„Die Branche hält sich mit ESG-Strategien zurück“
Im Gespräch: Alexandra Themistocli
„Die Branche hält sich mit ESG-Strategien zurück"
ESG-Chefin der SEB Deutschland sieht Banken und Unternehmen 2025 unter Druck – Carbon Removals werden wichtiger
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Die ESG-Regulierung stellt die Finanzbranche auch 2025 vor große Herausforderungen. Alexandra Themistocli, ESG-Chefin der SEB in Deutschland, spricht über regulatorische Unsicherheiten, die Bedeutung von Carbon Removals und die wachsende Rolle der Transformationsfinanzierung.
Die ESG-Regulierung stellt die Finanzbranche auch 2025 vor große Herausforderungen. Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) befindet sich derzeit in einer Überarbeitung, mit weitreichenden Folgen für Assetmanager und Banken. „Solange die regulatorischen Rahmenbedingungen unklar sind, hält sich die Branche mit neuen ESG-Strategien zurück“, sagt Alexandra Themistocli, ESG-Chefin der SEB in Deutschland.
Hürde für kleine Unternehmen
Die regulatorischen Anforderungen sind insbesondere für kleinere Unternehmen eine Hürde. Die EU-Kommission plant daher Vereinfachungen in den Vorschriften für Nachhaltigkeitsberichte, um mittelständische Unternehmen zu entlasten. „Die regulatorischen Anforderungen für kleinere Unternehmen müssen vereinfacht werden. Die Berichtspflichten sind für viele Mittelständler eine große Herausforderung“, betont Themistocli. Ein zentraler Punkt sei, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung nur dann effizient funktioniere, wenn alle Akteure entlang der Lieferkette mitziehen. Wenn kleinere Zulieferer nicht genügend ESG-Daten liefern, habe dies direkte Auswirkungen auf große Unternehmen, die ihrerseits Berichtspflichten nachkommen müssen.
Auch Klimarisiken blieben 2025 eine Herausforderung, unabhängig davon, ob sie in der öffentlichen Debatte gerade eine zentrale Rolle spielen. „Unsere Klimarisiken haben sich nicht verändert – Dürren, Überschwemmungen, Waldbrände verursachen enorme Schäden und Kosten. Die Risiken bestehen weiterhin, unabhängig davon, ob sie gerade im Fokus der Öffentlichkeit stehen oder nicht.“ Ein Beispiel für die dramatischen Folgen seien die Brände bei Los Angeles, die rund 150 Mrd. Dollar gekostet haben. Die entscheidende Frage für Unternehmen ist daher nicht, ob Nachhaltigkeit verfolgt werden soll, sondern wie hoch ihre Risikobereitschaft im Umgang mit den Folgen des Klimawandels ist.
Banken verlassen ESG-Allianzen
In den letzten Monaten haben sich einige Banken und Versicherer aus internationalen Klima-Allianzen zurückgezogen. Dies wirft Fragen auf, ob langfristige Klimaziele tatsächlich aufgegeben werden oder ob diese Austritte lediglich symbolischer Natur sind. „Viele große Banken und Versicherer haben sich von Net-Zero-Allianzen zurückgezogen, aber entscheidend ist: Werden ihre Klimaziele wirklich aufgegeben?“ Während einige Finanzinstitute ihre ESG-Strategien überdenken, bleibt die Bedeutung von Transparenz für Investoren unbestritten. „Wir stehen zu den Zielen der Net Zero Banking Alliance, Transparenz ist für Investoren unerlässlich“, so die ESG-Expertin der SEB.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sei in den kommenden Monaten die Green Claims Directive der EU, die Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Nachhaltigkeitsversprechen mit belastbaren und überprüfbaren Daten zu belegen. „Die Green Claims Directive wird dazu führen, dass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsversprechen konkret belegen müssen – reine Behauptungen reichen nicht.“ Ziel sei es, Greenwashing noch besser zu verhindern und sicherzustellen, dass Verbraucher und Investoren verlässliche Informationen erhalten. Die Richtlinie sehe strengere Regeln für Umweltaussagen vor, wodurch Unternehmen ihre ESG-Strategien präziser dokumentieren müssten.
Bedeutung von Carbon Removals
Neben der Regulierung von ESG-Berichterstattung wächst die Bedeutung von Carbon Removals, also Maßnahmen zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre. Da nicht alle Emissionen direkt vermieden werden können, werde Carbon Removal zunehmend als ergänzende Maßnahme in Net-Zero-Strategien integriert. „Carbon Removals gewinnen an Bedeutung. Die EU Green Claims Directive wird in diesem Jahr festlegen, wie diese Maßnahmen für Net-Zero-Ziele genutzt werden können.“ Neue Standards und Leitlinien, unter anderem von der Science Based Targets Initiative (SBTi) und der ISO, sollen definieren, wie diese Maßnahmen glaubwürdig genutzt werden können. „Dadurch werden sie zukünftig ein Teil der Net-Zero-Strategien von Unternehmen für ihre nicht reduzierbaren Emissionen.“
Finanzierung der Transformation
Ein zentrales Thema für die kommenden Jahre werde die Transformationsfinanzierung sein. „Es geht nicht nur darum, grüne Projekte zu fördern, sondern alle Unternehmen beim Umbau in nachhaltigere Strukturen zu unterstützen“, sagt Themistocli. Dies betreffe sowohl energieintensive Industrien als auch kleine und mittlere Unternehmen, die Investitionen für klimafreundliche Technologien benötigen.
Nachhaltigkeit bleibe auch in diesem Jahr weit mehr als nur ein Trend, sondern sei eine langfristige Notwendigkeit, um Risiken in den Portfolios zu minimieren. Die Finanzbranche stehe vor der Aufgabe, regulatorische Herausforderungen zu bewältigen und zugleich innovative Lösungen für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu fördern.