Finma

Mitten im Börsentrubel bleibt die Schweizer Aufsicht stoisch

Die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma hat sich auf ihrer Jahresmedienkonferenz auffallend stark mit Einschätzungen zur aktuellen Börsenkrise zurückgehalten.

Mitten im Börsentrubel bleibt die Schweizer Aufsicht stoisch

Finanzmarktaufsicht

Stoische Finma mitten im Börsentrubel

Die Schweizer Finanzmarktaufsicht zeigt sich gegenüber den aktuellen Finanzmarktturbulenzen seltsam stoisch. Warum?

dz Zürich

Die Finanzwelt spielt verrückt, seit US-Präsident Donald Trump am Mittwoch vergangener Woche den globalen Handelskrieg ausgerufen hat. An allen Börsen fallen die Aktienkurse ins Bodenlose. Ökonomen der Deutschen Bank sprechen vom größten Schock für das globale Handelssystem seit 1971, als das Welthandelssystem Breton Woods kollabierte, weil der damalige US-Präsident Richard Nixon die Kosten des Vietnamkrieges mit der Notenpresse finanzieren wollte. Auf den Geldmärkten erwarten viele Investoren, dass die Notenbanken bald ihre nächste Rettungsaktion lancieren.

Die Situation ist an Dramatik nur schwer zu überbieten. Was sagt die Schweizer Finanzmarktaufsicht, die nicht nur die UBS und die Banken, sondern auch alle Versicherungen mit ihren immensen Kapitalanlagen überwachen muss?

Von der aktuellen Krise kein Wort

Die Jahrespressekonferenz in Bern war die Gelegenheit für Antworten. Doch in den Referaten, in denen Finma-Präsidentin Marlene Amstad und ihr Direktor Stefan Walter die wichtigsten Entwicklungen in der Aufsichtsbehörde zusammenfassten, kam die aktuelle Krise mit keinem Wort zur Sprache. Auch in der anschließenden Diskussion blieben die Antworten auf Journalistenfragen auffallend unverbindlich, um nicht zu sagen verharmlosend.

Auf die Frage, inwieweit die Krise einem jener Stresstests gleicht, mit denen die Finma auch im vergangenen Jahr die Widerstandsfähigkeit der beaufsichtigten Finanzinstitute zum Beispiel in Bezug auf die Verlustanfälligkeit von Hypothekarkrediten in einem ungünstigen Zinsszenario testete, sagte Walter: „Unsere Annahmen in Stresstests sind viel stressvoller als das, was wir zurzeit auf den Märkten sehen.“ Auf die Frage, ob die aktuelle Situation nicht der Anfang einer noch viel schlimmeren Krise sein könnte, antwortete der oberste Finanzmarktaufseher in der Schweiz: "Das ist möglich." Walter nannte zwar die Möglichkeit, dass sich die Krise in eine Rezession auswachsen und die Zahlungsfähigkeit der Kreditkunden von Banken beeinträchtigen könnte. Doch die Ausführungen wirkten theoretisch, nicht bezogen auf die aktuelle Situation.

„Wir verfolgen die Situation genau“, versprach der Finanzplatzwächter auf die nächste Journalistenfrage, freilich ohne das Gefahrenpotenzial darzustellen. Die überwachten Institute müssten in Szenarien denken, ihre Risikosituation kennen und individuelle Vorkehrungen treffen, so sein Ratschlag an die Banken und die Versicherungen. Eine Beruhigungsspritze, wie sie Banksparer, Versicherungsnehmer oder auch Fondsinvestoren von einer Behörde wie der Finma vielleicht erwarten würden, müsste sich anders anfühlen.

Politischen Gegenwind befürchtet

So offensichtlich die Zurückhaltung der Finma in Bezug auf die Bewertung der aktuellen Lage ist, so unklar sind ihre Motive. Möglicherweise befürchtet die Behörde stärkeren politischen Gegenwind, wenn sie die aktuellen Gefahren zu sehr betont. Solchen Gegenwind kann sie mit Blick auf die geplante Verschärfung der UBS-Aufsicht nicht gut gebrauchen. Im grundsätzlich amerikafreundlichen und EU-kritischen rechtsbürgerlichen Lager der Schweizer Politik sehen manche die US-Strafzölle als einen Spuk, der bald vorbei sein könnte, ohne allzu großen Schaden zu hinterlassen.

Mehr Kompetenzen erhofft

Denkbar ist, dass die Finma den Verlust von politischem Kapital befürchtet, wenn sie die aktuelle Krise allzu dramatisch darstellt. Denkbar ist aber auch, dass sie die Einhaltung ihres Regulierungsfahrplans in einem stark veränderten Risikoumfeld für gefährdet hält und deshalb rhetorische Zurückhaltung übt. Die Finma verlangt einen ganzen Strauß an neuen Kompetenzen: Sie will Bußen aussprechen, hochrangige Manager mehr in die Pflicht nehmen, mehr Schwarze Schafe an den Pranger stellen und in heiklen Situationen früher auf höchster Managementstufe intervenieren dürfen. Dafür braucht sie eine gesetzliche Grundlage und damit die Politik. Vielleicht aber, und das ist leider die am wenigsten wahrscheinliche Variante, erachtet die Finma die aktuelle Krise tatsächlich als nicht sehr bedrohlich.

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