HCOB gibt Geschäfte auf und baut Stellen ab
Im Interview: Luc Popelier
HCOB gibt Geschäfte auf und baut Stellen ab
Neuer Vorstandschef bereitet Bank durch Fokussierung auf Verkauf vor – Bilanzsumme soll um 10 Prozent schrumpfen – 200 Arbeitsplätze fallen weg
Seit September vorigen Jahres ist Luc Popelier Vorstandschef der Hamburg Commercial Bank (HCOB). Der Belgier hat den Auftrag, das Institut, das Ende 2018 aus dem Verkauf der privatisierten HSH Nordbank an Finanzinvestoren hervorging, interessanter für neue Eigentümer aufzustellen. Dazu werden mehrere Geschäfte aufgegeben.
Herr Popelier, weshalb haben Sie sich nach rund drei Jahrzehnten beim belgischen Finanzkonzern KBC entschieden, zur Hamburg Commercial Bank zu wechseln und den Vorstandsvorsitz zu übernehmen?
Mich haben die Umstrukturierung und Transformation der Bank in den vergangenen Jahren fasziniert. Das hat mich ermutigt, noch mal zu einem anderen Institut in einem anderen Land zu gehen. Die HCOB, die ich in den vergangenen Monaten näher kennengelernt habe, ist eine sehr starke Bank mit großartigen Leuten und viel Fachwissen.
In welchen Bereichen?
Die HCOB hat ein sehr gut funktionierendes Risikomanagement. Als gewerblicher Immobilienfinanzierer beispielsweise hat sie den Abschwung in dem Sektor in den vergangenen Jahren gut bewältigt. Auch die Expertise im Bereich Schiffsfinanzierung und im Projektfinanzierungsgeschäft ist hervorragend.
Wann ist Ihnen die HCOB aufgefallen?
Ich kannte das Vorgängerinstitut, die 2018 an Finanzinvestoren verkaufte HSH Nordbank. Mit der HCOB habe ich mich dann erst im vergangenen Jahr beschäftigt, als ich angesprochen wurde, CEO der Bank zu werden. Ich habe recherchiert und viele Gespräche geführt. Ich war sehr beeindruckt. Die HCOB ist sehr profitabel, gut kapitalisiert und verfügt über eine starke Liquidität. Sie betreibt ein erfolgreiches Geschäftsmodell und kann auch in Zukunft profitabel wachsen. Ich sehe gute Chancen, die HCOB noch attraktiver aufzustellen – auch im Interesse der Eigentümer, die irgendwann aussteigen wollen.
Das sind vor allem die Finanzinvestoren Cerberus und J.C. Flowers.
Ja.

Was fehlt denn noch, um an potenzielle neue Investoren heranzutreten?
Ich war überrascht, dass die HCOB in der Vergangenheit eine der wenigen größeren Finanzierer in Deutschland war, die auf ein direktes Retaileinlagengeschäft verzichtete und die Raisin-Plattform genutzt hat. Wir planen nun, auch eine direkte Beziehung zu Retaileinlagenkunden aufzubauen und stabilisieren damit unsere Einlagenbasis. Unsere Refinanzierung, die bislang auf Unternehmenseinlagen und dem Finanzmarkt beruht, wird damit künftig diversifizierter und kostengünstiger. Zudem haben wir Kerngeschäfte identifiziert, auf die wir uns konzentrieren wollen. Indem wir uns fokussieren, werden wir ebenfalls attraktiver.
Was machen Sie künftig nicht mehr?
Wir richten uns stärker auf unsere Kerngeschäfte mit Unternehmenskunden in Deutschland und Europa aus. Beziehungen zu diesen Kunden können und wollen wir intensivieren. Dazu passen wir unsere Aufstellung an. Wir haben entschieden, dass wir uns von Aktivitäten trennen, die nicht zu unserem Fokus passen. Dazu gehört ein großer Teil des Asset Backed Lending, den wir in den kommenden zwei Jahren abbauen werden. Zudem werden wir internationales Immobilienfinanzierungsgeschäft sowie Flugzeugfinanzierung einstellen.
Einstellen oder auch verkaufen?
Das Neugeschäft wird hier eingestellt und grundsätzlich sollen die Portfolios heruntergefahren werden. Wir werden aber auch prüfen, ob ein Verkauf in Einzelfällen besser wäre. Wir stehen zeitlich nicht unter Druck.
In welchem Umfang wird die HCOB kleiner?
Wir reden über ein Abbauvolumen von insgesamt 3,5 Mrd. Euro. Das entspricht rund 10% unserer derzeitigen Bilanzsumme. Darüber hinaus werden wir unser Immobiliengeschäft in Deutschland in den nächsten zwei bis drei Jahren etwas reduzieren, um Konzentrationsrisiken zu verringern.
Dann wird die Bilanzsumme bei knapp 30 Mrd. Euro liegen. Das ist die Schwelle, ab der die EZB als Finanzaufsicht zuständig wird, bei geringerer Größe ist die nationale Aufsicht zuständig.
Wir gehen davon aus, dass wir auch in Zukunft durch die EZB beaufsichtigt werden. Es gibt mehrere Kriterien, die für einen Wechsel der Aufsicht relevant sind. Größe ist ein Kriterium, nicht das einzige. Zudem gilt vor einem Wechsel der Aufsicht auch bei diesem Kriterium ein Betrachtungszeitraum von mehreren Jahren. Ein Wechsel von der nationalen zur europäischen Finanzaufsicht und umgekehrt ist kein einfacher Vorgang.
Können Sie die Beweggründe für den Abbau näher erläutern, etwa im Bereich Asset Backed Lending?
Im Asset-Bank-Lending geht es um Finanzierungen für Nichtbanken wie Private-Debt-Institutionen, die ihrerseits Kredite an Unternehmen vergeben. Hier stehen wir in zweiter Reihe. Beim Ankauf von forderungsbesicherten Wertpapieren wie Collateralized Loan Obligations (CLO) handelt es sich mehr um Investment Management als um Banking.
Warum kein Aviation-Geschäft mehr? Damit hat die HCOB doch erst Anfang 2024 begonnen.
Wir haben ein erfahrenes Team im Geschäft mit strukturierten Finanzierungen für Kunden aus dem Luftfahrtsektor, das im vergangenen Jahr acht profitable Transaktionen abgeschlossen hat. Aber es handelt sich um ein globales Geschäft, das nicht zu unserem europäischen Fokus passt. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, das Geschäft einzustellen.
Und weshalb passt internationale Immobilienfinanzierung nicht mehr? Das ist doch auch europäisch.
In der Tat entfällt knapp ein Viertel unseres Immobilienportfolios aktuell auf Europa. Aber Immobilienfinanzierung ist aus unserer Sicht ein lokales Geschäft. Man muss sich auf lokaler Ebene in dem jeweiligen Land, der Stadt und den Stadtteilen sehr gut auskennen. Wir sind zu klein, um in allen Ländern präsent zu sein und die notwendige lokale Expertise vorzuhalten. Wir werden uns künftig auf gewerbliche Immobilienfinanzierung in Deutschland konzentrieren, in der wir traditionell stark sind. Geschäft außerhalb Deutschlands halten wir für ein Institut unserer Größe für zu riskant.
Wie viele Arbeitsplätze werden wegfallen?
Es werden 10% der Bilanzsumme und etwa 20% der Stellen wegfallen. Ende 2024 lag die Zahl der Vollzeitstellen bei 934. Das heißt, die HCOB wird künftig mit knapp 200 Stellen weniger auskommen.
Bis wann soll der Abbau abgeschlossen sein?
Die betroffenen Geschäfte sollen im Verlauf der kommenden zwei Jahre, das heißt bis Ende 2027, eingestellt werden. Das wird mit dem genannten Stellenabbau einhergehen.
Handelt es sich um eine strategische Kursänderung der HCOB?
Nein. Am strategischen Kurs halten wir fest. Die HCOB wird ein fokussierteres Institut sein. Wir wollen und werden im Geschäft mit Unternehmenskunden wachsen, schneller als zuvor. Wir wollen Geschäft, das Werte schafft für unsere Kunden, für die Bank und für ihre Anteilseigner. Für einen neuen strategischen Eigentümer möchte ich die HCOB so attraktiv wie möglich aufstellen.
Welches sind die Kerngeschäfte der HCOB?
Wir sind in erster Linie auf Deutschland ausgerichtet, aber in bestimmten Bereichen auch auf Europa. Zu den Geschäften auf deutscher und auf europäischer Ebene gehören beispielsweise Projektfinanzierungen für Erneuerbare Energien und Infrastruktur. Hier sehen wir aufgrund politischer Entscheidungen wie durch den Bundestag für ein 500 Mrd. Euro-Sondervermögen Chancen. Zu unseren Kerngeschäften auf europäischer Ebene gehört ferner die Schifffahrtsfinanzierung. In diesem Geschäft sind wir in Deutschland, Skandinavien, Großbritannien, den Niederlanden und in Griechenland tätig. Wir unterhalten dafür auch eine eigene Niederlassung in Piräus. In Deutschland sind wir neben der gewerblichen Immobilienfinanzierung in der Finanzierung von Unternehmenskunden tätig. Dazu gehört auch Leasing und Factoring.
Mit welchen Kosten rechnen Sie im Zusammenhang mit der Geschäftseinstellung und dem Stellenabbau?
Es wird Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Stellenabbau geben, die mit Rückstellungen verbunden sind. Den Umfang der Rückstellungen und Transformationskosten kann ich noch nicht nennen. Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern für einen sozialverträglichen Abbau laufen gegenwärtig.
Das Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres wird wie 2024 von negativen Sondereffekten beeinflusst sein?
Ja. Aber wir werden dennoch eine sehr profitable Bank bleiben. Die HCOB wird die Belastungen aus den Geschäftsanpassungen aufgrund ihrer nachhaltig soliden Ertragslage insgesamt gut verkraften.
Gibt es neue Mittelfristziele?
Wir halten derzeit an unseren bisherigen Finanzzielen fest, werden aber prüfen, ob Anpassungen erforderlich sind. Die geplante Einstellung der Geschäfte ist aus unserer Sicht eher eine Anpassung, keine Restrukturierung.
Was heißt das für Eigenkapitalrendite und Aufwandsquote?
Die Cost-Income-Ratio soll mittelfristig bei rund 40% liegen, die Eigenkapitalrendite bei 10%.
Die HCOB muss sich stärker fokussieren, weil ihren Eigentümern die Bedingungen für einen Ausstieg bislang nicht zusagten und die Bank nicht attraktiv genug für potenzielle Investoren war?
Es war immer klar, dass sich die HCOB so gut wie möglich vorbereiten muss, um einen Ausstieg ihrer derzeitigen Eigentümer zu ermöglichen und einen neuen strategischen Investor zu finden. Ich wurde geholt, um dies zu ermöglichen. Die Bank ist attraktiv und gut kapitalisiert. Aber die HCOB muss sich weiter fokussieren und sich auf die für sie passenden Kerngeschäfte ausrichten, damit sie für strategischen Investoren attraktiver wird.
Was sagen Sie zu Spekulationen, die Commerzbank könne die HCOB übernehmen?
Das sind Medienspekulationen. Ich habe aber auch noch Namen anderer möglicher Ziele gehört.
Wenn es um den Ausstieg der Eigentümer ging, stand in den vergangenen Jahren auch die Möglichkeit eines Börsengangs der HCOB im Raum. Wie wahrscheinlich ist aus Ihrer Sicht, dass die HCOB an die Börse kommt?
Nun, das ist eine mögliche Option. Aus meiner Sicht ist ein Börsengang der HCOB aber eher unwahrscheinlich.
Weshalb?
Die externen Bedingungen sind nicht förderlich. Starke Schwankungen an den Kapitalmärkten sind kein gutes Umfeld für Börsengänge. Wenn man sich das Profil der HCOB als sehr profitable Bank mit robuster Kapitalbasis und starker Liquidität ansieht, spricht mehr für einen Verkauf an einen strategischen Investor als für einen Börsengang. Ich schließe einen Börsengang der HCOB nicht aus, halte aber einen Verkauf an einen strategischen Investor für wahrscheinlicher.
Ähnlich wie im Fall der Oldenburgischen Landesbank, die nun an die französische Genossenschaftsbank Crédit Mutuel verkauft wird?
Der Fall zeigt, dass es für deutsche Banken im Eigentum von Private-Equity-Investoren Interessenten und Käufer gibt. Ich bin in Anbetracht unserer guten Kennzahlen sehr zuversichtlich, dass es auch ein großes Interesse an der HCOB geben wird. Mein Ziel ist es, die Bank noch attraktiver zu machen.
Sind dazu auch Zukäufe geplant?
Ich schließe Akquisitionen nicht aus. Im Zuge der geplanten Refokussierung wären es aber kleinere Zukäufe, beispielsweise von einzelnen Portfolien. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise ein Schiffsportfolio von der NIBC Bank mit einem Volumen von rund 1 Mrd. Dollar erworben und innerhalb weniger Monate erfolgreich integriert. Akquisitionen stehen aber nicht im Vordergrund. Uns geht es jetzt vor allem um eine Anpassung des Geschäftsmodells.
Basiert der Ausblick für 2025 auf dem bisherigen Geschäftsmodell?
Ja. In unserer bisherigen Planung gehen wir davon aus, den Vorsteuergewinn von rund 250 Mill. Euro im vergangenen Jahr auf etwa 300 Mill. Euro zu steigern und die Cost-Income-Ratio auf um etwa 5 Punkte auf 45% zu verbessern. Die Eigenkapitalrendite nach Steuern soll über 7% erreichen nach 6,2% im vergangenen Jahr. Mittelfristig soll der Vorsteuergewinn bei 400 Mill. Euro landen. Wir halten derzeit an diesem Ausblick fest.
Wie sehen die Aussichten für das Neugeschäft aus – nach rund 6 Mrd. Euro im vergangenen Jahr?
Wir wollen in unseren Kerngeschäften wachsen, keine Frage. Eine Prognose lässt sich aber nicht präzise beziffern, weil sich Marktbedingungen ständig verändern. Weil wir das Geschäftsmodell anpassen, könnte das Neugeschäftsvolumen 2025 etwas geringer ausfallen als im vergangenen Jahr. Allerdings deuten staatliche Pläne in Europa für deutlich höhere Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung zugleich eine positive Entwicklung an.
Welche Bedeutung hat das Geschäft zur Finanzierung der Rüstungsindustrie für die HCOB?
Wir finanzieren den Sektor auf Grundlage unserer strikten Richtlinien. Wir finanzieren nur Unternehmen, die militärische Ausrüstung im Auftrag staatlicher Institutionen produzieren, die nicht Sanktionen der Europäischen Union, der Vereinten Nationen oder der USA unterliegen. Wir wollen sicherstellen, dass Verteidigungsgüter, die wir potenziell finanzieren, in die richtigen Hände gelangen.
Wie groß ist das Geschäftsvolumen der HCOB in dem Sektor derzeit?
Zum Jahresende 2024 lag es etwa bei 200 Mill. Euro.
Wie beurteilen Sie die Qualität in Ihrem Kreditbuch?
Die Qualität im Kreditbuch der HCOB ist sehr hoch. Wenn man wie ich eine neue verantwortliche Stelle in einer anderen Bank antritt, schaut man sich vorab das Kreditportfolio und den Anteil der Problemkredite natürlich genau an. Der Anteil der problembehafteten Engagements ist 2024 trotz eines weiteren schwierigen Jahres im Immobiliensektor auf 1,9% von 2,3% gesunken. Ich halte eine weitere Verbesserung der Quote in diesem Jahr für möglich. Das Risikomanagement der HCOB funktioniert sehr gut. Das hat mich von Anfang an beeindruckt.
Mit welcher Kreditrisikovorsorge rechnen Sie 2025?
Im bisherigen Jahresverlauf ist die Risikovorsorge unauffällig und wir sehen derzeit auch keine großen Herausforderungen im weiteren Jahresverlauf. Zudem verfügt die Bank über einen sehr soliden Risikovorsorgebestand.
Mit der Einstellung von Geschäften verringert sich die Ertragsbasis. Was heißt das für die Nettozinsmarge?
Unsere Nettozinsmarge hat sich 2024 um 20 auf 234 Basispunkte verbessert. Das ist ein sehr hohes Niveau. Ich würde mich freuen, wenn wir dieses Niveau halten können, auch wenn es herausfordernd ist. Wir bewegen uns als Finanzierer in einer attraktiven Nische, in der wir die Wirtschaft effizient unterstützen können. Wir verfügen über starke Kundenbeziehungen, und ich bin zuversichtlich, dass wir mit unserer Fokussierung auf unsere Kerngeschäfte noch profitabler werden können.
Und mehr Dividende zahlen?
Für 2024 werden wir 214 Mill. Euro ausschütten. Über die Dividendenpolitik entscheiden die Aktionäre.
Das Interview führte Carsten Steevens. Das vollständige Interview lesen Sie unter www.boersen-zeitung.de.