Banken

Hypothesen zum Kreditgeschäft der Zukunft

Die meisten Bankvorstände scheinen aktuell zu den Optimisten zu gehören. Risikorückstellungen und andere Aktivitäten, aber auch persönliche Gespräche signalisieren nicht nur eine Einschätzung der Multikrise als kontrollierbar, sondern eine hohe Konfidenz, dass die Banken gut auf schwere Zeiten vorbereitet sind.

Hypothesen zum Kreditgeschäft der Zukunft

Zitate über die Unsicherheit von Vorhersagen über die Zukunft sind aktuell populär. Teilweise resultiert das sogar darin, dass respektierte Ökonomen kaum noch ihr priorisiertes Szenario benennen können, da die Modelle eine Vielzahl ähnlich wahrscheinlicher Entwicklungen erzeugen. Zwei Sichten sind daher populär. Auf der einen Seite die Fraktion „Weltuntergang“, die zu Recht auf die Vielzahl der überlappenden Krisen verweist und die auch betont, dass den Regierungen, die insbesondere während Corona durch fiskale Intervention oft das Schlimmste verhindert haben, die Schulden über den Kopf wachsen.

Auf der anderen Seite die Fraktion der Optimisten, die auf die bisher vergleichsweise geringen Auswirkungen insbesondere auf den Arbeitsmarkt, Ausfallquoten und andere Indikatoren der für Banken relevanten ökonomischen Realität verweist.

Eher optimistisch

Die meisten Bankvorstände scheinen aktuell zu den Optimisten zu gehören. Risikorückstellungen und andere Aktivitäten, aber auch persönliche Gespräche signalisieren nicht nur eine Einschätzung der Multikrise als kontrollierbar, sondern eine hohe Konfidenz, dass die Banken gut auf schwere Zeiten vorbereitet sind. Eine Einschätzung, die auch aus unserer Sicht im Schnitt des Marktes vertretbar ist. Aber diese Sicht scheint auch zwei ohnehin im Bankensektor in Deutschland prävalente Trends zu verstärken: eine introvertierte Sicht auf das bestehende Geschäft und zu inkrementelle Veränderung. Dies zieht sich durch viele Aspekte der Steuerung, von denen nur einige kritische herausgegriffen werden sollen:

1. Die positive Wirkung der Zinswende reduziert den Veränderungswillen

Das klassische Geschäftsmodell der Banken rund um Zinsmargen und Fristentransformation ist zurück. Zu viele Entscheider leiten daraus ab, dass die radikale Weiterentwicklung des Geschäftsmodells nicht mehr die nötige Priorität hat. Aber Themen wie Plattformen, Embedded Finance, Ökosysteme und perspektivisch auch das Metaverse müssen jetzt vorangetrieben werden, um rechtzeitig Wirkung zu entfalten. Der strukturelle Druck durch Big Techs und andere Trends ist unverändert.

2. Return of Risk wird gesteuert, aber kaum genutzt

Zumindest die aktuell absehbaren Ausfallrisiken scheinen gut gema­nagt zu werden. Aber die Geschäftsmodell-Chancen werden zu wenig genutzt. So kann es sinnvoll sein, sich jetzt für die Segmente zu positionieren, die bei steigenden Risiken und restriktiven Risikostrategien von einigen Banken zukünftig nicht mehr mit Nachdruck bedient werden.

3. ESG und Lieferkette werden zu wenig als strategische Chancen ge­sehen

Insbesondere ESG wird noch zu oft nur als regulatorische Anforderung gesehen. Tatsächlich ergibt sich aber die Chance, durch eine intelligente Integration in die Vertriebsstrategie insbesondere im Firmenkundengeschäft vom Anbieter für die Finanzierung des ESG-Umbaus zum echten Partner in der strukturellen Transformation zu werden. Ähnliches gilt für die Veränderung der Lieferketten.

4. Inkrementelle Digitalisierung ist ausgeschöpft

Banken haben massiv in inkrementelle Digitalisierung investiert, wenn auch mit durchmischten Ergebnissen. Bei den meisten Häusern sind die leicht erreichbaren Potenziale lokaler Optimierung weitestgehend ausgenutzt. Substanzielle Effekte sind oft nur noch erreichbar, wenn für einen signifikanten Prozessabschnitt wie ganze Produktbereiche ein radikales Redesign und eine Umsetzung auf Basis moderner IT-Architektur erfolgen. Dafür ist ein Lösen von alten Strukturen inklusive des Drangs zur Eigenentwicklung und Individualisierung erforderlich.

5. Fokus auf die differenzierenden Stärken nutzen noch immer zu wenige

Der Hinweis auf die zu hohe Wertschöpfungstiefe bei Banken ist alt, aber leider noch immer wahr. Das betrifft nicht nur die technische Eigenentwicklung, sondern auch die nicht genutzten Synergien bei nicht wettbewerbsrelevanten Tätigkeiten. Noch immer werden zu viele Tätigkeiten als differenzierend angesehen, die einzeln bereits eine Commodity sind. Da zunehmend nur der Gesamtprozess und das Geschäftsmodell differenzierend sind, kann eine Vielzahl an modularen Funktionen leicht zugekauft oder ausgelagert werden. Das betrifft neben technisch-funktionalen Komponenten auch Managed Services für eine Vielzahl komplexer Bearbeitungstätigkeiten.

6. The Human Factor – Binden und Entwickeln der wichtigsten Skills wird nicht genug priorisiert

Bei aller Digitalisierung spielen die verbleibenden Mitarbeitenden der Banken eine zunehmend wichtigere Rolle. Die weniger werdenden menschlichen Kontaktpunkte zu den Kunden gewinnen an Ge­wicht, und auch im Backoffice verbleiben zunehmend die komplexen Fälle in der menschlichen Bearbeitung. In Verbindung mit dem Fachkräftemangel, der zunehmenden technischen Komplexität und den Herausforderungen der New-Work-Modelle erfordert das eine deutlich verstärkte Selektion, Bindung und Weiterentwicklung der Mitarbeiter.

In der Summe keine Krise

In der Summe sieht es aktuell nicht nach einer Krise für die Banken aus. Aber die langfristigen Herausforderungen bleiben bestehen und wurden verstärkt. Da nicht alle in der Branche diesen Druck in Transformation umsetzen, ergibt sich für proaktive Akteure die Chance, einen Vorsprung herauszuarbeiten.