London Metal Exchange fürchtete „Todesspirale“
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Die London Metal Exchange (LME) hat im Zuge der gerichtlichen Aufarbeitung der Chaostage am Nickelmarkt im März ihre Entscheidung zur Stornierung zahlloser Orders damit gerechtfertigt, dass ansonsten Nachschussforderungen im Volumen von 19,75 Mrd. Pfund angefallen wären. Elliott Investment Management und Jane Street sehen sich um rechtmäßige Gewinne gebracht und fordern 470 Mill. Dollar Schadenersatz vom Betreiber des weltgrößten Metallhandelsplatzes, der ihre Aufträge gestrichen hatte.
Wie britische Medien unter Berufung auf Gerichtsunterlagen berichteten, fürchtete Adrian Farnham, damals Chef des Clearinghauses der LME, eine „Todesspirale“ durch die sogenannten Margin Calls. Sie hätten sich auf das Zehnfache des bisherigen Rekords belaufen. Mindestens sieben Clearingmitglieder wären dadurch zahlungsunfähig geworden. LME Clear wäre ein Verlust von 2,6 Mrd. Dollar entstanden. Dann hätte der zu Hong Kong Exchanges & Clearing (HKEX)gehörende Marktinfrastrukturbetreiber von den verbliebenen Clearingmitgliedern mindestens 1,2 Mrd. Dollar eintreiben müssen, was vermutlich fünf weitere in die Zahlungsunfähigkeit getrieben hätte, wie Bloomberg berichtet. Das hätte aus Sicht der Börse „dazu geführt, dass die LME nicht in der Lage gewesen wäre, als Handelsplatz für Nichteisenmetalle zu funktionieren, und ein wesentliches systemisches Risiko für das breitere Finanzsystem dargestellt“.
Guangdas heiße Wette
Am 8. März musste die LME erstmals seit mehr als einem Vierteljahrhundert den Nickelhandel aussetzen, weil am Markt nach der russischen Invasion in der Ukraine weiter steigende Preise für „Teufelskupfer“ erwartet wurden. Das zwang den chinesischen Stahlbaron Xiang Guangda, von dem man sonst wohl nie gehört hätte, und seine Tsingshan Holding dazu, ihre Short-Position aufzulösen, was den Preis rasant nach oben jagte.
Wie nun bekannt wurde, kamen schon am 7. März drei Clearingmitglieder Nachschussforderungen nicht nach, als der Nickelpreis innerhalb eines Handelstages rasant zugelegt hatte. Im Handelsverlauf tätigte die Börse Intraday-Margin-Calls im Volumen von 7 Mrd. Dollar. Gleichwohl kam ein Komitee am Nachmittag zu dem Schluss, dass ein ordentlicher Handel weiter gewährleistet sei.
Guangda hatte mit Hilfe von J.P. Morgan und anderen Banken darauf gewettet, dass die schnell steigende Produktion in seinen indonesischen Werken den Preis nach unten drücken würde. Der Nickelpreis stieg hingegen auf mehr als 100 000 Dollar pro Tonne. Dann schritt die LME ein, setzte den Handel für eine Woche aus und stornierte Trades im Volumen von rund 4 Mrd. Dollar, die von den handelnden Parteien in gutem Glauben getätigt wurden. Der Preis wurde auf den Schlusskurs des 7. März (48 078 Dollar) zurückgedreht. Das sei nötig gewesen, um die ordentliche Funktion des Marktes zu gewährleisten, verlautbarte die Tochter von Hong Kong Exchanges & Clearing. Der Markt habe sich von der physischen Realität entfernt. Es brachte ihr jedoch den Vorwurf ein, Tsingshan dabei geholfen zu haben, ihren Milliardenverlust zu begrenzen. Der Hedgefondsmanager Cliff Asness von AQR Capital sprach von Vetternwirtschaft. Eigentlich wollte LME-Chef Matthew Chamberlain genau solche Anleger anziehen.
Zudem wurden Zweifel daran geäußert, ob der Marktinfrastrukturbetreiber aus der chinesischen Sonderwirtschaftszone der richtige Eigentümer für die LME sei. Der Börsenbetreiber wusste nach eigenem Bekunden nichts von den großen Short-Positionen am OTC-Markt (Over the Counter).
„Die LME bleibt dabei, dass die Beschwerdegründe von Elliott und Jane Street gegenstandslos sind und auf einem grundsätzlichen Missverständnis der Situation am 8. März und der von der LME getroffenen Entscheidungen beruhen“, verlautbarte der Börsenbetreiber. „Alle Maßnahmen, die am 8. März ergriffen wurden, waren rechtmäßig und im Interesse des Marktes insgesamt.“
Wertberichtigt Seite 2