Vorsichtiges Aufatmen in Europas Tech-Szene
kro Frankfurt
Nach der Zusicherung der US-Regierung über eine Absicherung der Einlagen des kollabierten US-Start-up-Finanzierers Silicon Valley Bank (SVB) und der Übernahme der britischen Tochter durch die HSBC schwankt die deutsche und europäische VC-Szene zwischen Erleichterung und erhöhter Alarmbereitschaft. „Wir beobachten die Entwicklung rund um die Silicon Valley Bank sehr genau“, sagte der Geschäftsführer des deutschen Start-up-Verbands Christoph Stresing am Montag. „Das Ausmaß und insbesondere die mittelbaren Auswirkungen auf das deutsche Start-up-Ökosystem können aktuell noch nicht abschließend beurteilt werden.“
Die Entscheidung der US-Behörden in Hinblick auf die Sicherung der Einlagen bei der SVB sowie der Kauf der Silicon Valley Bank UK durch die HSBC seien positive Entwicklungen, „die einen wesentlichen Beitrag zur Entschärfung der aktuellen Situation leisten werden“, so Stresing weiter.
Auch Ulrike Hinrichs, Geschäftsführerin des Bundesverbands Beteiligungskapital, begrüßte die jüngsten Entwicklungen und forderte mehr Schlagkraft der zuständigen Behörden: „Eine gut funktionierende Bankenaufsicht, die Risiken richtig abschätzt und solche Pleiten von vornherein verhindert, ist das Gebot der Stunde – auch hier in Deutschland.“ Hinrichs verwies auf den Fall Wirecard, der viele Fragen offengelassen habe. „Eine Reform der Bankenaufsicht scheint an einigen Stellen notwendig, die dann mit qualifiziertem Personal auch solche Pleiten verhindern kann“, ergänzte sie.
Start-ups gewinnen Einfluss
Wagniskapitalgeber in Europa sehen in der Übernahme der britischen SVB-Tochter durch die HSBC ein Zeichen dafür, dass die Start-up-Szene in den vergangenen Jahren an Bedeutung dazugewonnen hat. „Es zeigt, wie relevant die Venture-Tech-Szene auch im politischen System mittlerweile erachtet wird“, sagt Nikolas Samios, Managing Partner bei der auf Immobilientechnologien spezialisierten Venture-Capital-Plattform PT1 aus Berlin, der Börsen-Zeitung. Am Wochenende hatten die Führungskräfte von rund 180 Tech-Unternehmen in Großbritannien in einem offenen Brief an Finanzminister Jeremy Hunt davor gewarnt, dass ein Verlust der Einlagen bei der SVB das Potenzial hätte, den Sektor lahmzulegen und das Ökosystem um 20 Jahre zurückzuwerfen. „Die Szene wird nicht nur als wichtiger wahrgenommen, sie ist auch besser organisiert“, sagt Samios. „Das hat sicher auch mit dazu beigetragen, dass jetzt eine für Großbritannien eigentlich nicht systemkritische Bank mit staatlicher Unterstützung privatwirtschaftlich gerettet wurde.“
Hierzulande steht ein Fall wie in den USA, wo der größte Bankenkollaps seit der Finanzkrise 2008 die dortige Start-up-Welt kurzfristig in Panik versetzt hat, aus Sicht von Samios nicht zu befürchten. „Wir haben in Deutschland bei Weitem keine solche Zentralisierung und dementsprechend keine systemkritische Start-up-Bank“, sagte der Investor. Stattdessen gebe es viele Banken, die deutlich konservativer aufgestellt seien als die SVB. Zwar hätten sich in der Vergangenheit diverse Finanzinstitute durchaus darum bemüht, in der Start-up-Szene ein wenig stärker Fuß zu fassen. „Letztendlich bleiben Start-ups in Deutschland wegen des höheren Risikos aber trotzdem immer so etwas wie die ungeliebten Kunden, die keine wirklich enge Beziehung mit ihren Banken haben“, ergänzte er.
Ob hiesige Start-ups durch den Kollaps der SVB künftig mit einer noch höheren Risikoaversion der Banken und dadurch mit einem noch schwierigeren Finanzierungsumfeld rechnen müssen, ist laut Samios schwer zu beurteilen. „Das ist noch zu früh zu sagen“, so der VC-Manager. „Das Problem kam ja nicht von den Start-ups, sondern wegen eines Treasury-Fehlers der Bank.“