„Diese Verluste möchte niemand realisieren“
Im Podcast: Matthias Mathieu
„Diese Verluste möchte niemand realisieren“
Bright-Capital-Mitgründer sieht nach historischer Zinswende substanziell veränderten Markt für Kreditfonds und will 300 Mill. Euro für neuen Fonds einwerben
Von Philipp Habdank, Frankfurt
phh Frankfurt
Bright-Capital-Mitgründer Matthias Mathieu prognostiziert im Podcast „Betting Billions“ eine Marktbereinigung unter Kreditfonds und empfiehlt Investoren, bei Fondsmanagern genau hinzusehen. Die Rückkehr der Zinsen habe den Markt substanziell verändert.
Jahrelang haben Finanzinvestoren von der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank profitiert. Auf der Suche nach Rendite flossen Milliarden an institutionellem Kapital in die privaten Anlageklassen Private Equity und Private Credit. Über großvolumige und billige Kredite konnten Beteiligungsgesellschaften teure Unternehmen kaufen und anschließend noch teurer weiterverkaufen. Doch seit Sommer 2022 ist vieles anders.
„Der Markt hat sich substanziell verändert, seitdem die Zinsen zurück sind“, sagt Matthias Mathieu im Private-Markets-Podcast „Betting Billions“. Der Mitgründer des Kreditfonds Bright Capital beobachtet in aktuellen Fundraising-Prozessen bei institutionellen Investoren vor allem drei Verhaltensmuster: Erstens, fließe wieder mehr Kapital zurück in festverzinsliche Wertpapiere. Zweitens, würden sich Investoren stärker auf große und etablierte Kreditfonds-Manager konzentrieren. Und drittens, seien abseits der großen Adressen spezialisierte Manager mit einem nachweislich guten Kreditbuch gefragt.
Exzesse aus der Niedrigzinsphase rächen sich jetzt
Kritisch sieht Mathieu vor allem jenen Teil des Marktes, wo in der Vergangenheit der größte Wettbewerb herrschte. Der hohe Anlagedruck habe dazu geführt, dass die Kreditkonditionen nicht immer richtig gewählt worden seien. Als Beispiel nennt Mathieu unrealistische Annahmen zum künftigen operativen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), der als Grundlage für den von Kreditfonds gewährten Verschuldungsgrad dient.
Bei aggressiven Finanzierungen wurde das Ebitda höher gerechnet als es tatsächlich ist, in der Erwartung, dass das Unternehmen in der Zukunft stark wachsen wird. Wenn sich diese Annahmen jedoch nicht bewahrheiten, weil sich das makroökonomische Umfeld verschlechtert hat, dann haben Finanzinvestoren mit solch aggressiv strukturierten Krediten heute ein Problem. Die Verschuldung des Unternehmens liegt dann nicht wie anfangs gedacht bei dem 6-fachen, sondern tatsächlich bei dem 9-fachen des operativen Gewinns.
Finanzinvestoren kaufen sich Zeit
Wenn dann noch zusätzlich bei der Dokumentation nachgegeben und der Kredit ohne strenge Kreditkontrollklauseln ausgereicht wurde, dann steht der tatsächliche Leverage Mathieu zufolge heute vielleicht sogar bei 12x Ebitda. Wenn die Dinge dann nicht so laufen wie geplant, sei eine Sache klar: Dann sei auf jeden Fall das Eigenkapital (also der Private-Equity-Investor) aus dem Geld, sehr wahrscheinlich aber auch das Fremdkapital (also der Kreditfonds). „Die Verluste möchte niemand realisieren“, sagt Mathieu.
Aus diesem Grund schieben viele Finanzinvestoren das Problem in die Zukunft. Dazu werden die über die Kreditlaufzeit verteilten Zinszahlungen kapitalisiert und ans Ende der Laufzeit vertagt – in der Hoffnung, dass bis dahin das Zinsniveau wieder deutlich gesunken ist, gleichzeitig die Unternehmensgewinne wieder steigen und der Kredit damit wieder refinanziert werden kann.
Matthias Mathieu warnt vor geschönten Gewinnen
Dieses positive Szenario hält Mathieu für durchaus realistisch. Seiner Meinung nach seien die von Kreditfonds finanzierten Unternehmen tendenziell schon eher gute Unternehmen gewesen. Aus den richtig zyklischen Themen hätten sich Kreditfonds zurückgehalten. Dass der Private-Credit-Boom dennoch das ein oder andere Zombie-Unternehmen produziert hat, das es am Ende nicht schaffen wird, sei aber nicht auszuschließen.
Mathieu rät Investoren im aktuellen Marktumfeld daher immer, nach dem wahren Ebitda und dem Verhältnis der Cash- zu den PIK-Zinsen fragen. Wie viele Zinsen werden laufend ausbezahlt und wie viel erfolgt erst am Ende der Laufzeit? Nach einem genauen Blick in die Kreditportfolios komme man vielleicht zu der Erkenntnis, dass viele Unternehmen, die heute noch nicht auf der Beobachtungsliste stehen, vielleicht trotzdem nicht gut laufen würden. Auch wenn die Covenants noch nicht anschlagen.
Gewinner und Verlierer der historischen Zinswende
Die Rückkehr der Zinsen fördert somit Gewinner und Verlierer zu Tage. Private Equity steht bislang eher auf der Verliererseite. „Der erhöhte Zinssatz hat ultimativ dazu geführt, dass mehr Geld aus den Unternehmen abgeflossen ist“, sagt Mathieu. Unter den Kreditfonds dürften vor allem diejenigen Probleme bekommen, die am Tropf von Private Equity hängen. Mathieu zufolge hätten typische Direct-Lending-Fonds in der Vergangenheit bei Beteiligungsgesellschaften vor allem mit zwei Argumenten gepunktet: endfälligen Finanzierungen und höherem Leverage.
Die gestiegenen Zinsen würden dem Verschuldungshebel natürliche Grenzen setzen, weil dadurch nicht mehr so viel Leverage in ein Unternehmen passe. Endfällige Finanzierungen ohne laufenden Kapitaldienst sind dann interessant, wenn ein Unternehmen rasant wächst. Beide Argumente verlieren im aktuellen Marktumfeld an Gewicht. Gleichzeitig weist Mathieu auf das intakte Bankensystem in Deutschland hin und hinterfragt, ob Private Credit dann wirklich noch der bevorzugte Finanzierungspartner für Private Equity sein wird, wenn sich die akzeptierten Verschuldungsgrade der Kreditfonds immer stärker dem niedrigeren Level der Banken annähern.
Mehr Private Credit ohne Privat Equity
In der Vergangenheit haben sich Kreditfonds die höheren Verschuldungsgrade schließlich auch bezahlen lassen und waren in der Konsequenz deutlich teurer als eine Bank. „Private Equity hat immer jeden Stein umgedreht, um die Rendite zu optimieren, aber heute ist es wahrscheinlich notwendiger denn je", sagt Mathieu. Wenn der M&A-Markt also wieder anziehe, könne er sich vorstellen, dass ein Private-Equity-Investor eine Transaktion zunächst vollständig aus der eigenen Tasche bezahlt und sich anschließend in Ruhe die Zeit nimmt, um eine konservative Finanzierung mit einer Bank einzuziehen.
Private Equity hat immer jeden Stein umgedreht, um die Rendite zu optimieren, aber heute ist es wahrscheinlich notwendiger denn je.
Matthias Mathieu, Bright Capital
Für Mathieu heißt das in der Konsequenz, dass sich Kreditfonds entweder stärker dem Preisniveau der Banken annähern oder mehr Transaktionen außerhalb des Private-Equity-Geschäfts suchen müssten. Bright Capital setzt auf die zweite Variante: Acht von zehn Transaktionen würden aktuell ohne einen Private-Equity-Investor durchgeführt. Man setzte stattdessen auf kleinere Nachfolgelösungen, bei denen das Management das Unternehmen übernimmt. Im Hintergrund würde die Transaktionen häufig von einem Family Office mit Eigenkapital unterstützt.
Bright Capital im Fundraising für neuen Kreditfonds
Anschließend würde dann eine sogenannte Buy-and-Build-Strategie verfolgt. Das initial finanzierte Unternehmen kauft dabei kleinere Wettbewerber auf, sodass im Idealfall ein größeres Unternehmen entsteht, das später teurer verkauft werden kann. Bright Capital begleitet diese Zukäufe und kann laut Mathieu für so ein Projekt zwischen 5 und 50 Mill. Euro als Fremdkapital zur Verfügung stellen.
Der Buy-and-Build-Ansatz ohne einen finanzstarken Private-Equity-Investor im Rücken funktioniere aber nur bei kleineren Unternehmen, die noch vergleichsweise niedrig bewertet sind. Das seien in der Regel Firmen mit Unternehmenswerten zwischen 2 und 10 Mill. Euro. Mit diesem Ansatz glaubt Mathieu, sich von anderen Kreditfonds differenzieren zu können. Ob das gelingt, werden die kommenden Wochen und Monate zeigen. Denn Bright Capital ist dabei, Gelder für den dritten Kreditfonds einzuwerben. Das Zielvolumen orientiert sich Mathieu zufolge daran, was Bright Capital in den vergangenen Jahren bereits investiert hat: 300 Mill. Euro.