Immobilien

Preisanstieg von Wohn­immobilien setzt sich fort

Die Preise für Wohnhäuser und Wohnungen in Europa sind 2021 so stark gestiegen wie nie zuvor seit Beginn der systematischen Erhebung 2005. Vor allem im Zentrum Europas kletterten die Preise.

Preisanstieg von Wohn­immobilien setzt sich fort

Im Gegensatz zu vielen anderen Immobilienmarktsegmenten verzeichnen Wohnimmobilien auch während der Corona-Pandemie eine kontinuierlich aufwärtsgerichtete Preisentwicklung, die sich zuletzt sogar noch beschleunigte. Zur Messung der Wohnimmobilienpreise findet der HPI (House Price Index) Verwendung, der neben Häusern auch Wohnungen unabhängig vom Verwendungszweck (Selbstnutzung oder Vermietung) umfasst und von Eurostat veröffentlicht wird.

Das in nahezu allen Ländern in Europa sichtbare Wachstum der Hauspreise zwischen 2015 und 2020 – bei einem EU-Durchschnitt von +4,9 % verzeichnete lediglich Italien eine Stagnation – hat sich 2021 noch weiter erhöht. Von 2010 bis 2015 gab es bei Stagnation im EU-Durch­schnitt noch zwölf Mitgliedstaaten, die rückläufige Immobilienpreise aufwiesen. Im Kalenderjahr 2021, dem Jahr mit der stärksten Preisentwicklung seit dem Start der Zusammenstellung von Hauspreisen auf europäischer Ebene 2005, stehen an der Spitze Tschechien (+19,7%), Litauen (+16,1 %), Ungarn (+15,4 %) und Estland (+15,1 %). Dann folgen die Niederlande (+15,0 %), Luxemburg (+13.9 %) und Österreich (+12,3 %). Dänemark verzeichnete mit 11,1 % eine ähnliche Steigerung wie Deutschland (+11,0 %). Polen lag mit 9,2 % immer noch über dem EU-Durchschnitt von 8,2 %. Diesen Wert unterschritten von unseren Nachbarländern Belgien (+7,1 %), Frankreich (+6,3 %) sowie die Schweiz (+5,7 %).

Zuwächse im Zentrum

Die geringsten Wachstumsraten in Europa 2021 verzeichneten Finnland und Rumänien (jeweils +4,4 %), Spanien (+3,7 %) und Italien (+2,6 %). Als einziges Land in Europa meldete Zypern 2021 sinkende Wohnimmobilienpreise (−3,5 %). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wohnimmobilienpreise 2021 im Zentrum Europas tendenziell stärker gestiegen sind als an der Peripherie der Europäischen Union. Dort lag das Niveau der wirtschaftlichen Aktivität 2021 oft noch unter dem Niveau von 2008, während die Staaten im Zentrum 2021 ein Wirtschaftswachstum im Vergleich zu 2008 verzeichnen konnten.

Das Wachstum der Wohnimmobilienpreise ist im vierten Quartal 2021 im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum bei den meisten Staaten sogar höher ausgefallen als im Gesamtjahr 2021. Dies trifft insbesondere für Tschechien (+25,8 %), die Niederlande (+18,7%), Österreich (+14,9 %) sowie Polen (+12,1 %) zu. Auch Deutschland meldete mit +12,2 % einen deutlichen Preisanstieg. Der EU-Durchschnitt lag mit +10,0 % im vierten Quartal so hoch wie zuletzt 2006. Die hohe Marktliquidität auf der einen Seite und historisch niedrige, teilweise sogar Null- bzw. Negativrenditen für Geldanlagen auf der anderen Seite bei gleichzeitig niedrigen Finanzierungskosten dürften dabei eine ­Rolle gespielt haben.

Eine Beruhigung des Preisanstiegs melden lediglich fünf der 27 EU-Mitgliedstaaten: Luxemburg (+12,0 %), Belgien (+6,1 %) sowie Malta (+4,5 %), Dänemark (+4,2 %) und Finnland (+3,9 %). Mit rund 4 % fiel der Immobilienpreisanstieg in Italien und Finnland am geringsten aus. Einzig Zypern meldete im vierten Quartal einen Preisrückgang, der sich sogar auf −5,3 % verstärkte.

Das starke Wachstum der Hauspreise in den letzten Jahren ist in längerfristiger Betrachtung für einen Teil der Länder lediglich ein noch nicht abgeschlossener Aufholprozess nach kräftigen Rückgängen im Gefolge der Finanzkrise 2008. So erreichten insgesamt fünf der 19 Länder des Euro-Währungsgebietes – auch unter Berücksichtigung der besonders positiven Entwicklung von 2021 – noch immer nicht das Hauspreisniveau vor der Finanzkrise, gemessen am Jahresdurchschnitt 2008. Die Lücke zu den Höchstständen vor der Finanzkrise betrug 2021 bei den Euroländern Irland 4 %, Spanien 10 %, Italien 13 %, Zypern 19 %, und bei Griechenland sogar 29 %.  Selbst die sich für 2022 nahezu überall abzeichnende positive Entwicklung wird allenfalls in Irland dazu führen, die Lücke vollständig zu schließen.

Auf der anderen Seite verzeichneten in dieser längerfristigen Betrachtung die Wohnimmobilienpreise in Luxemburg und Österreich mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zu 2008. Deutschland und Tschechien meldeten weit überdurchschnittliche Anstiege um 87 % beziehungsweise 83 % bei einem EU-Durchschnitt von +32 %. Dies reflektiert die in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich verlaufene Entwicklung bei den Wohnimmobilienpreisen. Daten für die ersten Monate 2022 werden erst im Sommer vorliegen. Aufgrund der hohen Anstiege 2021 ist mit einem Basiseffekt zu rechnen, so dass im laufenden Jahr wohl ein etwas ermäßigter Preisanstieg im Vorjahresvergleich zu erwarten ist.

Hinweise auf längere Vermarktungszeiten deuten an, dass eine weitere Beschleunigung des Preisauftriebs nicht zwingend ist. Ankündigungen, die Liquidität der Finanzmärkte künftig knapper zu bemessen, wirken grundsätzlich marktberuhigend.  Die Zinsen für den Wohnimmobilienerwerb haben sich bereits deutlich erhöht. Zudem sind in jünsgter Zeit Effekte auf der Nachfrageseite zu beobachten, die von den Marktteilnehmern so nicht vorhergesehen wurden. Im Zuge der jüngsten kriegerischen Auseinandersetzung einsetzende Bevölkerungsbewegungen könnte die Nachfrage nach Wohnraum in Teilen Europas erhöhen, wobei diese zuerst den Mietwohnungsmarkt betreffen dürfte. Zusammenfassend lassen die vorliegenden Daten in der nächsten Zeit keine Preisumkehr bei Wohnimmobilien erwarten.

*bis 2022 Senior Expert Real Estate Statistics bei Eurostat

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.