Targobank will angestammte Nische verlassen
Von Annette Becker, Düsseldorf
Nicht weniger als die Weiterentwicklung von der Retail- zur Universalbank hat sich die Targobank ins Pflichtenheft geschrieben. Mit der Übernahme der BECM Deutschland wird ein Schritt in diese Richtung unternommen, steigen die Düsseldorfer damit doch auch jenseits von Spezialfinanzierungen in das Firmenkundengeschäft ein. „Die BECM Deutschland brauchte für die Weiterentwicklung Kapital. Aus Sicht des französischen Mutterkonzerns war es strategisch konsequent, die Niederlassung in die deutsche Tochter Targobank zu integrieren“, erläutert Isabelle Chevelard, die seit Anfang 2021 an der Spitze der Targobank steht. Zum Kaufpreis will sich die vom Mutterkonzern entsandte Französin im Gespräch mit der Börsen-Zeitung allerdings nicht äußern.
Die BECM Deutschland war bislang eine Niederlassung der Banque Européenne du Crédit Mutuel (BECM), die wie die Targobank eine Tochter der französischen Bankengruppe Crédit Mutuel Alliance Fédérale ist. Die Transaktion sei als weiterer Schritt des Mutterkonzerns zu verstehen, die Position im deutschen Markt zu stärken. Bemerkenswert dabei: Deutschland wird als zweiter Heimatmarkt der französischen Bankengruppe apostrophiert. Aus Sicht der Düsseldorfer passt die „Targobank CIB“, wie die BECM Deutschland künftig heißt, ins strategische Konzept. Denn der Konsumentenfinanzierer Targobank, früher als Citibank in Deutschland aktiv, will sich aus der angestammten Nische herausbewegen.
Ansätze dazu verfolgt das Institut schon länger. So wurde 2015 eine Autobank aus der Taufe gehoben, 2016 erweiterte die Targobank im Zuge der Übernahme der deutschen Einheiten von GE Capital das Geschäft um Leasing und Factoring. Die Autobank stemmte ein Finanzierungsvolumen von 716 Mill. Euro im Jahr 2021. Im Leasing-, Factoring- und im Investitionskreditgeschäft brachten es die Düsseldorfer im vorigen Jahr auf ein Kreditvolumen von 6,5 Mrd. Euro.
Mit der BECM Deutschland wird das Kreditbuch mit Firmenkunden deutlich ausgebaut. „Die BECM Deutschland bringt eine Bilanzsumme von 8 Mrd. Euro und etwa 800 Kundenbeziehungen mit“, erläutert Chevelard. Zu den Kunden gehören Firmen aus dem gehobenen Mittelstand in Deutschland und Töchter von französischen Unternehmen. Die erworbene Gesellschaft bietet Unternehmens- und Sonderfinanzierungen, die Finanzierung von Gewerbeimmobilien sowie Produkte rund um den Zahlungsverkehr an. Sitz der Targobank CIB ist und bleibt Frankfurt, auf der Payroll stehen annähernd 80 Namen.
„Für die Targobank handelt es sich um ein neues Geschäftsfeld, das dazu beiträgt, die Erträge zu diversifizieren“, sagt Chevelard. Dass mit neuem Geschäft auch andere Risiken einhergehen, will die Managerin nicht überbetonen. „Die Risikostruktur der Targobank verändert sich nicht wesentlich, denn bei den Kunden handelt es sich in der Regel um solide, familiengeführte oder familienkontrollierte Unternehmen aus dem gehobenen Mittelstand“, erklärt die 58-Jährige.
Dass sich die Banken im deutschen Mittelstand schon heute die Klinke in die Hand geben, beeindruckt Chevelard wenig. Die BECM habe in den vergangenen 20 Jahren „mit wenig viel erreicht“, jetzt könne sie auch auf die Ressourcen der Targobank zurückgreifen. „Ins Visier genommen werden vor allem Kunden mit einem Jahresumsatz von 500 Mill. Euro oder mehr, also die Zielgruppe, die zum Beispiel die Commerzbank bedient“, sagt Chevelard.
Als Kampfansage an die etablierten Banken will Chevelard die Strategie aber nicht verstanden wissen. „Wir werden keine marktunüblichen Kreditkonditionen bieten, sondern setzen auf die Expertise unserer Kundenbetreuerinnen und -betreuer“, beschwichtigt die Targobank-Chefin. Gleichwohl ist die Zuversicht nicht zu überhören: „Auch wenn wir ein kleiner Spieler im Markt sind, sehen wir großes Entwicklungspotenzial. Dieses wollen wir heben.“
Wunsch nach Diversifikation
Der Wunsch nach einer breiteren Aufstellung erstreckt sich aber auch auf das Privatkundengeschäft. „Unser Mutterkonzern will in Deutschland ein Versicherungsgeschäft aufbauen“, erläutert Chevelard in diesem Zusammenhang. Zwar verkauft die Targobank auch heute schon Versicherungen unter der eigenen Marke. Das Geschäft fließt aber in die Bücher der Talanx, mit der die frühere Citibank einen langfristigen Exklusivvertrag abgeschlossen hatte. Das war den Franzosen schon bei der Übernahme 2008 ein Dorn im Auge.
Eine breitere Aufstellung der Targobank empfiehlt sich gerade in diesen Tagen. Denn Energiekrise und Inflation drücken die Konsumlaune. Das dürfte das Ratenkreditgeschäft, das Kernsegment der einst als Kundenkreditbank (KKB) gestarteten Bank, absehbar dämpfen. Gleichwohl gibt Chevelard Entwarnung: „Unser Konsumentenkreditgeschäft läuft gut. Von Konsumzurückhaltung spüren wir noch nicht allzu viel.“
Dennoch ist sich die Bankerin, die vor ihrem Wechsel zum Crédit Mutuel das Verbraucherkreditgeschäft von BNP Paribas geleitet hatte, der gestiegenen Risiken bewusst. „Wir agieren in der Kreditvergabe inzwischen vorsichtiger“, räumt die Managerin ein. So wurde beispielsweise die Mindestschwelle für das monatliche Nettoeinkommen der Kreditkunden von 600 auf 1 000 Euro angehoben. „Wir haben die Risikovorsorge erhöht, befürchten aber keine Welle an Kreditausfällen“, sagt Chevelard und zieht die Parallele zur Coronakrise, in der anfänglich auch eine riesige Insolvenzwelle befürchtet wurde, zu der es bis heute nicht gekommen ist.
Zwar profitieren die Banken einerseits von den gestiegenen Zinsen. Andererseits bringt die anziehende Inflation auch Belastungen mit sich. Von Trübsalblasen ist die Targobank-Chefin jedoch weit entfernt, auch wenn nach ihrer Einschätzung die Risiken aktuell überwiegen: „Die Lage ist ernst, dennoch bin ich optimistisch.“