Neue Technologien fordern Risikowächter
Neue Technologien fordern Risikowächter
Aufseher müssen bei KI und Quantencomputing Schritt halten, mahnt Christine Lagarde
fir Frankfurt
Aufseher müssen nach Ansicht von Christine Lagarde aktiver vorgehen und sich stärker mit technologischen Veränderungen wie künstlicher Intelligenz (KI) oder Quantencomputern auseinandersetzen. So könnten sie in Krisensituationen schneller agieren und hätten gegenüber bösartigen Akteuren nicht das Nachsehen.
„Die politischen Entscheidungsträger können es sich nicht leisten, einfach auf Krisen zu reagieren“, sagte die EZB-Präsidentin bei der Eröffnung der achten Jahreskonferenz des europäischen Systemrisikorats (ESRB). „Wir müssen ständig versuchen, sie zu antizipieren und die Möglichkeiten von Technologie und Daten zu nutzen, um ein wirklich widerstandsfähiges Finanzsystem aufzubauen.“
Instrumentarium erweitern
Die Aufseher müssten sich nun fragen, wie sich aus neuen Technologien erwachsende Risiken auf das Finanzsystem auswirken und den aufsichtlichen Werkzeugkasten erforderlichenfalls aufzurüsten. „Die Instrumente, auf die wir uns in der Vergangenheit verlassen haben, sind möglicherweise nicht mehr ausreichend“, mahnte Lagarde. Auch größere Kapitalpuffer, die als Schutz in Krisen wirken, seien nicht immer die richtige Antwort, führte sie weiter aus und fügte an: „Und sie sind auch nicht die einzige Antwort.“
Die EZB-Präsidentin steht auch dem beschlussfassenden Verwaltungsrat des ESRB vor. Dem bei der EZB angesiedelten Gremium kommt die makroprudenzielle Aufsicht über das Finanzsystem in der Europäischen Union zu. Dem ESRB gehören neben EZB und Europäischer Kommission die Aufsichtsbehörden EBA, ESMA und EIOPA sowie Zentralbanken und makroprudenzielle Behörden der EU-Staaten an.
Gefahren für das Finanzsystem mindern
Lagarde ging einerseits auf die Möglichkeiten ein, die neue Technologien den Aufsichtsbehörden böten, um sie „als eine Kraft des Guten“ einzusetzen. Damit ließen sich die Risiken für das Finanzsystem verringern. Das Potenzial sei erheblich. So könne KI helfen, große Mengen an Aufsichts- und Marktdaten zu analysieren. Oder die KI helfe dabei, Schwachstellen schneller zu erkennen und auf Bedrohungen zu reagieren.
Hemmnisse im Datenaustausch abbauen
Sie mahnte an, eine Vielzahl möglicher, durch die Folgen neuer Technologien ausgelöster Risiken für das Finanzwesen durchspielen zu können. Mit den verfügbaren Daten sei dies zwar schon möglich, doch seien weitere Schritte nötig. So müssten Hindernisse für einen sicheren Datenaustausch zwischen Aufsichtsbehörden beseitigt werden. Sie selbst habe deshalb als ESRB-Vorsitzende Brüssel aufgefordert, auf den Abbau solcher Hemmnisse hinzuwirken.
Große Konzentrationsrisiken
Auch auf die Schattenseiten neuer Technologien ging sie ein. Zu nennen seien die Konzentration kritischer IT-Dienstleistungen auf wenige Anbieter. Das habe sich im Juli bei dem fehlerhaften Software-Update gezeigt, das weltweit Störungen auslöste und 8,5 Millionen Windows-Rechner betraf. „Feindlich gesinnte Staaten könnten verheerenden Schaden anrichten, wenn sie nur eine kritische Schwachstelle in unserem Finanzsystem aufdecken“, sagte sie mit Blick etwa auf das Agieren Russlands.
„Der ESRB rechnete nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine mit verstärkten Cyberangriffen. Glücklicherweise hat sich das Finanzsystem bisher als widerstandsfähig erwiesen, aber das Risiko bleibt.“