Beteiligungen

Staatsbank KfW festigt Rolle als Finanzinvestor

Stromnetze, Impfstoff, Rüstung, Post, Telekom, Flugzeuge: Das Beteiligungsportfolio, das die KfW für die Bundesregierung verwahrt, wächst stetig. Bald wird es wohl aktiver gemanagt werden.

Staatsbank KfW festigt Rolle als Finanzinvestor

Wenn die KfW sich an einem Unternehmen beteiligt, dann geschieht das in aller Regel auf Weisung der Bundesregierung nach Paragraf 2 Absatz 4 KfW-Gesetz. Berlin weist die Staatsbank an – und die KfW führt aus. So hat sich inzwischen ein Beteiligungsportfolio von üppigen Ausmaßen aufgetürmt. Was die Größe angeht, muss die KfW dabei keinen Vergleich mit den Deutschland-Beteiligungen großer Finanzinvestoren wie KKR oder Apollo, Blackstone und Carlyle scheuen. Manche der Beteiligungen sind alt, wie diejenigen am Flugzeugbauer Airbus (9,2%), der Deutschen Post (20,5%) oder der Deutschen Telekom (16,6%) – andere sind ganz neu.

Auch die Motive des Bundes variieren stark. Beim Einstieg bei dem Impfstoffhersteller Curevac (16%) ging es darum, mitten in der Pandemie einen angeblich kurz bevorstehenden Vorstoß des damaligen US-Präsidenten Donald Trump zu verhindern. Beim Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz – einer Tochter des belgischen Stromautobahnenbetreibers Elia – sollte ein chinesischer Staatskonzern außen vor gehalten werden. Bei der Rüstungsfirma Hensoldt (25,1%), die bisher dem Private-Equity-Haus KKR gehörte und die Technik zur Enttarnung von Tarnkappenbombern bereitstellt, ging es um sicherheitspolitische Interessen. Und bei der zeitweiligen Kontrolle der Mittelstandsbank IKB während der Finanzkrise hatte die Politik die Stabilität des Finanzsystems im Blick.

Neuland für Wintels

Kaum jemand weiß, wie viele Milliarden­ Euro an Wert genau in den Unternehmensbeteiligungen der KfW stecken. Allein die Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen summieren sich auf aktuell mehr als 36Mrd. Euro. Zu Szenarien für den jeweiligen Ausstieg aus den weiter bestehenden Beteiligungen hält sich die Staatsbank, deren Handeln von der Politik bestimmt wird, naturgemäß bedeckt. Finanziell sind einige Beteiligungen ein Flop: Das Kursdebakel der Telekom nach dem Börsengang 2000 brachte einen milliardenschweren Kursverlust der KfW-Anteile mit sich. Die Rettung der IKB trug während der Finanzkrise zu einem Milliardenverlust in der Ergebnisrechnung der KfW bei. Der Kurs von Curevac wiederum halbierte sich seit Anfang 2022, die Marktkapitalisierung gab auf rund 1,8 Mrd. Euro nach – einen Teil der Kursverluste muss somit auch der deutsche Staat hinnehmen.

Doch hat sich in der jüngsten Zeit etwas verschoben. Seit November 2021 steht mit Stefan Wintels ein ehemaliger Investmentbanker an der Spitze der KfW. Für mehr als ein Jahrzehnt – von 2008 bis 2021 – war Wintels Leiter des Corporate- und Investmentbankings der US-Bank Citigroup in Deutschland und Österreich. Zusätzlich war er von 2008 bis 2014 Vorstand der Citigroup Global Markets Management AG. In diesen Jahren begleitete Wintels entscheidende Transaktionen für das deutsche Investmentgeschäft, etwa die Übernahme der HypoVereinsbank durch Unicredit 2005, den Börsengang des Hafenbetreibers HHLA 2007 und die Kapitalerhöhung der Commerzbank 2011. Die Beteiligung an Unternehmen aus primär politischen Gründen dürfte für den Manager daher ungewohnt sein.

Künftig kommt der KfW womöglich eine aktivere Rolle als Eignerin zu. Ein erster Schritt in diese Richtung ist gerade erst im Dezember 2022 erfolgt: Die KfW bündelte die Auftrags- und Zuweisungsgeschäfte des Bundes im Geschäftsbereich „Generalsekretariat“ – als „Kompetenzzentrum“ für strategische Beteiligungen des Bundes. Unter dem langjährigen KfW-Manager Lutz-Christian Funke strebt die Staatsbank dabei eine „Steuerung der Beteiligungen“ an und will die Beziehungen zu Regierungen, Parlamenten und Verbänden pflegen. Die Bank will in dem neuen Segment die „erforderlichen Kompetenzen und Strukturen“ bündeln und ausbauen. Kein Wunder: Viele der Beteiligungen müssen eng kontrolliert und stetig beobachtet werden. Schließlich hängt beispielsweise vom geschickten Gaseinkauf im Ausland das Wohl und Wehe großer Teile der deutschen Wirtschaft ab.

Davon getrennt beteiligt sich die Staatsbank über die Tochter DEG an Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie über die Wagniskapitaltochter KfW Capital an jungen Technologiefirmen. Die Staatsbank handelt dabei nicht bloß auf Weisung, sondern wählt selbst aktiv Unternehmen aus.

Die nächsten großen Beteiligungen zeichnen sich bei den Übertragungsnetzbetreibern ab. Die Energiewende, die Deutschland von russischem Gas unabhängig macht, braucht schnelle Milliardeninvestitionen. Dafür mischt der Staat bei den Stromautobahnen mit. Im ersten Schritt beteiligt sich der Bund an der EnBW-Tochter Transnet BW und der Deutschland-Netztochter der niederländischen Tennet. Die KfW hat am 17. August mit EnBW eine Vereinbarung zum Vorkaufsrecht (Call Option) auf einen indirekten Minderheitsanteil an TransnetBW von 24,95% unterzeichnet.

Bei 50Hertz ist der Bund schon drin. Die Bundesregierung wollte 2019 mit der Beteiligung von 20 % zunächst nur den Einstieg des chinesischen Netzbetreibers SGCC verhindern und die Anteile eigentlich nur bei der KfW „zwischenparken“. Doch nun könnte aus den bald drei Beteiligungen an Übertragungsnetzbetreibern so etwas wie eine „Deutsche Netz AG“ entstehen: Dabei geht es um die teilweise oder vollständige Verstaatlichung der vier Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW, deren enormer Kapitalbedarf in den kommenden Jahren nur mit öffentlichen Mitteln zu stemmen sein dürfte. Fachleuten zufolge benötigen diese Netzbetreiber in absehbarer Zeit jeweils frisches Eigenkapital zwischen 3 Mrd. und 4 Mrd. Euro, um den Ökostromanteil bis 2030 auf 80 % zu steigern. Damit würde die deutsche Wirtschaft klimafreundlicher und weniger anfällig für externe Energiepreisschocks.

KfW, WSF und FMS

Nicht immer fädelt der Bund seine Beteiligungen über die KfW ein. Für den Energieriesen Uniper ermöglichte die Staatsbank zwar Kreditlinien in Milliardenhöhe, für die Beteiligung ist hingegen der Bund verantwortlich. Auch die Lufthansa, die zu Beginn der Pandemie vom Staat aufgefangen worden war, bezog von der KfW lediglich Kredite, während die Beteiligung beim Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes lag. Mittlerweile hat der Luftfahrtkonzern alle Kredite und Einlagen zurückgezahlt.

Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds kapitalisierte aber nicht nur die Lufthansa, sondern zum Beispiel auch die Reisekonzerne Tui und FTI, den Kreuzfahrschiffsbauer MV Werften und den Karstadt-Kaufhof-Konzern. In der Finanzkrise wiederum griff der Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS) etwa der Commerzbank unter die Arme und stellte Kapital für die Rechtsnachfolger von Hypo Real Estate und WestLB bereit.

Der Schwerpunkt der KfW liegt im Kreditgeschäft. Nach üppigen Hilfen­ für große und kleine Unternehmen zu Beginn der Pandemie greift die Kreditanstalt aktuell Energiekonzernen mit meist kurzlaufenden Finanzierungen unter die Arme, etwa um den Erwerb von Kohle und Gas abzusichern oder um im Strom- und Gashandel die notwendigen Sicherheiten zu stellen. Das Zusagevolumen beläuft sich per Ende Dezember auf 48 Mrd. Euro. Das Programm ist der wesentliche Grund dafür, weshalb die KfW im zurückliegenden Jahr ein rekordhohes Neugeschäft in dreistelliger Milliardenhöhe erreicht haben dürfte, nachdem schon das erste Coronajahr 2020 außergewöhnlich verlaufen war. Die Steuerung staatlicher Beteiligungen ist für die Förderbank nur eine Aufgabe von vielen.

Von Christoph Ruhkamp und Jan Schrader, Frankfurt

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