Mehr Proportionalität wagen
Die ganze Welt bewundert Deutschland wegen des „German Mittelstands“; alle deutschen Parteien schreiben sich die kleinen und mittelständischen Unternehmen auf die Fahnen. Die Frage bleibt: Warum ist gerade in Deutschland die Unternehmenslandschaft so dezentral und granular geworden? Woher kommt es, dass viele kleine Unternehmen ihre Marktnischen finden und Arbeitsplätze auch auf dem Land schaffen?
Auf diese Frage gibt es natürlich mehr als eine Antwort: Das duale deutsche Ausbildungssystem leistet sicher einen Beitrag. Auch die dezentrale Struktur der öffentlichen Hand, Rechtssicherheit und Zugang zum europäischen Binnenmarkt sind weitere wichtige Beispiele, die auch in der Politik verstanden werden.
Finanzierung ist einfacher
Was aber erst im internationalen Vergleich deutlich wird: Die Möglichkeiten der Finanzierung von kleinen und mittelständischen Unternehmen sind in Deutschland einfacher als in anderen Ländern!
Entscheidend hierfür ist das dezentrale deutsche Bankensystem, mit einer hohen Präsenz auch auf dem Land und entsprechender Nähe der Kreditentscheidungen. Wer sich noch tiefer mit der Materie beschäftigen will, dem sei die frei abrufbare Studie der Professoren Herz und Gischer „Aktuelle Herausforderungen für KMU und Regionalbanken in der Europäischen Union“ ans Herz gelegt.
Dezentrales System stärken
In kurz: Wer kleine und mittelständische Unternehmen in der Fläche haben will, der sollte auch ein dezentrales Bankensystem befürworten. Wer aber unser Bankensystem mit vielen Volksbanken und Sparkassen erhalten möchte, der sollte sich Gedanken über deren Regulierung machen.
Denn genau hier liegt in der Praxis das Problem: Die Bürger fordern eine stärkere Regulierung der Banken. Sie haben dabei vor allem große Banken, die „too big to fail“ („zu groß zum Scheitern“) sind, vor Augen. Aber: In der Praxis gilt Bankenregulierung zu einem großen Teil für alle Banken, egal ob kleine Volksbank oder Deutsche Bank. Dieses „one size fits all“ kann auf Dauer nicht gut gehen für die Kleinen! Denn Regulierungskosten sind zu einem großen Teil Fixkosten. Egal ob Eigenkapitalanforderungen, Dokumentationspflichten in der Anlageberatung oder Verschärfung der Verbraucherkreditverordnung – die Umsetzung kostet Geld! Die Kosten für diesen Aufwand lassen sich bei einer sehr großen Bank auf sehr viel Kapital und viele Einleger umlegen. Bei einer kleinen Bank sind die Kosten je Kunde und je eingelegten Euro deutlich größer. Nochmal in aller Deutlichkeit: Mehr Regulierung belastet!
Niedrige Zinsen belasten
Hinzu kommen die ansonsten schwierigen Rahmenbedingungen: Erstens ist das niedrige Zinsniveau an sich für die Banken problematisch. Zweitens macht die über Jahre relativ flache Zinsstruktur – der Unterscheid zwischen dem Zins für ein Jahr und für zehn Jahre ist eher gering – auch die Fristentransformation wenig ertragreich. Drittens sind die Kosten der Digitalisierung relativ hoch. Viertens sind die Online-Banken zusätzliche Konkurrenz und drücken auf die Margen, da sie nicht die gleichen Kosten für Filialnetze haben.
Zahl der Banken sinkt
In diesem schwierigen Marktumfeld ist es nicht verwunderlich, dass die Anzahl sowohl der Sparkassen und Volksbanken als auch ihrer Filialen sinkt. Wir befinden uns also mit unserer Bankenregulierung auf einem Irrweg! Wir müssen weg vom „one size fits all“ und brauchen einfachere, proportionale regulatorische Rahmenbedingungen für kleine Banken.
Es wird Zeit, dass wir diesen Zusammenhang – quer durch verschiedene Parteien und Fraktionen – verstehen. Das entsprechende Umsteuern vom „one size fits all“ zur Proportionalität ist eine politische Kraftanstrengung, für die eine breite Unterstützung über die Parteigrenzen hinweg gebraucht wird. Das betrifft zum einen die Europäische Bankenaufsicht, die dazu einen expliziten gesetzgeberischen Auftrag hat, als auch die Europäische Kommission mit ihrem Initiativmonopol. Der Mittelstand und die ländliche Bevölkerung werden es uns danken, wenn wir diesen Weg gemeinsam gehen. Packen wir es an!