Jeder dritte Deutsche blickt optimistisch auf eigene Finanzlage
jsc Frankfurt
Die Menschen in Deutschland bewerten die Folgen der Gaskrise für ihre eigene Lage sehr unterschiedlich: Während knapp ein Drittel der Bevölkerung in den kommenden zwei Jahren eine Verschlechterung der eigenen finanziellen Situation erwartet, rechnet ein weiteres Drittel ungeachtet der Krisensignale mit einer Verbesserung der eigenen Lage, wie eine Studie des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) anlässlich des nahenden Weltspartags zeigt. Damit ist der Pessimismus sprunghaft auf das höchste Niveau seit der Finanzkrise gestiegen, doch zugleich sind mehr Menschen optimistisch gestimmt als vor der Coronakrise, wie der Verband am Dienstag berichtete.
Insgesamt sehen die Sparkassen die Lage aber negativ. Es sei schmerzhaft, die Abhängigkeit von Energieträgern zu verringern, warnte Sparkassenpräsident Helmut Schleweis in einer Videokonferenz. „Diese Anpassungsphase wird mit zwischenzeitigen Wohlstandsverlusten einhergehen.“ Darauf müssten sich Sparer und Verbraucher einstellen. „Vor uns stehen mindestens drei sehr schwierige Jahre.“
Der DSGV hatte im Juni und Juli Menschen ab 14 Jahren vom Meinungsforschungsinstitut Katar befragen lassen – die jüngste Zuspitzung von Inflation und Gaskrise schlägt also noch nicht auf das erfasste Stimmungsbild nieder. Doch die Folgen der Krise waren bereits zur Jahresmitte spürbar: 57% der Befragten erklärten, ihre Ausgaben in den vergangen zwölf Monaten eingeschränkt zu haben. Im Jahr 2019, dem letzten Turnus vor der Pandemie, berichteten nur 34% von einem geringeren Konsum und auch in den ersten beiden Pandemiejahren waren die Werte viel geringer als jetzt. Die Mehrzahl der Befragten kauft nach eigener Auskunft bereits weniger oder weicht auf billigere Produkte aus. Jede zweite Person will weniger heizen. „Energiesparen ist das neue Sparen“, so Schleweis.
Unklar sind hingegen die Folgen der Inflation auf das Sparverhalten: Denn während annähernd jede fünfte Person (18%) angibt, dass sie bereits jetzt oder auch künftig weniger zur Seite legt, spart gut ein Viertel (27%) demnach mehr als bisher, wie die Umfrage zeigt. Die Zahl der Menschen, die ihr Sparverhalten überdenken, ist nach Angaben des DSGV auch zuletzt im Oktober gestiegen. Schleweis warnte in der aktuellen Phase vor Fehlern in der Geldanlage. Die Zinsen seien zwar gestiegen und die EZB werde den Leitzins im laufenden Jahr vermutlich zwei weitere Mal um jeweils bis zu 0,75 Prozentpunkte anheben. „Allerdings sollten und müssen sich Sparer angewöhnen, mit dem Realzins zu rechnen.“ Unter Berücksichtigung der Inflation sei das Zinsniveau „schlechter als in früheren Negativzinszeiten“.
Ähnlich wie die Sparkassen warnte am Dienstag auch die DZ Bank aus der Finanzgruppe der Kreditgenossenschaften vor der Inflation. Im laufenden Jahr verlieren die deutschen Haushalte allein im zinstragenden Geldvermögen real betrachtet 395 Mrd. Euro, wie die Volkswirte erwarten. Pro Kopf gerechnet gehen somit durchschnittlich 4700 Euro verloren. Kursverluste an den Börsen kommen noch hinzu. Für das kommende Jahr erwartet die Bank eine Erholung der Geldvermögen.
Auch die Wohnimmobilienmärkte befinden sich im Umbruch, wie Schleweis deutlich machte. Im September sei die Nachfrage nach Immobiliendarlehen im Lager der Sparkassen deutlich eingebrochen, ein ähnlicher Befund zeichne sich für Oktober ab. Die sinkende Nachfrage werde sich auf die Preisdynamik auswirken. Zugleich seien die Baukosten deutlich gestiegen. „Aus meiner Sicht dürfen wir uns nicht damit abfinden, dass für eine junge Familie mit zwei Durchschnittsgehältern Wohneigentum nur schwer erschwinglich ist.“
Um Käufer zu entlasten, fordert der Sparkassenpräsident eine Senkung oder Abschaffung der Grunderwerbssteuer. Um zugleich den Spielraum für die Kreditvergabe auszuweiten, sollten nach seinen Worten die in diesem Jahr auf den Weg gebrachten zusätzlichen Kapitalpuffer für Banken und Sparkassen wieder abgeschafft werden.