Andreas Krischke, Indigo Headhunters

Mit der Zinswende wandelt sich die Stimmung in Banken

Die Stimmung in Banken und Sparkassen ist nach Beobachtung des Personalberaters Andreas Krischke so gut wie seit Jahren nicht. Ungeachtet der vielen Krisen stimme die Zinswende hoffnungsfroh, sagt der Geschäftsführer von Indigo Headhunters.

Mit der Zinswende wandelt sich die Stimmung in Banken

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Die Zinswende hellt nach Ansicht des Personalberaters Andreas Krischke die Stimmung der Banken auf: Sie beschert der Kreditwirtschaft höhere Zinserträge und damit mehr finanziellen Spielraum, um Personalabgänge der vergangenen Jahre zumindest teilweise wettzumachen. Darbten die vom Zinsgeschäft abhängigen Banken bisher, so seien die Nutznießer der Phase der Minus- und Niedrigzinsen etwa Private-Equity-Fonds, Immobiliengesellschaften, Fintechs, Assetmanager sowie Fonds für Infrastruktur oder erneuerbare Energien. Dort sei daher Personal aufgebaut worden, sagt der Mitgründer und Geschäftsführer der Frankfurter Gesellschaft Indigo Headhunters.

Personelle Lücken auffüllen

Was Banken zusetzte, bescherte mithin anderen Teilen der Finanzindustrie einen Boom. „Das hat sich geändert“, sagt Krischke. „Durch die Zinswende haben sich die Spielregeln geändert. Das zeigt sich noch sehr verhalten, aber der Ausblick ist klar: Jede Zinserhöhung bedeutet zusätzliche Erträge, ohne dass eine Bank etwas tun oder das Geschäftsmodell ändern muss.“ Damit eröffne sich ungeachtet des Trends zum Stellenabbau in der klassischen Finanzbranche die Möglichkeit, Lücken zu füllen, die der Wechsel von Mitarbeitern zu alternativen Finanzanbietern gerissen habe. „Wir sehen, dass Banken versuchen, Stellen, die nach Weggängen lange Zeit nicht nachbesetzt wurden, aufzufüllen.“

Unterm Strich Stellenabbau

Banken und Sparkassen bauen seit Jahrzehnten unterm Strich Stellen ab. Allein im vergangenen Jahr gingen nach Angaben des Arbeitgeberverbands des privaten Bankgewerbes (AGV Banken) 11500 Arbeitsplätze verloren. Im Kreditgewerbe arbeiteten demnach zu Jahresbeginn gut 540000 Menschen, wohingegen es vor zwei Jahrzehnten noch fast 770000 gewesen waren. „Der Personalbestand wird in Summe weiter sinken, aber Mitarbeiter für hochwertigere Arbeitsplätze werden nach wie vor gesucht“, sagt Krischke.

Der durch Digitalisierung und verändertes Kundenverhalten getriebene Stellenabbau treffe vor allem das Privatkundengeschäft und einfachere administrative Tätigkeiten. Das Aufbrechen der Wertschöpfungsketten in der Finanzindustrie habe in den vergangenen Jahren merklich an Dynamik gewonnen, weil Banken zunehmend bereit gewesen seien, bestimmte Teile ihres Kerngeschäfts auszugliedern. „Sie haben Vertrauen gefasst, dass externe Dienstleister ihre Sache nicht nur gut machen, sondern auch kostengünstiger, in­dem sie Skaleneffekte erzielen.“

Nicht nur der Umgang mit Vakanzen ändere sich, sagt Krischke. Mit den Zinseinnahmen steige auch die Laune in den Banken. Der Ausblick falle deshalb trotz der vielen Krisenherde wie Ukraine-Krieg, Inflation, Lieferkettenproblemen und drohender Rezession recht optimistisch aus, berichtet Krischke und resümiert: „Die Grundstimmung ist jetzt gut. Einzelne Krisen werden kommen und gehen. Was aber enormen und nachhaltigen Einfluss hat, ist die Zinsentwicklung.“

Dass angesichts hoher Inflation und steigender Zinsen mehr Kreditausfälle und somit bei den Banken höhere Risikovorsorge zu erwarten seien, hält er für verkraftbar. „In der Coronakrise haben wir auch gedacht, dass viele Unternehmen pleitegehen, doch die Politik hat alles getan, damit dieser Fall nicht eintritt. Auch jetzt wird sie versuchen, die Energiepreisexplosion abzumildern und eine Abwärtsspirale zu verhindern.“

Im personellen Wettbewerb mit Fintechs bescheinigt Krischke der Kreditwirtschaft nun bessere Karten als vor fünf Jahren. In so manchem Start-up sei mittlerweile eine gewisse Ernüchterung auszumachen. Das liege etwa an schrumpfenden Bewertungen, an wackeligen oder ausbleibenden Finanzierungsrunden, an Stellenstreichungen wie bei der Solarisbank oder an der Pleite des Kryptofintechs Nuri. Krischke: „Sobald die Vorstände harte Einschnitte be­schließen, was sie nicht gewohnt sind, kippt schnell die Stimmung.“

Zudem änderten sich die Bedürfnisse der Beschäftigten, die mit zunehmendem Alter sicherheitsbedürftiger würden. Mit Ehepartner und Kindern würden Arbeitsplätze bei Unternehmen, die sich nicht von Fi­nanzierungsrunde zu Finanzierungsrunde hangeln müssten, schließlich mehr geschätzt als noch in ungebundenen Singlejahren. Das mache für sie Banken als Arbeitgeber relativ attraktiver.

Mangel an Authentizität

Als Prestige-Durchbruch zugunsten klassischer Finanzinstitute will Krischke das aber nicht verstanden wissen. „Der Kulturwandel ist noch nicht verinnerlicht. Wir finden in Vorstandsetagen weiterhin Charaktere, die in einer Zeit aufgestiegen sind, als der Vorstand im Fahrstuhl allein fuhr bzw. für ihn reserviert war“, sagt er. „Heute möchte die Belegschaft aber, dass der Vorstand mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt.“ Das finde teilweise zwar statt, aber noch selten.

„Mir fehlt die Überzeugung seitens des Senior-Managements“, zeigt sich Krischke skeptisch. „Es weiß eigentlich, was zu tun ist, fremdelt aber da­mit und kann es noch nicht authentisch umsetzen.“ Mit jeder Neubesetzung in den Vorstandsetagen der Banken ändere sich das aber ein Stück weit. „Der Kulturwandel ist eingeleitet“, zeigt er sich überzeugt. „Aber er wird Jahre dauern.“

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