Schlimmer geht immer
Die Aktie der Credit Suisse hat in Reaktion auf die jüngste Beichte über zusätzliche Rückstellungen und Belastungen weniger als 2% eingebüßt. Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass die Nachrichten so schlimm ja nicht gewesen sein können. Zudem könnte man die Ansicht vertreten, dass die jüngsten Hiobsbotschaften geradezu harmlos erscheinen – im Vergleich mit dem Desaster der Credit Suisse rund um Archegos, ihr Debakel mit Greensill, dem Fiasko der Bank auf den Bermudas und dem Skandal rund um die „Suisse Secrets“. Ja, könnte man. Aber das wäre schon ein sehr schräger Blick auf die Dinge.
Denn dass der Aktienkurs gestern nicht noch tiefer gerutscht ist, hat sicherlich damit zu tun, dass die Notierung in den zurückliegenden Monaten – entgegen dem Branchentrend –bereits kräftig eingebüßt hat. Dass es bei den jüngsten Nachrichten um weniger spektakuläre Probleme geht als in der Vergangenheit, ist nicht wirklich beruhigend, sondern vielmehr alarmierend. Denn es dokumentiert, dass der Finanzkonzern nicht nur einige spezifische Belastungen zu bewältigen hat wie Archegos oder Greensill, sondern eben auch an vielen anderen Stellen schwächelt. Ob bei seiner Beteiligung an der Vertriebsplattform Allfunds, deren Wert korrigiert werden muss, ob im operativen Geschäft – wenn das Management etwa gestehen muss, dass das Ergebnis schlicht auch „durch eine geringere Geschäftstätigkeit“ gelitten hat.
Die Tatsache, dass zu den alten Lasten nun neue alte Lasten (Rückstellungen für Rechtsstreits vor mehr als zehn Jahren) und neue neue Lasten (Rückstellungen wegen Kreditrisiken infolge des Ukraine-Kriegs) hinzukommen, dürfte das Vertrauen in den Neuanfang im apostrophierten „Übergangsjahr“ weiter erodieren lassen. Analysten sorgen sich, dass sich die Lage der Bank weiter verschlechtern könnte – schlimmer geht immer.
Aktionärsvertreter rebellieren zusehends gegen das Management. Dem wird vorgeworfen, dass es nicht nur die Bank, sondern auch die Erwartungen am Markt schlecht steuert. Konzernchef Thomas Gottstein hatte zuletzt von einem soliden Geschäftsverlauf in den ersten zwei Monaten gesprochen. Zudem hatte er mit Blick auf das Engagement in Russland beruhigt („gut verwaltet“, „geeignete Systeme, um auf Risiken zu reagieren“). Die Führung der Bank muss aufpassen, dass sie sich mit derlei Ansagen nicht in eine Spirale des „overpromising and underperforming“ begibt, die es ihr irgendwann unmöglich macht, das Vertrauen der Aktionäre zurückzugewinnen.