Impact Investing: „Wir wollen die Speerspitze sein“
„Wir wollen
die Speerspitze sein“
Impact Investing an den Private Markets ist bislang ein Nischenmarkt. Doch wer an den Werten teilhaben will, die durch Umwälzungen wie die Energiewende geschaffen werden, braucht Zugang zu diesen Märkten.
Von Andreas Hippin, London
An den Private Markets investieren und dabei die Welt retten? Impact Investing ist immer noch ein Nischenmarkt. Der britische Assetmanager M&G war seiner Zeit voraus, als er im Februar 2021 ein neues Investmentteam namens Catalyst aufstellte. Seine Aufgabe war, bis zu 5 Mrd. Pfund in private Unternehmen zu investieren, die auf eine nachhaltigere Welt hinarbeiten.
„Die ursprüngliche Idee war eigentlich ganz einfach“, sagt Niranjan Sirdeshpande, Global Head of Investments bei M&G Catalyst. „Wir haben uns die enormen Herausforderungen angeschaut, mit denen wir durch den Klimawandel konfrontiert sind, und die Belastung, die eine alternde Bevölkerung für das Gesundheitssystem darstellt. Zugleich haben wir uns die erstaunlichen Technologien angesehen, die heranreifen und Lösungen bieten.“
Länger in privater Hand
Ein Großteil dieser Entwicklungen habe an den Private Markets stattgefunden. Langfristig orientierte Sparer hätten mit ihren Rücklagen für die Altersversorgung nicht am Wachstum dieser Assetklasse teilhaben können. „Ein Großteil der Werte, die durch die Energiewende geschaffen werden oder durch Veränderungen dabei, wie wir uns um ältere Menschen kümmern, werden von privat gehaltenen Firmen geschaffen“, sagt Sirdeshpande. „Sie gehen irgendwann einmal an die Börse, aber sie bleiben länger in privaten Händen als bisher.“ Sein Fazit: „Wir brauchen Zugang zu diesen Firmen.“
„Ich arbeitete bis vor zweieinhalb Jahren für Oxfam, wo ich für Impact Investing zuständig war“, sagt Rana Modarres, Impact Director bei M&G Catalyst. „Das war anders, sehr fokussiert auf kleine und mittelgroße Unternehmen in Schwellenländern, die Förderung von weiblichem Unternehmertum – bedingt durch die Notwendigkeiten alles in sehr kleinem Maßstab.“ 5 Mrd. Pfund seien dagegen wirklich beeindruckend gewesen.
Eine Frage der Messbarkeit
Nun sieht sie sich die Unternehmen an, die von den Origination-Teams gefunden wurden und die an Lösungen für die Themen Energiewende, Gesundheit und Ungleichheit arbeiten. „Ich denke über Messbarkeit nach. Was wollen die Firmen erreichen? Was können wir messen, um das zu belegen und zu überwachen?“
Der erste Schritt ist: Bietet das Unternehmen eine Lösung, wenn es um Ressourceneffizienz, saubere Energie, sauberen Verkehr, Klima, Healthtech oder den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen geht? Dann geht es um das Wie. Catalyst macht also eine SFDR-Bewertung. Entsteht durch die Geschäftstätigkeit ein signifikanter Schaden? Leistet das Unternehmen einen positiven Beitrag? Dann durchlaufen die Unternehmen eine ESG-Bewertung. Was tun sie aus einer Impact-Perspektive? Ist das additiv, ist es wesentlich? Ist es dauerhaft? Und wie lässt es sich messen?
„Ziemliche Grauzone“
„Das ist nicht immer einfach“, sagt Modarres. „Es geht auch um Intentionalität. Wenn es eine Firma in einem frühen Entwicklungsstadium ist und die Technologie sich noch nicht beweisen konnte, müssen wir uns auf die Absichten der Manager verlassen. Da gibt es eine ziemliche Grauzone.“
„Wir machen kein negatives Screening“, sagt Sirdeshpande. „Wir suchen nach Positivem. Wenn man so eine Linse verwendet, ändert das die Art der Unternehmen, die man finden will, und die Art von Menschen, in die man dabei investiert.“
Regulierung verschafft Rückenwind
Catalyst hat Unternehmen wie Biobest im Portfolio, einen der größten Hersteller von Biodüngemitteln der Welt. Es trägt dazu bei, den Einsatz von Chemie in der Landwirtschaft zu reduzieren. Biobest ist ein großes rentables Unternehmen, das in den kommenden Jahren an die Börse gehen könnte. Es ist etabliert und verfügt über etablierte Produkte. „Wir helfen ihm, weiter zu wachsen, neue Märkte zu erschließen, neue Produkte an den Start zu bringen und neue Produktionskapazitäten zu bauen“, sagt Sirdeshpande. Der Markt wachse um 11%, der für chemische Dünger um 4%. „Regulierung und die Präferenzen der Verbraucher sorgen für eine wachsende Nachfrage. Der Rückenwind ist da.“
Andererseits investiert Cataylst auch in Firmen wie Harbinger Health aus Boston, die einen Test zur Früherkennung von Krebs entwickelt hat. „Wenn man Darmkrebs erst in Stadium 3 erkennt, liegt die Überlebenswahrscheinlichkeit bei 30% oder 40%“, sagt Sirdeshpande. „Wenn man ihn aber schon in Stadium 1 entdeckt, können es bis zu 80% sein.“ Die wirtschaftliche Belastung der Gesundheitssysteme sei wesentlich niedriger, wenn Krebs früher behandelt wird.
Früherkennung von Krebs
Harbinger Health ist ein Spinout von Flagship Pioneering, der gleichen Firma, die auch Moderna an den Start gebracht hat. Die Firma hat noch kein Produkt auf dem Markt. Aber sie hat Patientendaten aus ersten Studien. „Wir wissen, dass sie aufsichtsrechtliche Genehmigungen benötigen und dass das zwischen einem und drei Jahren in Anspruch nehmen kann“, sagt Sirdeshpande. „Aber wir konnten aus den Daten sehen, dass die Lösung sehr wirksam war.“
Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Lösung auf Gesundheitssysteme wäre ihm zufolge enorm. Eine frühe Erkennung von Krebserkrankungen brächte auch eine wesentliche Verbesserung der Lebensqualität mit sich.
Zugang und Erschwinglichkeit
„Beim Thema Gesundheitsversorgung geht es um Zugang und Erschwinglichkeit“, sagt Modarres. „Harbinger hat es für uns als Impact-Investoren einfacher gemacht, indem sie aus ihrem Test zwei Tests gemacht haben.“ Der erste Test sei ein vorbereitendes Screening, das sehr günstig zu haben ist und von Krankenversicherungen bezahlt werden könnte. Er sei damit zugänglich für breite Bevölkerungsschichten. Der zweite Test sei teurer. Man mache ihn aber nur, wenn man ihn wirklich brauche.
„Wir haben uns gefragt, ob wir nur die Probleme der reichen Nationen und der reichen Menschen lösen“, sagt Sirdeshpande. „Ich komme aus einem Schwellenland. Als ich aufgewachsen bin, habe ich gesehen, dass Medikamente, die im Westen verfügbar waren, erst 15 Jahre später bei uns ankamen und wie sich das auswirkte.“ Und alle hätten gesagt, dass die Gesundheitsökonomie eben so funktioniere. Das sei eben der Lauf der Welt. „Die Herausforderung für uns ist, Lösungen zu finden, die etwas anders funktionieren“, sagt Sirdeshpande. Harbinger Health ist dafür ein gutes Beispiel.
Trinkwasseraufbereitung
Weitreichender Zugang zu Daten gehöre zu den Vorteilen, die Catalyst bei Investments an den Private Markets habe. „Wir haben gerade in ein Unternehmen namens Livpure investiert, das sich mit Trinkwasseraufbereitung in Indien beschäftigt“, sagt Sirdehpande. „Zwischen 70% und 80% der Erkrankungen in Indien haben mit kontaminiertem Trinkwasser zu tun. Wenn man dieses Problem lösen kann, entlastet man das öffentliche Gesundheitswesen enorm und verbessert die Lebensqualität.“ Man habe das Unternehmen vor dem Investment mehr als ein Jahr lang beobachtet. „Auch mit Biobest haben wir schon ein Jahr vor dem Einstieg gesprochen.“
„Das Management hat uns seine Pläne für die kommenden sechs, zwölf oder 18 Monate vorgelegt“, sagt Sirdeshpande. „Wir konnten die Fortschritte verfolgen und sehen, ob es sich Management an seine Planung hält.“ Anders als bei börsennotierten Unternehmen bekomme Catalyst von privaten Gesellschaften kompletten Zugang. „Wir erhalten nicht nur veröffentlichungspflichtige Informationen sondern alles, was wir wissen wollen“, sagt Sirdeshpande. „Wir können Experten benennen, die mit unseren internen Experten zusammenarbeiten. Anders als an den öffentlichen Märkten, wo eine Chance in kürzester Zeit verpuffen kann, haben wir den Vorteil, Zeit zu haben.“
ESG-Daten im Fokus
Im Vergleich zu börsennotierten Gesellschaften veröffentlichen private Unternehmen weniger ESG-Daten. „Es ist ein Spannungsverhältnis“, erklärt Modarres. „Einerseits hat man nicht die Daten, die man gerne hätte. Andererseits steht man den Unternehmen nahe genug, um fragen zu können, was wir wissen wollen.“ Das müssen allerdings in einem vernünftigen Rahmen erfolgen. „Wenn wir einem Unternehmen mit 20 Beschäftigten einen Fragebogen mit 300 Fragen schicken würden, wäre das fair?“ Man habe zwar die Nähe, um eine Entscheidung zu treffen. Aber wenn es um das Reporting gehe, habe man nicht immer die Daten, die eine börsennotierte Gesellschaft veröffentlichen würde.
Und wie verdient man damit Geld? Sicher nicht durch Dividenden. „Viele der Unternehmen, in die wir investieren, stecken ihr Geld in Wachstum“, sagt Sirdehpande. „Wenn sie profitabel sind, reinvestieren sie den Gewinn. Es wäre ungewöhnlich für solche Firmen, Dividenden zu zahlen.“ Viele hätten Kapitalbedarf. Es seien regionale oder nationale Champions, die expandieren wollen, etwa indem sie ihre Vertrieb oder ihre Produktionsanlagen erweitern.
IPOs und Übernahmen
„Wir verdienen Geld für unsere Anleger, wenn solche Unternehmen an die Börse gehen“, sagt Sirdehpande. Zwei Firmen aus dem Portfolio hätten das getan. Dann habe man noch drei oder vier, die das innerhalb von anderthalb Jahren tun wollen. Das sei ein Weg für den Exit. „Der andere Weg, den es für reifere und stabilere Firmen gibt, ist ein Verkauf an Private Equity“, sagt Sirdehpande. „Wenn die Deal-Aktivität dort wieder zunimmt, erwarten wir auch ein paar Exits auf diesem Weg.“ Auch M&A und Verkäufe an strategische Interessenten seien möglich. Selbst unter den Firmen in einem frühen Entwicklungsstadium finde reichlich Konsolidierung statt.
„Einer der Vorteile, die wir bei M&G haben, ist, dass wir ein paar der wichtigsten Kunden von jedem Unternehmen kennen, in das wir mit Catalyst investieren“, sagt Sirdeshpande. „Wir kennen vermutlich einige ihrer wichtigsten Wettbewerber und einige mögliche Käufer. Wir können Gespräche vermitteln, um Werte zu schaffen.“
Kein Interesse an hölzerner Biomasse
Es gibt auch Lösungen, in die Catalyst nicht investiert hat. „Lassen Sie mich ein Beispiel nennen, das nicht allzu umstritten ist“, sagt Modarres. „Wenn man zum Beispiel an Biomassekraftwerke denkt, das Verbrennen von Bäumen aus Nordamerika zur Energiegewinnung....“ Allerdings gebe es keine Garantie dafür, dass einem keine Fehler unterlaufen.
„Wir wollen die Speerspitze sein“, sagt Modarres. „Wir suchen nicht nach vorübergehenden Lösungen.“ Man habe ziemlich hitzige Diskussionen über „hölzerne Biomasse“ geführt und sei zu dem Schluss gekommen, dass das nicht gut altern wird. Und das habe es auch nicht getan.
Gleichgesinnte Ko-Investoren
„Ko-Investoren sind in der Regel Gleichgesinnte“, sagt Sirdeshpande. „Dafür sorgen schon die Gründer. Es ist fast so etwas wie Matchmaking, das da stattfindet.“ Die Investoren seien auf einer Linie mit den Gründern und Catalyst. Nur so könne man dauerhaft nachhaltige Ergebnisse erzielen. „Wir haben eine Liste von 30 oder 40 Investoren weltweit, die mit uns übereinstimmen“, sagt Sirdeshpande. „Wir investieren nicht gezielt mit ihnen. Aber typischerweise finden wir eine Menge Gemeinsamkeiten.“
„Wenn wir einen Deal machen wollen, und der Preis nicht stimmt, machen wir den Deal nicht“, sagt Sirdeshpande. „Das hat uns gut bekommen. Es geht darum, wie wir Werte schaffen können, was wir dazu beitragen können, damit sich ein Unternehmen entwickelt.“
IPO-Fenster öffnet sich
„Wir beobachten größeres Interesse, wenn es darum geht, mehr Geld in Impact-Investments unterzubringen“, sagt Sirdeshpande. „Firmen wird klar, dass es ein Wettbewerbsvorteil ist, ein nachhaltiges Unternehmen zu sein. Es gibt fast schon einen Pull-Effekt von Investoren, die ein paar dieser Unternehmen an die Börse bringen wollen.“ Die vergangenen zwei Jahre seien sehr schwierig gewesen. Es habe Zinserhöhungen, Kriege, geopolitische Spannungen und Ungewissheit vor Wahlen gegeben.
„Aber wenn sich die Situation stabilisiert, dürfte sich in den kommenden sechs bis acht Monaten ein Fenster für Unternehmen öffnen, die an die Börse wollen“, sagt Sirdeshpande. „Die Nachfrage von Anlegerseite ist da. Es wäre also ein guter Zeitpunkt. Ich bin optimistisch.“