Strategie der EU für nachhaltige Finanzierung 2.0
ahe Brüssel
Die EU-Kommission hat ihre Sustainable-Finance-Strategie um fast 20 neue Vorhaben erweitert. Die Brüsseler Behörde kündigte zahlreiche gezielte Anpassungen in der schon existierenden Finanzmarktregulierung an. Betroffen sind unter anderem die Kapital-, die Versicherungs- oder auch die Aktionärsrechterichtlinien (CRD/CRR, Solvency II, SRD II). Geplant ist, Nachhaltigkeitsrisiken im sogenannten ESG-Bereich (Environment, Social, Governance) noch stärker in den Fokus zu nehmen. Auf Banken und Versicherungen kommen zudem Klimastresstests zu. EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis stellte vor der Presse in Straßburg klar, dass es auch darum gehen müsse, die Zusammenarbeit im Bereich der nachhaltigen Finanzen mit den internationalen Partnern der EU zu vertiefen: „Globale Herausforderungen erfordern auch ein globales Handeln“, betonte er.
Konkret auf dem Tisch liegen nun die Pläne der EU-Kommission für einen neuen, freiwilligen European Green Bond Standard (EUGBS). Dieser soll künftig allen Emittenten grüner Anleihen offenstehen – einschließlich solcher mit Sitz außerhalb der EU: Unternehmen, Staaten, Finanzinstituten und Emittenten von gedeckten Schuldverschreibungen und forderungsbesicherten Wertpapieren. Das wesentliche Ziel sei, einen neuen „Goldstandard“ für grüne Anleihen zu schaffen, mit dem andere, schon bestehende Marktstandards verglichen werden könnten, erklärte die EU-Kommission. Es gehe auch darum, Bedenken von Investoren hinsichtlich Greenwashing auszuräumen.
Der Standard verlangt, dass Emittenten bis zum Fälligkeitstermin der Anleihe 100% der Emissionserlöse in wirtschaftliche Aktivitäten investieren, die die Anforderungen der EU-Taxonomie erfüllen. Bei Änderungen der Taxonomie-Kriterien gibt es einen gewissen Bestandsschutz von fünf Jahren. Externe Gutachter, die bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) registriert sind, sollen die Einhaltung der Kriterien überprüfen. Der Appetit der Anleger auf grüne Anleihen ist nach Einschätzung der EU-Kommission zwar groß. Es bestehe jedoch noch Potenzial, die Umweltambitionen des Marktes für solche Anleihen noch auszuweiten und zu steigern, wozu auch ein solcher einheitlicher Standard beitragen könne, hieß es.
Erste Reaktionen auf die Brüsseler Vorhaben fielen vielfach positiv aus. „Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Kommission erkannt hat, dass für den Übergang zu nachhaltigerem Wirtschaften ein schrittweises Vorgehen und eine stärkere Differenzierung zwischen den jeweiligen Ausgangspunkten der Unternehmen im Übergangsprozess notwendig sind“, erklärte etwa Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), im Namen der Deutschen Kreditwirtschaft (DK). „Wir müssen alle Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit mitnehmen.“
„Mehr Zwischentöne“
Schleweis bezog sich auf die von der Kommission beabsichtigte Ausweitung der Taxonomie, mit der vor allem sogenannte Übergangstechnologien leichter finanziert werden sollen. Lob kam auch vom deutschen Energieverband BDEW. Zu den Übergangstechnologien gehört unter anderem auch die Gasinfrastruktur. „Mehr Zwischentöne werden die Anwendbarkeit und Akzeptanz der Taxonomie verbessern“, betonte auch der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU). Der deutsche Fondsverband BVI hob bei der Beurteilung der Kommissionsvorschläge die Bedeutung von einheitlichen internationalen Standards hervor: Diese seien wichtig, um die Umsetzung nachhaltiger Strategien in globalen Portfolien zu ermöglichen, erklärte Magdalena Kuper, Leiterin Nachhaltigkeit beim BVI. „Internationale Berichtsstandards und Zugang zu globalen ESG-Daten sollten Schwerpunkte auf der globalen Agenda der Kommission werden.“ In eine ähnliche Kerbe schlug Torsten Jäger, Leiter Nachhaltigkeit beim Bundesverband deutscher Banken (BdB): „Es wird Zeit, eine möglichst internationale Sustainable-Finance-Strategie aus einem Guss zu entwickeln.“
Dem Grünen-Abgeordneten Sven Giegold fehlen in der Strategie die sozialen Aspekte. Die Kommission wolle konkrete Vorschläge und Zeitpläne für eine soziale Taxonomie vorerst nur untersuchen, monierte er. Dabei gebe es gerade bei Kleinanlegern eine große Nachfrage nach sozialen Investments. „Wir brauchen auch hier verbindliche und glaubwürdige Standards, um soziale Schönfärberei bei Finanzprodukten zu verhindern.“