Sustainability-Investments

Vorsicht vor Skandalisierung

Die Vorwürfe bei der DWS in Sachen Sustainability-Investments müssen aufgeklärt werden. Die Branche tut aber sehr gut daran, nicht gleich einen Skandal auszurufen. Denn in diesem Markt sind noch viele Hürden zu nehmen.

Vorsicht vor Skandalisierung

Wissen Sie, was ein Green Bond ist? Natürlich! Das sind zweckgebundene Anleihen, mit deren Erlösen grüne Projekte – etwa im Bereich der erneuerbaren Energien ein Windpark – finanziert werden. Und was ist ein Social Bond? Klar! Damit werden soziale Projekte finanziert. Und wie sieht es mit Sustainability-Bonds aus? Bei der ganzen Nachhaltigkeitsduselei, die einen im Alltag umgibt, wird es da für Otto Normalbürger schon schwerer mit der Definition. Und wie grenzt sich der Nachhaltigkeitsbond von der Sustainability-Linked-Anleihe ab? Spätestens jetzt ziehen  wohl mehr als 90 % der Otto Normalanleger die Augenbrauen hoch. Und was hat das alles mit den Greenwashing-Vorwürfen bei der DWS zu tun? Jede Menge!

Damit nicht der falsche Eindruck entsteht: Die Vorgänge bei der DWS, bei der angeblich im Bereich der Nachhaltigkeitsinvestments zu lax mit den entsprechenden Kriterien umgegangen worden sein soll, verlangen Aufklärung. Bislang hat es aber den Status von Vorwürfen einer ehemaligen Mitarbeiterin. Und es gilt – wie immer bis zum Beweis – die Unschuldsvermutung. Aber die Branche von Green und Sustainable Finance samt den Medien sollte sich hüten, gleich von einem Green-, Social- oder Sustainability-Washing-Skandal zu sprechen. Denn angesichts des Entwicklungsgrades des Marktes lassen sich noch viele Skandale bilden.

Noch ein weiter Weg

Noch ein weiter Weg2007 wurde der Green-Bond-Markt von der in Luxemburg ansässigen Europäischen Investitionsbank (EIB) – die Bank der EU – aus der Taufe gehoben. Er hat sich zur Erfolgsgeschichte entwickelt, aber erst in den vergangenen fünf bis sechs Jahren so richtig Fahrt aufgenommen. Heute hat der Markt laut Bonddata ein ausstehendes Volumen von grünen, sozialen und nachhaltigen Anleihen von umgerechnet rund 1,9 Bill. Dollar. Schätzungen zufolge entspricht das ca. 3 bis 4 % des globalen Bondmarktes (je nach Abgrenzung). Der Markt gilt zwar als im Mainstream angekommen, bis aber der gesamte Bondmarkt vollends grün, sozial und nachhaltig ist, hat er offenkundig noch einen weiten Weg vor sich.

Und auf diesem Weg sind noch viele Hürden zu nehmen. Es gibt zwar schon Marktstandards. Zu nennen sind zuallererst die Green und Social Bond Principles (samt ihren weiteren Ausgestaltungen) der International Capital Market Association (ICMA), also freiwillige Prozessleitlinien für die Emittenten solcher Anleihen. Es gibt auch eine Taxonomie für Green Finance. Aber es ist eben auch noch viel zu entwickeln. Es gibt bis heute keine anerkannte Ausbildung in diesem Bereich. Labels und Ratings verwenden unterschiedliche Definitionen, Abgrenzungen bzw. Metrics und kommen deshalb auch zu unterschiedlichen Ergebnissen, Aussagen und Bewertungen. Es fehlt an einheitlichen Reporting-Standards für Unternehmen und andere Institutionen. Dort, wo es an allgemeinen, übergeordneten Standards, Definitionen/Abgrenzungen und Metrics fehlt, kommen hauseigene Definitionen zum Einsatz, was wiederum Interpretationsspielraum bedeutet. Zentralbanken fahren bei der Implementierung grüner bzw. nachhaltiger Elemente in der Geldpolitik wiederum eigene Ansätze in Sachen Definition und leiten eigene Handlungsansätze ab.

Was ist denn heute ein braunes Asset, und was ist morgen ein braunes Asset? Und wie muss man damit umgehen und vor allem wie schnell muss man damit im Portfolio umgehen? Das sind alles Aspekte und Fragen, die in den kommenden Jahren zu beantworten sind. Viele Diskussionen wird es darüber geben und noch mal so viele Meinungen und Abgrenzungen. Es fehlt einfach der Schalter, den man für alle umlegen kann, so dass jeder von jetzt auf gleich korrekt grün und nachhaltig ist.

Aber man sollte sich hüten, immer gleich einen Skandal ausrufen zu wollen. „Manchmal entstehen Skandale, weil jeder glauben möchte, dass es sich um einen Skandal handelt. Die Wahrheit geht dabei verloren – auch weil die Angelegenheit zu komplex ist“, sagte vor gut zwei Jahren Andreas Utermann, seinerzeit Chef des globalen Assetmanagers Allianz Gobal Investors (AGI) im Interview mit dieser Zeitung zu etwaigen Greenwashing-Skandalen. Das könne dann zu einem sehr weitreichenden Punkt mit vielen Implikationen werden. Ein Risiko ist dabei, dass etwas aufgebauscht wird, weil es für manche Beteiligten förderlich erscheint, einen Skandal zu haben. Womöglich handelt es sich dann aber nicht um eine Skandalgeschichte, und die Wahrheit droht auf der Strecke zu bleiben. Vorsicht vor zu schneller Skandalisierung.

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