EZB-Klimatest

Von Risiken und einer steilen Lernkurve

Der diesjährige EZB-Klimastresstest kann den Banken als Katalysator für die Weiterentwicklung von Risikomodellen, Datenanforderungen und Prozessen dienen.

Von Risiken und einer steilen Lernkurve

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Ergebnisse ihres ersten Klimastresstests veröffentlicht. Dabei sparte sie nicht mit Kritik. Vor allem fehle es den Bankinstituten an einer ausreichenden Datengrundlage und auch die internen Modelle und Richtlinien seien noch nicht hinreichend an die Herausforderungen des Klimawandels angepasst. Dennoch kann der Stresstest insgesamt als Erfolg gewertet werden. Wie lässt sich dieser vermeintliche Widerspruch erklären?

Nach europäischen Vorgaben führen die Aufsichtsbehörden zur Überprüfung der individuellen Risikoprofile der Banken jährlich einen aufsichtlichen Stresstest durch. Sie prüfen damit, ob die Banken über genügend Kapital und ein angemessenes Risikomanagement verfügen, um mög­lichen wirtschaftlichen und finanziellen Schocks standzuhalten. Unter den Teilnehmern sind auch deutsche Banken, darunter zahlreiche öffentliche Banken. Jedes zweite Jahr hat der Stresstest einen Themenschwerpunkt. Dieses Jahr ist es das Klimarisiko.

Die Berücksichtigung von Klimarisiken stellt eine immense Herausforderung für Banken und Aufsichtsbehörden dar. Sie müssen noch lernen, damit umzugehen, denn Klimarisiken sind erst in den vergangenen Jahren in den Fokus gerückt. Ein besonderes Problem stellt der mit bis zu 30 Jahren lange Zeithorizont dar. Außerdem fehlen oftmals die klimabezogenen Daten, da diese in der Vergangenheit nicht relevant waren und daher noch nicht erhoben wurden. Schließlich handelt es sich beim Klimawandel nicht um ein zyklisch wiederkehrendes Ereignis, sodass aus den beobachteten Verlusten nicht auf zukünftige Ereignisse geschlossen werden kann.

Aus diesen Gründen hat die EZB bereits zum Start der Übung klar zum Ausdruck gebracht, dass sie den Test als „gemeinsame Lernaufgabe“ für die Banken und die Aufsicht versteht. Es ging vor allem um eine Einschätzung, welchen Klimarisiken die Banken ausgesetzt sind beziehungsweise welche Assets in den Bankportfolios besonders anfällig dafür sind und wie sie mit diesen Risiken umgehen. Die Übung stellte daher nur auf die vermeintlich besonders klimasensitiven Branchen und Kunden ab.

Der Klimastresstest ist modular aufgebaut: Im ersten Modul wurde der aktuelle Umsetzungsstand der Methoden zum Management von Klimarisiken in den Banken erhoben. Das zweite Modul hatte das Engagement der Banken in CO2-intensiven Branchen zum Gegenstand. Nur die größten Banken hatten in Modul drei zu ermitteln, wie sie sich in mehreren Klimaszenarien schlagen würden: In der kurzfristigen Betrachtung der physischen Risiken waren dies eine schwere Dürre und eine große Überflutung.

Zur Simulation der mittelfristigen transitorischen Risiken, also der Risiken des Übergangs in eine CO2-neu­trale Wirtschaft, wurde ein starker Anstieg der CO2-Preise über drei Jahre unterstellt. Schließlich sollten auch die langfristigen Auswirkungen auf dem Transitionspfad bis zum Jahr 2050 betrachtet werden. Dazu wurden die von den Aufsichtsbehörden entwickelten Klimaszenarien des „Network for Greening the Financial System“ herangezogen. Die strategischen Erwägungen der Banken für den langen Zeithorizont spielten dabei eine grundlegende Rolle. Der kurz- und mittelfristigen Analyse der physischen und transitorischen Risiken zufolge würden Klimarisiken zu vergleichsweise moderaten Verlusten im Markt- und Kreditrisiko führen. Die konkrete Betroffenheit der Institute hängt allerdings maßgeblich von den Regionen und Branchen ab, in denen sie sich engagieren. Auch geht die EZB davon aus, dass die tatsächlichen Auswirkungen unterzeichnet würden, da nur ein Ausschnitt der Bankportfolien be­rücksichtigt und die Projektionen lediglich von 41 der 104 teilnehmenden Institute erstellt wurden.

Auf Schätzungen verlassen

Zudem hätten sich die Institute aufgrund der bestehenden Datenlücken oftmals auf Schätzungen verlassen müssen. Nach Auffassung der EZB stehen die Banken bei der internen Berücksichtigung der Klimarisiken erst am Anfang und müssten ihre Anstrengungen in nächster Zeit deutlich intensivieren. Auch müssten sie sich bei ihren strategischen Erwägungen besser auf die Risiken und Chancen des Übergangs auf eine CO2-neutrale Wirtschaft vorbereiten.

Dieses Resümee kann angesichts der Ausgangslage nicht verwundern. Es wird für die Banken Ansporn sein, ihr Management aufgrund der ge­wonnenen Erkenntnisse weiter zu ver­bessern. Warum kann der Stresstest trotzdem als Erfolg gewertet werden?

Mit der Übung ist ein wichtiger Schritt zu einer stärker quantitativ orientierten Betrachtung von Klimarisiken gemacht worden. Die Banken haben erstmalig in größerem Um­fang Daten zu den CO2-Emissionen ihrer Kunden und Energieeffizienzen der als Sicherheit herangezogenen Immobilien gesammelt. Sofern keine internen Daten verfügbar waren, haben sie externe Daten oder Expertenschätzungen einfließen lassen.

Trotz aller damit verbundenen Unsicherheiten haben sie schließlich die Auswirkungen der vorgegebenen Klimaszenarien auf lange Sicht simuliert. Die EZB konnte sich so vom aktuellen Umsetzungsstand der Stressanalysen der Institute ein Bild machen. Auf Basis der zugelieferten Daten konnte sie zudem erste übergreifende Peergroup-Vergleiche zu finanzierten Treibhausgas-Emissionen in den Bankportfolien durchführen. Schließlich konnte sie sich auch davon überzeugen, dass die Banken die relevanten Methoden und Szenarien verarbeiten können.

Gegenläufige Effekte

Zwar haben gegenläufige Effekte innerhalb der Szenarien die Stärke der Klimaschocks abgemildert. Es darf aber nicht vergessen werden, dass Klimarisiken für Banken und Aufseher „Neuland“ sind: Klimadaten zu Kunden und Sicherheiten müssen gesammelt oder geschätzt, neue Methoden etabliert und Bankprozesse angepasst werden.

Zudem müssen sich viele Standards erst herausbilden, zum Beispiel für die Ermittlung der Emissionsdaten von Kunden. Darüber hinaus sind die Ergebnisse mit einer hohen Unsicherheit behaftet: Szenarioanalysen über zehn Jahre oder mehr sind derzeit vergleichbar mit dem Blick in eine Glaskugel. Ge­schäftsmodelle können sich über diesen langen Zeitraum grundlegend ändern. Die Schätzmethoden müssen daher vielfach noch validiert werden.

Verbindliche Anforderungen

In Zukunft ist mit verbindlicheren Anforderungen in diesem Bereich zu rechnen. Das betrifft sowohl die Vorgaben der europäischen Bankenrichtlinie als auch die anstehenden Veröffentlichungen der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in die Mindestanforderungen an das Risikomanagement der deutschen Aufsicht. In Vorbereitung auf künftige Stresstests werden die Anforderungen weiterentwickelt und die Prüfmethodik verfeinert.

Wünschenswert ist hierbei eine verbesserte Transparenz über die Peergroups und die damit verbundene Ergebnisfindung. Zudem sollte in Zukunft stärker auf die gemeldeten Spezifika der Institute eingegangen werden. Dies ist gerade für den deutschen Bankenmarkt wünschenswert, der in seiner Struktur Besonderheiten aufweist. Als Katalysator für die Weiterentwicklung von Risikomodellen, Datenanforderungen und Prozessen hat der diesjährige Stresstest bereits Grundlagenarbeit geleistet – und eine steile Lernkurve ermöglicht.

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