Deka Immobiliensymposium

Immobilien­branche hat Nachholbedarf

DIe Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen fordert größere Anstrengungen. Die Gesellschaft verweist auf die Erfahrungen von Bauherren beim Thema Nachhaltigkeit und bemängelt die Haltung in der Branche.

Immobilien­branche hat Nachholbedarf

tl/sto Frankfurt

„Unternimmt die Branche genug zum Schutz des Klimas? Nein.“ Die Antwort von Christine Lemaitre, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB, zu Anfang ihres gleichnamigen Vortrages auf dem Deka Immobiliensymposium war kurz und knapp. Dabei seien Gebäude der Schlüssel zum Thema Klimaschutz. Spätestens seit der Weltklimakonferenz 2015 ist nachhaltiges Bauen kein neues Thema mehr. Das Rad werde zum Thema Nachhaltigkeit immer wieder neu erfunden, beklagt die DGNB-Managerin. Es gebe viel zu viele Gebäude, die nachhaltig aussehen, es aber nicht seien.

Die seit Sommer 2020 vorliegenden EU-Taxonomie-Kriterien für Gebäude sind nach einer Studie der DGNB und ihrer europäischen Partner durchaus marktfähig, betont Lemaitre. „Wir müssen mehr tun, uns engagieren, Normen und Gesetze übererfüllen.“ Einen Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsambitionen und Baukosten gebe es nicht (s. Grafik). „Wir haben sehr viele Bauherren, die uns sagen, nachhaltiges Bauen und Klimaschutz hat uns nicht mehr gekostet.“

Die DGNB-Vertreterin brach eine Lanze für den Bestand. Denn der vermeide den Energieverbrauch, der durch einen Neubau entstehe. Es gelte, bei einem Bestandsgebäude den Betrieb zu optimieren und Energie zu erzeugen. Lemaitre forderte die Branche auf, sich zu vernetzen, Wissen anzunehmen. „Wir müssen aus der ‚Ja, aber‘-Haltung rauskommen und zum ,Wir können das‘ kommen.“

Marcus Kohnke, Abteilungsleiter Monitoring & Governance bei Deka Immobilien Investment, musste ebenfalls auf dem Immobiliensymposium seines Hauses zugeben, dass noch kein (Fonds-)Objekt die Taxonomie-Vorgaben erfüllt. Dies liege vor allem an den vielen Daten, die dafür erforderlich seien, und die bisher noch nicht systematisch erfasst werden.

Die Anbieter der offenen Immobilienfonds sind sich durchaus bewusst, dass sie beim Thema Nachhaltigkeit noch lange nicht am Ziel sind, sehen sich aber auf einem guten Weg. Dies war der Tenor einer parallel stattfindenden virtuellen Diskussionsrunde der Kapitalverwaltungsgesellschaft Int-Real. „Das Thema wird immer stärker regulatorisch getrieben und wird nicht mehr verschwinden. Je jünger die Anlegerstruktur in einem Fonds ist, umso stärker müssen sich die Gesellschaften auf das Thema einlassen. Für die Anbieter von Immobilienfonds ist ESG Herausforderung wie Chance“, stellte Sonja Knorr, Executive Director der Ratinggesellschaft Scope Analysis, fest. Dabei sei ganzheitliches Denken gefragt, vom CO2-Ausstoß, über Energie- und Wasserverbrauch bis hin zu sozialen Kriterien. Insbesondere den letzten Aspekt stellte Mario Schüttauf, Geschäftsführer der Commerz Real Investmentgesellschaft, als Anbieter des großen Immobilienfonds „Hausinvest“ heraus. Für seine Gesellschaft sei es sehr wichtig, den geförderten Wohnraum zu unterstützen, sagte er. Ein Teil der Wohnungen in den Immobilien, in die investiert werde, sei dem sozialen geförderten Wohnen vorbehalten. „Wir sehen es als unsere Verantwortung als Investor, bezahlbares Wohnen zu unterstützen“, betonte Schüttauf mit Blick auf das soziale Ziel der ESG-Debatte. Bereits vor zehn Jahren habe Commerz Real mit Blick auf den Klimawandel auf den Dächern Photovoltaik-Anlagen eingebaut, unterstrich er die schon früheren Anstrengungen. „Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass 95 % der Objekte Bestandsimmobilien sind, zum Teil sogar denkmalgeschützt, da braucht es für die energetische Sanierung gute Konzepte“, sagte er.

Das bestätigten auch die anderen Teilnehmer der Diskussionsrunde: Mit Blick auf die Nachhaltigkeit sei nicht der Neubau von Immobilien das Problem, sondern die Sanierung des großen Bestandes. Tobias Kotz, Head of Client Relations Capital Funding von Real I.S., berichtete, dass sich seine Gesellschaft stark mit dem Scoring der Immobilien beschäftige. In diese Kennzahl zur Nachhaltigkeit eines Objekts flössen zum Beispiel Aspekte wie Bodenversiegelung, der Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr und natürlich auch der CO2-Ausstoß ein. Damit sollten die Immobilien vergleichbar werden. „ESG wird für uns Anbieter durch die erst begonnene Regulierung doch jetzt erst greifbar“, gab er zu bedenken.

Dabei fehle es noch an gemeinsamen Standards für die Immobilienbranche, so Arnaud Ahlborn, Geschäftsführer von Industria Wohnen. Derzeit werden im Ecore (ESG Circle of Real Estate) von vielen Gesellschaften gemeinsam solche Standards entwickelt. Michael Schneider, Geschäftsführer von Intreal, berichtete, dass ESG-Konzepte etwa zur Dekarbonisierung bei den Diskussionen mit der Finanzaufsicht BaFin aufgrund der fehlenden Verwaltungspraxis etwas von „Trial and Error“ hätten.

Thomas Beyerle von Catella Property Valuation brach eine Lanze für das Büro, sprach auf dem Deka Immobiliensymposium aber von einer Umbruchsituation. „Ich glaube fest daran, dass es am Ende einen Dreiklang aus Büro, Homeoffice und ‚Third Spaces‘ geben wird.“ Die ländlichen Orte werden ihre Standortnachteile gegenüber den Großstädten zunehmend einbüßen, glaubt Carolin Wandzik vom Gewos Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung. Und Leif Krägenau von der BBE Handelsberatung sieht die Zukunft der Innenstädte in einem Funktionsmix, den die verschiedenen Stakeholder in Gesprächen gemeinsam erarbeiten.

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