzdem sehr mäßige Erfolge dabei, Kriminalität zu erkennen. Notwendig ist, dieses Monitoring bankübergreifend vorzunehmen, da sich Geldwäscher ja bemühen, Finanzmittel über möglichst viele Institute Geld zu verteilen und später wieder zusammenzuführen.” Das Erfordernis, hier übergreifend tätig zu werden, sei von regulatorischer Seite ebenso erkannt worden wie das der Auslagerung von entsprechenden Prozessen und der Nutzung der Cloud, sagt Schweiger. “Im Markt und auf regulatorischer Ebene ist Bewegung zu erkennen.”Die Philosophie des Hauses sei es, der übergreifenden Vorgehensweise der Geldwäscher entsprechend möglichst mehrere Institute auf einer Plattform zu vereinen. Technisch sei die Vernetzung schon jetzt möglich, wenngleich bislang jeder Kunde zunächst für sich agiert. In Gesprächen mit Aufsehern positioniere sich Hawk AI als Unternehmen, das Anti-Geldwäsche-Konsortien technologisch unterstützen könne, erläutert Schweiger. Investor Mosen bringt dahin gehend den Gedanken ins Spiel, in der europäischen Bankenlandschaft ein cloudbasiertes Anti-Geldwäsche-Ökosystem zu schaffen, mit Hawk AI als Betreiber: “Ich glaube schon, dass die etablierten Akteure über den eigenen Schatten springen und überlegen sollten, das mit einem jungen, agilen Unternehmen anzugehen.”Neben der Vermeidung von Compliance-Problemen und Strafen will Hawk AI den Finanzinstituten in erster Linie Sparen helfen, indem es die Zahl der Fehlalarme reduziert. Überwachungssysteme schlagen bei verdächtigen Aktivitäten an, die auf Geldwäsche hindeuten könnten. Wird Alarm ausgelöst, muss sich ein Mitarbeiter das Ganze erst einmal ansehen und bearbeiten. Die Krux: “Von 100 zu bearbeitenden Fällen sind bis zu 99 vergebene Liebesmüh, denn Bestandssysteme produzieren im Transaktionsmonitoring 95 bis 99 % Fehlalarme”, sagt der CEO. Hawk AI reduziere deren Zahl und damit die der zu bearbeitenden Fälle und Personalkosten um 40 %, berichtet Schweiger, der davon ausgeht, diesen Prozentsatz künftig auf 70 % steigern zu können. Dem US-Datendienstleister Lexis Nexis zufolge gibt ein kleineres europäisches Finanzinstitut für die Bekämpfung von Finanzkriminalität pro Jahr im Schnitt 7,7 Mill. Dollar aus, ein größeres mit einer Bilanzsumme über 10 Mrd. Dollar 42,0 Mill. Dollar. In Deutschland entfallen 64 % der Kosten auf Personal.