Signalwirkung
Die ING geht voraus und schafft das Verwahrentgelt quasi ab, obwohl eine Zinswende in Europa nur antizipiert wird. Im Juli dürfte die Europäische Zentralbank angesichts der hohen Inflation die Zinsen erhöhen, wird spekuliert. Sicher ist das aber nicht, und selbst wenn, ist unklar, wie kräftig der Zinsschritt ausfällt und ob weitere folgen. Umso bemerkenswerter ist die frühe Festlegung der ING. Sie dürfte Signalwirkung haben.
Zwar hatte bereits die Oldenburgische Landesbank als Vorreiterin vor rund drei Wochen die Freigrenzen für Einlagen von Privatkunden, ab denen 0,50 % Strafzinsen fällig werden, angehoben. Doch als Regionalbank fehlt ihr das Gewicht, das eine der größten deutschen Banken mit mehr als 9 Millionen Kunden aufbringt. Die ING erwartet nach Drosselung der Einlagenzuflüsse nun wieder verstärkte Zuflüsse. Was Banken landauf, landab versucht haben, die Kundschaft davon abzuhalten, ihr Geld auf schnöden Konten anzulegen, verkehrt sich perspektivisch ins Gegenteil.
Sparkassen und Banken lamentierten einerseits zu Recht, dass sie Einlagenüberschüsse, die sie nicht als Kredite ausgereicht oder vernünftig angelegt bekommen, bei der Notenbank zu Minuszinsen zu parken gezwungen sind. Andererseits sind ihnen aber auch Freibeträge eingeräumt und dank der Refinanzierungsgeschäfte TLTRO III der EZB teils erkleckliche Zinseinnahmen beschert worden. Derlei (Teil-)Kompensationen hin oder her, der Unmut über die Strafzinsen, Verwahrentgelte, Negativzinsen oder wie auch immer der von Banken an ihre Kundschaft weitergereichte Zinssatz der EZB-Einlagefazilität von −0,50 % genannt wird, wird auf fast jeder Pressekonferenz überdeutlich. Die „liebevolle Umarmung der Kunden“ nehme den Instituten zunehmend betriebswirtschaftlich die Luft zum Atmen, kommentierte etwa Sparkassenpräsident Helmut Schleweis einst.
Auch wenn angesichts einer Zinswende der derzeit unliebsame Geldzufluss in absehbarer Zeit wieder erwünscht sein mag, ganz aus dem Schneider sind die Institute dann noch nicht. Weil die Kreditzinsen üblicherweise mit einer Zinsbindung von bis zu 15 Jahren festgeschrieben sind, und das zu niedrigen Sätzen, gleichzeitig aber der Druck hoch ist, die Einlagenzinsen rasch anzuheben, dürfte sich die Zinsmarge zunächst weiter einengen, statt sich zu verbreitern. Das ändert sich natürlich mit der Zeit, wenn Zinsbindungen ablaufen und Verträge – dann zu höherem Zins – angepasst werden. Aber bis dahin gehen Jahre ins Land. Bevor es besser wird, kann es zumindest für einige Institute erst schlechter werden.
(Börsen-Zeitung,