Krisen beeinflussen Haltung der ESG-Investoren
wbr Frankfurt
Investoren berücksichtigen bei ihren nachhaltigen Investments aktuelle geopolitische Risiken und reagieren damit auf die Energiekrise und den Ukraine-Krieg. Das ist ein Ergebnis einer Umfrage der Privatbank Berenberg unter Anlegern. Im Vordergrund standen die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs), die immer mehr zu einem Leitfaden für ESG-Investoren werden. Auffällig ist dabei im Vergleich zu Umfrage von 2021, dass die befragten Anleger zunehmend Wert auf das Ziel der politischen Sicherheit liegen. 10% der Befragten halten das Ziel für besonders wichtig, doppelt so viele wie 2021.
Unangefochten an Rang 1 der Prioritäten steht das Klimaziel, das für die Investoren schon seit Jahren wichtig ist. Im Unterschied zur politischen Sicherheit ist im Klimabereich ein Investment gut möglich, die Investierbarkeit wird von 13% der Befragten als sehr gut eingeschätzt.
Viele Kontroversen
Im Bereich Sicherheit sind Investitionen aus Sicht der Anleger eher schwierig. Das liegt auch daran, dass nach gängigem Konsens Waffen bei den meisten ESG-Investments ausgeschlossen sind. Eine andere Kontroverse ist der Streit um die Atomkraft und die Frage, ob diese Energieform nachhaltig ist. „Es gibt französische Kunden, die uns ausschließen, weil wir Atomkraft ausschließen“, sagt Matthias Born, Anlagechef bei Berenberg Wealth and Asset Management.
In der Umfrage kommt zum Ausdruck, dass Investoren bei der Umsetzung im Bereich Klimainvestments bislang noch wenig auf Risiko und Rendite schauen. Haupttreiber für diese Ausrichtung sei vielmehr die innere Überzeugung, berichtet Berenberg. Dies überraschte auch die Experten der Bank, da klimaorientierte Investments durchaus mit niedrigeren Risiken verbunden sein können. Bei den ESG-Strategien bevorzugen Anleger häufig einen Dialog mit Unternehmen, also Engagement-Ansätze. Für weniger wirksam halten die Investoren dagegen den Ausschluss von Unternehmen aus ESG-Gründen, wenn es darum geht, bestimmte Ziele zu erreichen.
Kritik am Rating-Wirrwarr
Die bei der Auswahl von grünen Emittenten häufig verwendeten ESG-Ratings hatte Berenberg in einer Studie 2020 kritisiert. An den Ergebnissen habe sich wenig geändert. Viele mittlere und kleinere Unternehmen verfügten über kein Nachhaltigkeitsrating, kritisiert Berenberg.
Viele Anleger sind aber offenbar bereit, auch ohne gesondertes Rating mutmaßlich nachhaltige Titel auszuwählen. „87% der Befragten haben angegeben, dass sie bereit sind, Investments in Unternehmen mit niedriger ESG-Bewertung zu tätigen“, sagt Rupini Rajagopalan, Leiterin ESG bei Berenberg. Anbietern von ESG-Ratings fehle es an einer einheitlichen Bewertungsmethodik, an einer ausreichenden Verfügbarkeit von materiellen ESG-Daten und global einheitlichen Standards für die Berichterstattung. Angesichts solcher Mängel sei es nachvollziehbar, dass die Befragten ESG-Bewertungen ignorierten.