Nationale Ausnahmen sind der Killer
bg Frankfurt
Trade-Republic-Chef Christian Hecker hat auf dem dritten Digital Finance Forum zum Thema „Tech & Financial Services – Regulating the Tech in Big Tech“, das vom Center for Financial Studies (CFS) der Goethe Universität in Kooperation mit Freshfields Bruckhaus Deringer und dem Institute for Law and Finance (ILF) am Donnerstag veranstaltet wurde, ein Plädoyer für den harmonisierten Finanzmarkt in Europa gehalten. „Wir stehen im Wettbewerb mit globalen Digitalunternehmen, dafür brauchen wir schnelle Innovationszyklen – und dafür wiederum ist ein stabiler regulatorischer Rahmen unerlässlich.“
In diesem Punkt sieht der Mitgründer des Neobrokers erhebliche Defizite und fordert von den EU-Regulatoren für die Entwicklung und Umsetzung der Roadmap Verlässlichkeit und Planbarkeit in den Vorschriften. Um einen einheitlichen Frontend-Zugang in ganz Europa zu bauen, brauche man bei Trade Republic eine Portabilität von Regulatorik und Tech, das sei einfach notwendig für die schnelle Skalierung vis-à-vis Big Tech. „Jede nationale Ausnahme macht es uns schwer, stabile Dienste zu bauen“, sagte er am Donnerstag beim Digital Finance Forum.
Beispielhaft dafür seien unterschiedliche Anforderungen für KYC-Prozesse in den EU-Ländern. Außerdem sei die Unsicherheit über die weitere „crypto roadmap“ auf EU-Ebene schädlich. Trade Republic sei bereit, einen zweistelligen Millionenbetrag in Krypto-Infrastruktur zu investieren, aber das Fehlen von Regulierung und Passporting hindere das Fintech daran, solche Dienste auszurollen.
Eine Implementierung der MiCA-Verordnung bis 2024 sei zu langsam, kritisiert er. Das Vorhaben der EU-Kommission zur Schaffung eines einheitlichen Datenträgers („Consolidated Tape“) im Wertpapierhandel lobt Hecker, es wäre als „single source of truth“ eine gute Gelegenheit, um für (private) Investoren Transparenz im Orderprozess herzustellen. Die Mifid hingegen stelle für Nutzer einen „information overkill“ dar, denn die Prozesse seien zu kompliziert – und das schrecke insbesondere neue Investoren ab. Bei Umsetzung des Regelwerks Dora befürchtet er, Fintechs könnte ihr Vorteil in dem für modulare Finanzdienste notwendigen Cloud Computing verloren gehen.
Dora ist ein Knackpunkt
Mit dem Digital Operational Resilience Act (Dora) will die EU den Finanzsektor widerstandsfähiger gegen IT-Störungen und Cyberangriffe machen. Die europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) EBA, EIOPA und ESMA hatten Anfang Februar der Europäischen Kommission Empfehlungen vorgelegt, wie der zunehmenden Fragmentierung von Wertschöpfungsketten in der Finanzindustrie zu begegnen ist. Besonders im Fokus: die zunehmende Abhängigkeit der Finanzinstitute von Technologieunternehmen, denn dies könne Risiken für die Finanzstabilität mit sich bringen, zum Beispiel wenn eine kleine Anzahl von Anbietern von vielen Firmen im gesamten Finanzsektor genutzt werde. Die Abhängigkeit von einigen wenigen Clouddienstleistern sei ausgeprägt, warnten die Aufseher.
Mit den Outsourcing-Ketten wie im Cloud Computing würden Wertschöpfungsketten zunehmend fragmentierter und komplexer, so der Berichterstatter der Insurtech Task Force der EIOPA, Andres Lehtmets, am Donnerstag. Es entstünden neue Arten von Risiken zum Beispiel für Kundendaten. Hinzu kämen Risiken für Geldwäsche sowie neue Interdependenzen für das Wettbewerbsrecht, wenn Big Techs im Rahmen von gemischten Diensten auch Financial Services integrierten. Es hätten sich regulatorische Lücken aufgetan, deren Analyse in die Vorschläge an die EU-Kommission mündete.
Ilja Gafarov von der Financial Technology Innovations Unit der BaFin äußerte die Erwartung, dass das MiCA-Regelwerk bis Mitte dieses Jahres finalisiert sein sollte. Seiner Beobachtung nach verbinden sich Krypto und die traditionelle Finanzindustrie gerade, was der Kryptoverwahrlizenz-Antrag der Commerzbank illustriere.
BaFin analysiert DeFi
Mit Blick auf Blockchain-Systeme in Decentralized Finance (DeFi) erklärte er, das Regelbuch der Aufseher sei nun einmal voll auf zentrale Entitäten ausgerichtet, aber modulare Ökosysteme verlangten nach neuen Modellen, wie zum Beispiel API-gestützten Systemen in Regtech bei der Aufsicht selbst. Bei DeFi sei an vielen Stellen aber zu hinterfragen, ob das wirklich dezentral sei. Das müsse man fallweise betrachten, denn es gebe häufig On-Chain Governance, die sich verändern könne.
Der Einfluss von Governance Token sei teilweise zu hoch, genauso der daran geknüpfte Einfluss der zentralen Software-Entwickler für Smart Contracts. Dafür müsse man als Aufseher Risikoprofile analysieren, die Protokoll-Qualität sei bei Hacks offensichtlich niedrig. Gut findet Gafarov, dass es neue Instrumente wie Smart-Contract-Versicherungen von Fireblocks gibt und dass Société Générale bei MakerDAO eine Refinanzierung im Token Collateral gemacht hat: Aufseher seien da offen für Dialog. Gafarovs Überzeugung: Stablecoins könnten einen wertvollen Beitrag im Finanzsystem leisten, wenn sie ein gutes Design hätten und angemessen reguliert seien.