Italiens Bankenverband warnt vor Zinserhöhungen
bl Mailand
In Italien wächst die Kritik an der Zinspolitik der EZB. Nachdem zuvor die Regierung und Confindustria-Präsident Carlo Bonomi vor weiteren Zinserhöhungen gewarnt hatten, stieß jetzt Antonio Patuelli, Präsident der Associazione Bancaria Italiana (ABI), ins gleiche Horn. „Die EZB sollte ihre erklärte Absicht, die Zinsen zu Jahresanfang erneut anzuheben, überdenken“, sagte Patuelli der Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“. Er sieht eine „neue Situation“, nachdem die Gaspreise zuletzt deutlich gesunken sind. Das liege nicht allein an der Vereinbarung einer Preisobergrenze, sondern „wahrscheinlich daran, dass wir uns einem Waffenstillstand im Ukraine-Krieg nähern.“ Woher er dies wissen will, sagte er nicht. Patuelli sieht neue Belastungen auf Italiens Banken zukommen, weil die EZB den Kauf von Staatsanleihen eingestellt hat und die hohen Zinsen den Wert der von den italienischen Banken gehaltenen italienischen Staatsanleihen reduzierten. Das werde sich in deren Bilanzen niederschlagen.
Außerdem seien die Eigenkapitalanforderungen verschärft worden. Patuelli erwartet, dass die Institute wieder mehr Staatstitel in ihre Portfolios nehmen. Diese müssen nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. Italiens Banken haben heute mehr als 400 Mrd. Euro an italienischen Staatstiteln in ihren Bilanzen, was sie extrem anfällig macht.
Patuelli fordert weitere Sonderregelungen für Banken. „Wenn die EU-Institutionen, wie sie stets erklärt haben, nicht wollen, dass die Zahl der notleidenden Kredite steigt, müssen sie im Rahmen des Temporary Frameworks erneut die Aussetzung von Ratenzahlungen genehmigen, denn das kann der italienische Staat nicht autonom entscheiden. Gleichzeitig muss es möglich sein, die Neueinstufung von Krediten als Problemkredite, die in diesen Fällen durch die Verordnungen der europäischen Bankenaufsicht EBA zwingend vorgeschrieben ist, vorübergehend auszusetzen.“
Patuelli rechnet 2023 mit einem deutlichen Anstieg des Volumens ausfallgefährdeter Kredit in den Bankenbilanzen. Der ABI-Präsident unterstützt den Wunsch der Regierung Meloni nach Änderungen des Vertrags über die Schaffung eines Rettungsfonds für Staaten im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Meloni hatte in ihrer Jahresschlusskonferenz die mit der Annahme von ESM-Hilfen zur Lösung von Schulden- oder Bankenkrisen verbundenen Auflagen als „inakzeptabel“ bezeichnet. Sie fordert Änderungen. Italien hat als einziges EU-Land den Vertrag nicht ratifiziert. „Ich möchte darauf hinweisen, dass die Diskussion über den ESM in einem anderen Kontext als dem aktuellen stattfand, weil der vorherige Generaldirektor, der Deutscher war, noch dort war“, so Patuelli. Er hofft auf einen Dialog mit dem neuen ESM-Generaldirektor Pierre Gramegna, der „höchstwahrscheinlich bereits im Gange“ sei.