Neumann bringt CO2-Rechte auf Blockchain
Von Björn Godenrath, Frankfurt
Die Gründungswelle rund um KlimaFintech zieht auch bekannte Namen an. Bestes Beispiel dafür ist der Wework-Gründer Adam Neumann. Seit dem von Softbank erzwungenen und mit einer Milliarden-Abfindung garnierten Abschied Neumanns bei seinem Proptech vor zwei Jahren war er öffentlich auf Tauchstation gegangen – bis er sich Ende Mai mit dem Start-up Flowcarbon zurückmeldete.
Die Mission von Flowcarbon: Den Handel mit tokenisierten Klimazertifikaten auf der Blockchain zu ermöglichen für einen liquiden und transparenten Markt. Und diese sogenannten „on-chain Carbon Credits“ werden verkörpert von der Eigenkreation des „Goddess Nature Token“ (GNT), der in der Gründerpräsentation als erster „multifunktionaler Token“ in diesem Kontext angepriesen wird.
Auf die vorteilhafte Zusammenstellung von Geschäftsplänen in Investorenpräsentationen versteht sich der charismatische Neumann. Mit Wework pries er das Coworking im gewerblichen Immobiliensektor an und trieb die Bewertung des Start-ups – das heute nur noch 4 Mrd. Dollar wert ist – in der Hype-Phase auf abstruse 47 Mrd. Dollar. Welche Werte er damit wirklich geschaffen hatte – es handelt sich ja lediglich um die Anmietung oder den Kauf von Flächen, die dann in Parzellen unterteilt und aufgemotzt mit zusätzlichen Dienstleistungen möglichst teuer weitervermietet werden –, darüber lässt sich streiten. Auch wenn er für seine Kritiker als Inbegriff der Übertreibungen des Tech-Boom gilt, so hat er doch gezeigt, dass er Trends folgen und ausbauen kann – was ihm die Türen öffnete bei Investoren für Flowcarbon, wo er die Green-Fintech-Welle für sich nutzt.
70 Mill. Dollar haben Andreessen Horowitz, General Catalyst, Samsung Next und Invesco Private Capital vom Start weg in Flowcarbon investiert – was ein Wort ist angesichts eines Start-ups, das noch nicht viel vorweisen kann. Andererseits liegt die Vermutung nahe, dass sich eine Blockchain-unterstützte Dokumentation von CO2-Zertifikaten in Kombination mit tatsächlichen Emissionsdaten als nützlich erweisen kann – nur waren eben vor Flowcarbon mit KlimaDAO und Toucan schon mindestens zwei Start-ups mit artverwandten Geschäftsmodellen tokenisierter Carbon Credits am Markt. Ein Promi-Bonus für Adam Neumann dürfte also eine Rolle gespielt haben, als die Venture-Fonds ihre Schatullen öffneten.
Wobei der 43-Jährige bei Flowcarbon von Frauen umgeben ist, die den Laden schmeißen: Zu den Co-Gründerinnen gehören neben seiner Frau Rebekah auch Dana Gibber als CEO und Caroline Klatt in der Führungsriege. Und bei Andressen Horowitz verantwortet General Partner Arianna Simpson das Investment. Die ist auf den Kryptomarkt spezialisiert und hatte in einem begleitenden Essay ihre Motivation für das Investment geschildert: Mit Anfang 20 hatte sie ein Forschungsprojekt in Südafrika begleitet und dabei auch Daten zum „Global Carbon Cycle“ gesammelt und diese an ein Gremium (Intergovernmental Panel on Climate Change) der Vereinten Nation weitergeleitet. Aus diesen Daten sollte eine Modellierung von Klimawandel-Szenarien erfolgen sowie Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Damit gehört Simpson zu den Pionieren, die selbst Feldforschung betrieben haben.
Simpson verweist in ihrem Essay auf die McKinsey-Prognose, dass der Markt für Carbon Credits von heute 2 Mrd. Dollar bis 2030 auf mindestens 50 Mrd. Dollar anwachsen sollte. Das ist Teil der Venture-Capital-Standardformeln, und in diesem Fall kann man das bedenkenlos unterschreiben, dürfte das Marktvolumen doch eher noch stärker anziehen. Nur welchen Teil davon kann Flowcarbon als Plattform auf sich vereinen?
Stotterstart
Da das Kryptosegment aktuell unter Druck steht, war Flowcarbon jedenfalls zu einem Stotterstart verurteilt. Mitte Juli gab die Gesellschaft bekannt, dass der für Ende Juni geplante Token-Start verschoben würde: Die Gesellschaft wolle abwarten, bis die Märkte sich stabilisiert hätten, so CEO Dana Gibber im „Wall Street Journal“. Seitdem beschränkt sich Flowcarbon darauf, die Plattform weiterzuentwickeln für den Ausbau eines technischen Ökosystems. Das System beruht übrigens nicht auf Ethereum, sondern auf der Celo -Blockchain, die auch von der Deutschen Telekom genutzt wird.
Die frühen Investoren von Flowcarbon würden es sicher gerne sehen, wenn der „Goddess Nature Token“ schon bald handelbar wird, haben sie doch einen Großteil ihres Investments direkt in den GNT-Token gesteckt. Wie Flowcarbon Geld verdienen will, ist in der Gründerpräsentation klar hinterlegt: Für die Tokenisierung von Zertifikaten wird eine Gebühr von 2 % des auf die Plattform kommenden Betrages fällig. Dafür können über den Token mehrere Projekte gebündelt werden, und es gibt eben keine weiteren Mittelsmänner, was die Plattform attraktiv machen soll für institutionelle Investoren. Doch die können nur kaufen und handeln, was an Angebot auf den Marktplatz kommt: Es ist das typische Henne-Ei-Problem von Plattformen.
Adam Neumann ist seit kurzem sowieso auf einer anderen Baustelle unterwegs, die an seine Wework-Vergangenheit anknüpft: Mit Flow hat er Mitte August sein eigenes Start-up öffentlich gemacht, das sich der privaten Wohnungswirtschaft widmet. Dafür hatte er als Basis zunächst gut 1 Mrd. Dollar aus seinem Privatvermögen für den Erwerb von Wohnungskomplexen in mehren US-Regionen – in Nashville, Atlanta, Fort Lauderdale und Miami – lockergemacht, die er nun gewinnbringend bewirtschaften will. Wie dieses Management aussehen soll, das weiß noch niemand genau – auch die Erklärungen von Marc Andreessen, der über sein Venture-Capital-Vehikel üppige 350 Mill. Dollar an Flow gab, konnten nicht wirklich Licht ins Dunkel bringen, womit das Start-up das Wohnen und Leben revolutionieren will.
Womöglich sollen die Wertsteigerungen von Immobilien in guten Lagen zu der Wertsteigerung von Flow beitragen. Netscape-Erfinder Andreessen dürfte das Geschäftsmodell jedenfalls näher untersucht haben. In der Kryptoszene wird er mittlerweile nahezu genauso angefeindet wie Adam Neumann in der ganzen Welt. Vorsicht ist bei dem umtriebigen Unternehmer geboten – in der deutschen Gründerszene geht allerdings manche Verunglimpfung zu weit.
Bisher erschienen:
ESG-Leistung messen ohne diskretionäre Blackbox (30. August)
Begleiter der grünen Transformation (26. August)
Start-ups geht es zu wenig um Impact (25. August)