"Wir stoßen an unsere Grenzen"

Der Immobilien-Boom verändert den Arbeitsmarkt - Banken und Fondshäuser suchen händeringend Spezialisten - Im Wertpapiersektor sieht es dagegen mau aus

"Wir stoßen an unsere Grenzen"

Von Bernd Neubacher, FrankfurtDer bundesweite Immobilien-Boom wirkt sich zunehmend auf den Personalmarkt für Bank- und Fondsspezialisten aus. Wie bei Headhuntern berichtet wird, hat die Nachfrage nach Immobilienfachleuten sprunghaft angezogen. In anderen Feldern auf dem Personalmarkt sieht es dagegen mau aus, vor allem im Wertpapiergeschäft.Der Run auf Immobilien kommt Personaldienstleistern wie Fred Executive Search zugute – die Buchstaben des Namens Fred stehen für Finance, Real Estate und Digital. Erst 2017 gegründet, hat das Unternehmen 2018, im ersten vollen Jahr seiner Geschäftstätigkeit, im Immobiliensektor bereits 37 Kandidaten vermittelt. Nach einer Daumenregel fließen dabei jeweils 30 % der Jahresvergütung eines Kandidaten an Provision. Gemessen daran, dass Fred im Immobiliensektor mit gerade einmal zwei Headhuntern arbeitet, sind 37 Platzierungen ein guter Wert, wie einer der beiden, Dimitrios Belolividis, Principal Partner bei Fred, findet. Er und sein Kollege Szymon Kedzierski, Partner für Real Estate, werden dabei von sechs Mitarbeitern im Research unterstützt. “Weiterhin bullish””Der Markt war 2018 weiterhin bullish”, stellt Kedzierski fest. Selbst wenn sich die Dynamik im laufenden Jahr etwas abschwächen sollte, werde der deutsche Immobilienmarkt vor dem Hintergrund der Entwicklung am Arbeitsmarkt und der Konjunktur auf Sicht attraktiv bleiben. Das laufende Jahr sei man vorsichtig angegangen, bislang sei der Markt indes nicht eingeknickt, ergänzt Belolividis, der sich daher zuversichtlich zeigt, die Zahl der Vermittlungen von Immobilienspezialisten 2019 auf dem Vorjahresniveau zu halten. Auf Sicht will Fred im Immobiliengeschäft ohnehin wachsen, auch im Research. Kedzierski: “Wir stoßen an unsere Grenzen.” Heiß begehrtDer Boom hat entsprechend geschultes Personal heiß begehrt gemacht, nicht nur in Frankfurt, sondern bundesweit. So heißt es bei der Berliner Personalberatung Westwind, der Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft setze sich zunehmend auch in Bereichen des Immobilienmanagements fort. Mit der Zahl der fertig gestellten und gehandelten Immobilien steige der Bedarf an Asset- und Property-Managern sowie Akquisition- und Transaktionsmanagern, heißt es. An qualifizierten Kandidaten herrsche jedoch bundesweit “erheblicher Mangel”. Westwind-Chef Michael Harter: “Im Bereich des Managements von Immobilien sowie im Management von Immobilienfonds hat sich ein deutlicher Nachfrageüberhang gebildet. Qualifizierte Arbeitskräfte in diesen Bereichen sind bundesweit stark gefragt.” Das bestätigt Belolividis. “Wir haben im Moment einen Kandidatenmarkt.”Neben Spezialisten sind freilich auch Objekte knapp geworden. Kedzierski: “Das Kapital für Immobilieninvestitionen ist da, aber es fehlt oftmals das passende Produkt.” Der Anlagedruck institutioneller Investoren sowie Kapitalzuflüsse vor allem aus Asien sorgen dabei für immer kreativere Lösungen, um Rendite zu erzielen, wie Belolividis berichtet. Galten etwa Logistikimmobilien vor zehn Jahren noch als verpönt, ist gerade dieser Markt seither im Lichte von E-Commerce und Online-Shopping längst angesprungen. Dies hat das Anforderungsprofil an die Kandidaten verändert.Je mehr Investoren auf neue Bereiche ausweichen, umso stärker steigt der Bedarf auch an technischem Know-how. “Gesucht ist verstärkt Personal, das sich mit den technischen Belangen einer Immobilie auskennt, nicht mehr nur der kaufmännisch ausgerichtete Property- oder Assetmanager, der sich etwa um die Kosten und Erträge kümmert. Wir haben mehr Anfragen nach technischen Profilen”, sagt Belolividis. Sie machten inzwischen etwa rund 30 % der Anfragen aus. Der Rest entfalle auf die klassischen Anforderungsprofile. Um den entsprechenden Bedarf zu decken, schaut sich Fred auch bei Bauunternehmen nach Kandidaten um.”Mit dem wachsenden Markt steigen auch die Gehälter”, berichtet Kedzierski. Mussten Assetmanager vor drei Jahren noch reichlich Erfahrung mitbringen, um auf ein sechsstelliges Grundgehalt zu kommen, so kratzen mittlerweile sogenannte Mid-Level-Manager mit drei bis sechs Jahren Berufserfahrung an dieser Marke (siehe Tabelle). Erhielten Assetmanager mit mehr als sechs Jahren Berufserfahrung 2015 jährlich 75 000 bis 105 000 Euro fix, so waren es 2018 schon 90 000 bis 130 000 Euro, wie das Research von Fred erhoben hat. Ein Fondsmanager unterdessen kann derzeit eine Fix-Vergütung von bis zu 160 000 Euro erzielen. Gleichwohl lägen diese Niveaus nach wie vor unter jenen, die Banken Fondsmanager zahlten, heißt es.”In den letzten zwei Jahren war die Entwicklung fast ungesund”, kommentiert Kedzierski. Mancher Berufseinsteiger oder Kandidaten mit zwei bis drei Jahren Berufserfahrung hätten Kunden mit ihren Gehaltswünschen doch überrascht. Zugleich sei es auffällig, meint Belolividis, wie viele junge Fachkräfte sich angesichts des Booms in Richtung Immobilien orientierten. Striktere Regulierung steht anDie Debatte um Mietendeckel und Enteignungen in Berlin betrachtet Belolividis recht entspannt. Auf lange Sicht dürfte der Markt stärker reguliert werden, prognostiziert er. Folgen haben werde dies aber eher für die Aktivitäten mittelständischer und kleiner Investoren in Deutschland. Große internationale Spieler könnten regulatorische Neuerungen besser bewältigen.Die Konjunktur in der Vermittlung von Immobilien-Spezialisten sieht Belolividis auch als umgedrehtes Spiegelbild der Situation im Wertpapiergeschäft. Denn dort herrscht Flaute auf breiter Front, wie es bei Headhuntern heißt. Der Aktienprimärmarkt liegt hierzulande brach, im Sekundärmarkt wiederum machen Plattformen Banken Marktanteile streitig und drücken die Margen. Die mit der Finanzrichtlinie Mifid II einhergehende Beendigung der Praxis, Broker für Research mit Orderfluss zu bezahlen, sei letzten Endes im Wesentlichen den vier großen Häusern UBS, Morgan Stanley, J.P. Morgan und Citigroup zugutegekommen, wird berichtet. Der Rest strampele sich ab. Oder er zieht die Reißleine und zieht sich kurzerhand aus dem Aktienhandel zurück, wie die Deutsche Bank, die vor wenigen Tagen den Abbau von 18 000 Stellen bis 2022 angekündigt hat.Die Statistik stützt diese Trenddiagnose des Headhunters. So ist die durchschnittliche Zahl der im deutschen Finanz- und Versicherungsdienstleistungssektor insgesamt Beschäftigten laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung zwischen 2012 und 2017 um 50 000 auf 1,15 Millionen gefallen. Fürs Grundstücks- und Wohnungswesen weist Destatis für diesen Fünfjahreszeitraum einen Anstieg um 4 000 auf 471 000 aus.