US-Banken drängen in unbesicherte Kredite
Von Alex Wehnert, New York
US-Banken streben nach Cash – und nehmen eine hohe Zinsbelastung in Kauf, um ihre Liquidität zu sichern. So haben die Trading-Volumina am Federal-Funds-Markt zuletzt rekordverdächtige Niveaus erreicht: Am 27. Januar fielen sie mit 120 Mrd. Dollar so hoch aus wie an keinem anderen Tag im bis 2016 zurückreichenden Datensatz der Fed von New York. Am vergangenen Donnerstag lagen sie mit 99 Mrd. Dollar noch weit über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre.
Am Federal-Funds-Markt interagieren staatlich gestützte Kreditanstalten mit Geschäftsbanken: Bei einem typischen Trade verleiht eine der elf Federal Home Loan Banks (FHL) über Nacht überschüssige Mittel, ohne dafür Sicherheiten zu verlangen. Denn die Institute, deren Geschäftszweck die Refinanzierung von Hypothekarkrediten ihrer über 6500 Mitgliedsbanken und -Versicherer ist, können anders als private Geldhäuser nicht einfach Zinsen auf ihre bei der Federal Reserve geparkten Cash-Reserven verdienen.
Kreditnehmer sind dabei traditionell vor allem ausländische Banken, die sich am Fed-Funds-Markt Geld leihen und dieses bei der US-Notenbank liegen lassen, um darauf Zinserträge einzunehmen. Zuletzt sind aber auch US-Finanzinstitute zunehmend in das Segment eingestiegen.
Ihr Anteil an Fed-Funds-Leihgeschäften ist laut der britischen Großbank Barclays zuletzt auf 25% gesprungen, 2021 habe er über lange Strecken noch bei 5% gelegen. Die hohe Nachfrage treibt dabei die Kosten: Die höchsten Zinssätze im Markt lagen zuletzt 15 Basispunkte über der Zielspanne der Federal Reserve, die nach der jüngsten Erhöhung 4,5 bis 4,75% beträgt. Bis Oktober lagen noch fast alle Trades unterhalb des damals gültigen Leitzinses.
Flucht aus Sparkonten
Bank of America verweist darauf, dass US-Kreditinstitute unter Druck stünden, regulatorische Liquiditätsvorgaben zu erfüllen – und damit zu kämpfen hätten, dass Kunden auf der Suche nach höheren Anlageerträgen verstärkt Mittel aus Sparkonten abzögen. Laut dem jüngsten Bericht des staatlichen Sicherungsfonds FDIC sind die Einlagen der US-Banken im zweiten und dritten Quartal 2022 so stark gesunken wie nie seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 1984. Sie fielen um 370 und 206 Mrd. Dollar, was die ersten zwei aufeinanderfolgenden Quartale mit Rückgängen seit 2010 bedeutete.
In den Jahren 2020 und 2021 schossen die Einlagen noch in die Höhe – einige Finanzinstitute hielten ihre Unternehmenskunden damals gar dazu an, Cash-Reserven auszugeben oder zu anderen Geldhäusern zu verschieben. Denn der Anstieg der Total Assets zog die Sorge nach sich, dass Banken ihr Eigenkapital in größerem Stil aufstocken müssten, um regulatorische Anforderungen zu bedienen, oder gezwungen sein würden, neue Einlagen abzulehnen.
Seither hat sich das Bild deutlich gewandelt: Insbesondere Community Banks – also kleine, lokal verwurzelte Institute – können Kunden derzeit in vielen Fällen keine Zinsen bieten, die mit den Renditen von Treasuries oder Geldmarktfonds mithielten. Die gesamten versteuerbaren Assets in letztgenannten Vehikeln sind laut der Ratingagentur Fitch im Dezember um 279,5 Mrd. Dollar gestiegen. Im Januar sei ein weiterer Sprung um 287,2 Mrd. Dollar gefolgt.
Um ihre Bilanzen zu stärken, zapfen US-Kreditinstitute daher einerseits verstärkt die Notfall-Kreditfazilität der Federal Reserve an. Die in Anspruch genommenen Kredite aus dem „Discount Window“ überschritten im Schlussquartal 2022 erstmals seit 2020 ein Volumen von 9 Mrd. Dollar. Andererseits versorgen sich Geldhäuser eben zunehmend über FHL Banks mit Cash.
Die Hypothekeninstitute bevorzugen es angesichts der allgemeinen Liquiditätsknappheit laut Analysten derzeit, ihre Gelder kurzfristig anzulegen, um ihren Mitgliedsgesellschaften bei Bedarf schnell Mittel bereitstellen zu können. Damit tragen sie ebenfalls zu steigenden Volumina am Fed-Funds-Markt bei. Laut Ökonomen ist weiter mit hoher Aktivität zu rechnen. Schließlich habe die US-Notenbank ihren Straffungskurs zwar verlangsamt, ein Ende der Kontraktion sei aber nicht in Sicht. Damit stehe ein anhaltender Cash-Andrang bevor – auch zu hohen Kosten.