KfW Capital hält Wagniskapital für beherrschbar
Von Jan Schrader, Frankfurt
Das Wagnis ist nach Darstellung von Jörg Goschin beherrschbar. Der Geschäftsführer der KfW Capital stuft es als extrem unwahrscheinlich ein, dass die Tochter der staatlichen Förderbank mit ihrem breit angelegten Engagement in Wagniskapital (Venture Capital, VC) unterm Strich einen Verlust einfährt: Mittlerweile verteilen sich 1,3 Mrd. Euro aus den Töpfen der Gesellschaft auf rund 70 Fonds, was bei ungefähr 20 bis 30 Firmen je Fonds ein Portfolio von 1400 bis 2100 Technologie-Start-ups ergibt, wie der Manager vorrechnet. Eine breite Streuung mindere das Risiko, der Wachstumsmarkt biete viele Chancen, und die Gesellschaft investiere kontinuierlich.
Optimismus gehört zum Geschäft: Angesichts der Zinswende und einer drohenden Wirtschaftskrise steht die KfW Capital im laufenden Jahr absehbar vor einem heiklen Praxistest: In Venture-Capital-Fonds investiert der KfW-Konzern über verschiedene Vehikel bereits seit 2015, nachdem das Segment nach der globalen Finanzkrise zunächst für die Bank verbrannt war. Mit Gründung der KfW Capital, die auch einige weitere Förderaufgaben rund um junge Technologiefirmen übernimmt, forcierte die Staatsbank ihr Engagement in VC-Fonds weiter. Die Anlagevehikel, die typischerweise einen Lebenszyklus von einem Jahrzehnt oder etwas mehr vorsehen und in den ersten Jahren nach und nach Kapital der Investoren abrufen, befinden sich also mitten im Investitionszyklus.
Stimmung trübt sicht ein
Mittlerweile ist die Stimmung gekippt: Beteiligungsfirmen stufen diverse Faktoren im VC-Markt wie Geschäftsklima und Geschäftserwartungen, Exitchancen, Wertberichtigungsdruck und Zinsniveau insgesamt eher negativ ein und deutlich schlechter als noch vor einem Jahr, berichtet die Research-Abteilung der Mutter KfW in Kooperation mit dem Branchenverband BVK und dem Deutsche Börse Venture Network. Für die KfW bleiben Beteiligungen und eine Einbindung privater Investoren zugleich Eckpfeiler der Förderstrategie, wie Bankchef Stefan Wintels erst im Juli bekräftigt hatte.
Für eine exakte Renditeprognose sei es zu früh, sagt Goschin. Nur so viel: „Da wir zu gleichen Bedingungen wie private Investoren investieren, haben wir auch die gleichen Renditeerwartungen.“ Das Portfolio sei noch jung, zeige aber eine „überdurchschnittliche Entwicklung“. Auf niedrige zweistellige Renditen, wie sie im VC-Segment häufig angestrebt werden, will er sich für das gesamte Fondssegment nicht festlegen. Eine konkrete Zielrendite nennt die KfW Capital nicht.
Der Manager zeigt sich zuversichtlich, dass die Mixtur aus Weltpolitik, Zinswende und Inflation den Wagniskapitalmarkt nicht allzu hart treffen wird. Während sowohl der etablierte Mittelstand als auch klassische Private-Equity-Fonds häufig mit höheren Schulden operierten, seien junge Technologiefirmen stärker über Eigenkapital finanziert, was das Problem einer höheren Zinslast schmälere. Auch steigende Preise für Rohstoffe oder Zwischenprodukte seien für Start-ups ein geringeres Problem, beruhe ihr Geschäftsmodell doch auf der Entwicklung von Technologie. Und dann könne gerade in turbulenten Zeiten das ein oder andere Start-up im Sinne einer kreativen Zerstörung florieren, so wie viele digitale Angebote in der Pandemie ihren Durchbruch schafften. „Die Krise bringt für Venture Capital neben allen Herausforderungen auch Chancen“, sagt Goschin.
In der deutschen Politik ist die Belebung des Wagniskapitalmarkts als wesentliches Ziel angekommen – ähnlich wie auch anderswo in Europa, wie Goschin betont. Mittlerweile habe sich der europäische Markt entwickelt. Auch fuhren Investoren in Europa zuletzt tendenziell höhere Renditen ein als in den USA, wie er sagt. „Der europäische VC-Markt ist erwachsen geworden.“ Deutschland holte zuletzt auf und verdoppelte die Investitionen nach Daten der OECD allein im vergangenen Jahr auf umgerechnet 4,7 Mrd. Dollar. Doch es gibt Luft nach oben: Israel brachte als kleines Land im jüngsten Berichtsjahr 2020 noch 8,8 Mrd. Dollar im VC-Segment auf die Waage, die USA als weltweit größte Volkswirtschaft spielen mit 135,6 Mrd. Dollar im Jahr 2019 in einer anderen Liga.
Krux mit Krypto und Crispr
Auf Technologiepioniere ist die KfW Capital stolz: Solarfolien zur Stromgewinnung des Dresdner Start-ups Heliatek, Raketen der Münchener Spezialfirma Isar Aerospace, Spezialmedizin gegen Hepatitis D aus dem Hause MYR aus Bad Homburg oder digitale Raumvermessung durch die Münchener Navvis – in allen Fällen stellte die Gesellschaft Kapital bereit. Dabei beachtet die KfW Capital einige Ausschlüsse, etwa bestimmte Pestizide und Pharmazeutika, für Glücksspiel und illegale Geschäfte genutzte Kryptowährungen, Atomkraft, Gentechnik wie etwa die Crispr-Methode und – je nach Zweck – zum Teil auch Tierversuche.
Bevorzugt werde umgekehrt keine Technologie, sagt Goschin. „Wir investieren sektor- und phasenagnostisch.“ Voranbringen will die KfW-Tochter zugleich das nachhaltige Finanzwesen. Längst trete die KfW Capital mit einem umfassenden Fragekatalog an die Fonds heran, die wiederum die Start-ups nach ESG-Kriterien bewerteten. „Die VC-Fonds sprechen nun häufiger und systematischer mit Start-ups über ESG.“
In welche Unternehmen das Geld der KfW Capital genau fließt, ist oft allerdings nicht nachvollziehbar. Die Gesellschaft veröffentlicht die konkreten Fonds, die ihre Portfoliounternehmen aber nicht immer genau zuordnen. Und inwiefern sich das Wagnis der KfW-Tochter rechnet, soll laut Goschin ebenfalls erst in einigen Jahren deutlich werden. Die Buchwerte der Fonds seien in Summe höher als das eingezahlte Kapital. Doch erst wenn die Fonds den Exit aus zahlreichen Firmen vollzogen haben, wird final abgerechnet. Noch ist das Wagnis nicht abschlossen.