Albrecht Kiel, Visa

„Wir erwarten einen weiteren Anstieg“

Die Corona-Pandemie hat erhebliche Auswirkungen auf das Zahlungsverhalten. Statt mit Bargeld wird immer öfter digital bezahlt. „Wir haben innerhalb weniger Wochen und Monate eine Entwicklung gesehen, die sonst Jahre gebraucht hätte“, sagt Albrecht...

„Wir erwarten einen weiteren Anstieg“

Von Karin Böhmert, Frankfurt

Die Corona-Pandemie hat erhebliche Auswirkungen auf das Zahlungsverhalten. Statt mit Bargeld wird immer öfter digital bezahlt. „Wir haben innerhalb weniger Wochen und Monate eine Entwicklung gesehen, die sonst Jahre gebraucht hätte“, sagt Albrecht Kiel, Zentraleuropa-Chef von Visa, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Zahlungskonzerne wie Visa haben in den vergangenen Jahren ihre Leistungspalette an digitalen Bezahlmöglichkeiten sukzessive ausgebaut, doch die Verbraucher nutzten diese Angebote bisher eher verhalten. Das hat sich inzwischen radikal verändert. Infolge der Pandemie mit den erforderlichen Abstandsregeln dürfte so mancher Verbraucher froh sein, kontaktlos bezahlen zu können. Das wird auch eifrig genutzt, wie die Zahlen von Visa belegen. Mit 80% sei die Mehrzahl der Visa-Transaktionen am Point of Sale (POS) in Deutschland im März 2021 kontaktlos erfolgt, berichtet Kiel. Dies sei auf Jahressicht ein Anstieg des Kontaktlos-Anteils um 20% und um mehr als 155% innerhalb von zwei Jahren hinsichtlich der absoluten Anzahl kontaktloser Zahlungen – allerdings ausgehend von einer damals noch niedrigen Basis. Speziell im Lebensmitteleinzelhandel würden inzwischen zwei von drei Transaktionen mit Visa kontaktlos erfolgen – mit steigender Tendenz.

„Damit ist bereits heute eingetreten, was wir erst in Jahren prognostiziert haben“, betont Kiel. In Europa liegen die Zahlen ähnlich. 80% der Visa-Transaktionen im stationären Handel erfolgten kontaktlos, 75% sogar ohne die Eingabe einer PIN. Innerhalb des letzten Jahres liefen über Visa in Europa eine Milliarde zusätzliche kontaktlose Transaktionen ohne PIN. Kiel erklärt diesen enormen Anstieg mit der europaweiten Erhöhung der Limits, bis zu denen bei einer kontaktlosen Bezahlung die Eingabe einer PIN nicht erforderlich ist. In Deutschland liegt dieses Limit bei 50 Euro, in der Schweiz wurde es zum Beispiel auf 80 sfr erhöht.

Im E-Commerce erlebt auch das Online-Bezahlen mit Visakarten einen „riesigen Boom“, betont Kiel. Innerhalb eines Jahres seien in Deutschland über Visa 25% mehr Online-Transaktionen durchgeführt worden. Zugleich verdoppelte sich die Anzahl der Mobilzahler bereits mit Stand Juni letzten Jahres auf 12%. „Wir erwarten einen weiteren Anstieg“, sagt Kiel ohne eine genaue Zahl zu nennen.

Entscheidend für den Erfolg sei auch die Einführung der Visa-Debitkarte in Deutschland gewesen, die von verschiedenen Banken ausgegeben wird, darunter ING, Consors, HypoVereinsbank und Comdirect sowie viele Fintechs. Weitere Institute würden noch in diesem Jahr folgen, kündigt Kiel an.

Die Visa Debitkarte treffe den Wunsch der Verbraucher nach einer digital verfügbaren, weltweit akzeptierten Karte, die alle Zahlungsverfahren kombiniert, wie dies auch eine Yougov-Umfrage im Januar bestätige. Der zufolge wünschen 80% der befragten Verbraucher eine Zahlungskarte, die sowohl online, mobil als auch am POS einsetzbar ist. 69% wünschen eine direkte Abbuchung vom hinterlegten Konto und 63% wollen nur eine einzige Karte, die alles über POS, mobil und online abdeckt.

„Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen unsere Visa-Debit-Strategie“, betont Kiel. Denn dank der Verknüpfung der Debitkarte mit dem Bankkonto erhalte der Nutzer immer eine Übersicht über seine Ausgaben, was Marktforschungsergebnissen zufolge eine große Mehrheit der Befragten wünscht. Die Visa Debitkarte ähnelt damit der in Deutschland gebräuchlichen Girocard, die allerdings nicht im E-Commerce online einsetzbar ist. Debitkarten werden in Deutschland insbesondere für den alltäglichen Bedarf eingesetzt, während Kreditkarten häufig auch für größere Ausgaben genutzt werden. Kreditkarten, bei denen der Nutzer über die kartenausgebende Bank einen Kredit in Anspruch nimmt, werden in Deutschland von darauf spezialisierten Instituten ausgegeben.

Auch nach Abklingen der Corona-Pandemie werde das Bezahlverhalten künftig digitaler sein, insbesondere der Onlinehandel bleibe stark, erwartet Kiel. Dieser Trend verstärke sich noch, denn viele würden feststellen, „wie einfach das ist“. Anbieter, ob stationär oder im E-Commerce, seien dadurch quasi gezwungen, Bezahlverfahren über alle Kanäle hinweg anzubieten. Stärker will sich Visa dabei für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) engagieren, denn diese würden eine entscheidende Rolle beim Wirtschaftsaufschwung nach Corona spielen, wenn das Konsumverhalten wieder anzieht. Dabei gehe es um den Aufbau einer Online-Präsenz mit Omnikanal-Zahlungsverfahren.

In Deutschland habe Visa ihre lokale Präsenz stark ausgebaut, um Partner vor Ort zu betreuen. „Wir haben unser Personal seit 2016 verfünffacht“, betont Kiel. Visa baut bei der Umsetzung ihres Geschäftsmodells auf Partnerschaften mit Händlern, Banken, Big Tech bis hin zu Fintechs. „Partnerschaften sind essenziell“, sagt Kiel, „denn wir wollen Banken helfen, wettbewerbsfähig zu sein.“ Ein Kanal, über den künftig vermehrt Zahlungen erfolgen werden, sei „Tap to Phone“, wobei mobile Android-Geräte in Zahlungsterminals verwandelt werden. Händler jeder Größe – vom Taxifahrer, Friseur und Bäcker bis hin zum Einzelhandel – könnten dadurch kontaktlose und PIN-authentifizierte Zahlungen akzeptieren. Noch in diesem Jahr will Visa auf der Tap-to-Phone-Technologie basierende Lösungen in Deutschland starten, kündigt Kiel an. Weltweit biete Visa diese Technologie bereits heute in 35 Märkten an; 13 weitere würden dieses Jahr noch hinzukommen.

Der nächste Schritt sind Echtzeitzahlungen, die Visa mit „Visa Direct“ bereits seit längerem für Banken und andere Partner anbietet. Möglich sind Zahlungen zwischen Firmenkunden (Business to Business, B2B) oder von Firmenkunden zu Konsumenten (B2C) oder zwischen einzelnen Personen (P2P). Ein Beispiel liefere Brasilien, wo das Unternehmen Facebook schnelle und sichere P2P-Zahlungen über Whatsapp anbietet und dabei auf Visa Direct setzt. Noch gibt es keine P2P-Bezahllösungen von Banken mit Visa Direct in Deutschland. Wenn sich Banken in Deutschland dazu entscheiden, P2P-Zahlungen für ihre Kunden anzubieten, könne die Funktion zum Beispiel über die Mobile-Banking-App oder per SMS-Verfahren genutzt werden. „Zahlungen in Echtzeit funktionieren bereits mit Karten“, sagt Kiel mit Blick auf die Instant-Payment-Initiative von Zentralbanken und der Kreditwirtschaft, die ohne ein auf Karten basiertes System auskommen will.

Für die European Payment Initiative (EPI), die an einem europaweit einheitlichen Zahlungssystem basierend auf eigenen Karten arbeitet statt der derzeit noch 13 nationalen Zahlungssysteme, zeigt sich der Zentraleuropa-Chef von Visa offen. „Wir sind offen dafür, zu schauen, wie wir mit EPI zusammenarbeiten können, um es mit unserem Netzwerk, unseren Fähigkeiten und Services zu unterstützen, denn wir haben ein sicheres System, das weltweit 70 Millionen Akzeptanzstellen verbindet.“

Zunehmend würden sich Konsumenten auch mit Kryptowährungen auseinandersetzen. Visa ist in diesem Bereich ebenfalls aktiv und setzt dabei auf etliche Partnerschaften. Dadurch könnten Verbraucher über ihre Visakarten Kryptowährungen oder Stablecoins kaufen. Über Kryptowallets könnten Guthaben ausgezahlt werden. Zudem bietet Visa Schnittstellen (APIs) an, damit Banken ihren Kunden den Kauf und Verkauf von Kryptowährungen anbieten können.

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